Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Winckelmann, Johann Joachim: Geschichte der Kunst des Alterthums. Bd. 2. Dresden, 1764.

Bild:
<< vorherige Seite

II Theil. Von der Kunst, nach den äußern Umständen
Jnsel mit ihren Colonien, und die Aegineter begaben sich nach Thyräa in
der Argolischen Landschaft 1). Sie kamen zwar von neuem zum Be-
sitze ihres Vaterlandes, konnten aber nicht zur ehemaligen Macht wie-
der gelangen.

C.
Von den Um-
ständen in
Griechenland
kurz vor dem
Phidias.

Nach der funfzigsten Olympias kam eine betrübte Zeit für Griechen-
land: es wurde von verschiedenen Tyrannen überwältiget, und diese Zeit
dauerte an siebenzig Jahre. Polycrates machte sich Herr von Samos, Pi-
sistratus von Athen, Cypselus brachte die Herrschaft von Corinth auf sei-
a.
Jn Absicht der
Verfassung.
nen Sohn Periander, und hatte seine Macht durch Bündnisse und Ver-
mählungen mit andern Feinden der Freyheit ihres Vaterlandes zu Am-
bracia, Epidaurus und Lesbus befestiget. Melanchrus und Pittacus
waren Tyrannen zu Lesbus, und ganz Euböa war dem Timondas unter-
thänig, und Lygdamis wurde durch des Pisistratus Beystand Herr von
Naxus. Die mehresten aber von ihnen hatten nicht mit Gewalt oder ge-
waffneter Hand die Herrschaft an sich gebracht; sondern sie waren durch
Beredsamkeit zu ihrem Zwecke gelanget 2), und durch Herunterlassung ge-
gen das Volk hatten sie sich erhoben 3): sie erkannten, wie Pisistratus 4),
die Gesetze ihrer Bürger auch über sich. Tyrann war auch ein Ehren-
wort 5). Aristodemus, der Tyrann von Megalopolis in Arcadien, erlan-
gete den Zunamen [fremdsprachliches Material - Zeichen fehlt] 6), eines rechtschaffenen Mannes. Die Sta-
tuen der Sieger in den großen Spielen, mit welchen Elis auch schon vor
dem Flore der Künste angefüllet war 7), stelleten so viel Vertheydiger der
Freyheit vor: die Tyrannen mußten dem Verdienste das erkannte Recht
wiederfahren lassen, und der Künstler konnte zu allen Zeiten sein Werk vor
den Augen des ganzen Volks aufstellen.

Eine
1) Pausan. L. 2. p. 178.
2) Aristot. Polit. L. 5. c. 10. p. 152. edit. Wechel.
3) Dionys. Halic. Ant. Rom. L. p. 372. l. 36.
4) Aristot. l. c. c. 12. p. 164.
5) conf. Barnes. not. ad Hom. Hymn. in Mart. v. 5.
6) Pausan. L. 8. p. 656. l. 29.
7) conf. Herodot. L. 6. p. 279. l. 15.

II Theil. Von der Kunſt, nach den aͤußern Umſtaͤnden
Jnſel mit ihren Colonien, und die Aegineter begaben ſich nach Thyraͤa in
der Argoliſchen Landſchaft 1). Sie kamen zwar von neuem zum Be-
ſitze ihres Vaterlandes, konnten aber nicht zur ehemaligen Macht wie-
der gelangen.

C.
Von den Um-
ſtaͤnden in
Griechenland
kurz vor dem
Phidias.

Nach der funfzigſten Olympias kam eine betruͤbte Zeit fuͤr Griechen-
land: es wurde von verſchiedenen Tyrannen uͤberwaͤltiget, und dieſe Zeit
dauerte an ſiebenzig Jahre. Polycrates machte ſich Herr von Samos, Pi-
ſiſtratus von Athen, Cypſelus brachte die Herrſchaft von Corinth auf ſei-
a.
Jn Abſicht der
Verfaſſung.
nen Sohn Periander, und hatte ſeine Macht durch Buͤndniſſe und Ver-
maͤhlungen mit andern Feinden der Freyheit ihres Vaterlandes zu Am-
bracia, Epidaurus und Lesbus befeſtiget. Melanchrus und Pittacus
waren Tyrannen zu Lesbus, und ganz Euboͤa war dem Timondas unter-
thaͤnig, und Lygdamis wurde durch des Piſiſtratus Beyſtand Herr von
Naxus. Die mehreſten aber von ihnen hatten nicht mit Gewalt oder ge-
waffneter Hand die Herrſchaft an ſich gebracht; ſondern ſie waren durch
Beredſamkeit zu ihrem Zwecke gelanget 2), und durch Herunterlaſſung ge-
gen das Volk hatten ſie ſich erhoben 3): ſie erkannten, wie Piſiſtratus 4),
die Geſetze ihrer Buͤrger auch uͤber ſich. Tyrann war auch ein Ehren-
wort 5). Ariſtodemus, der Tyrann von Megalopolis in Arcadien, erlan-
gete den Zunamen [fremdsprachliches Material – Zeichen fehlt] 6), eines rechtſchaffenen Mannes. Die Sta-
tuen der Sieger in den großen Spielen, mit welchen Elis auch ſchon vor
dem Flore der Kuͤnſte angefuͤllet war 7), ſtelleten ſo viel Vertheydiger der
Freyheit vor: die Tyrannen mußten dem Verdienſte das erkannte Recht
wiederfahren laſſen, und der Kuͤnſtler konnte zu allen Zeiten ſein Werk vor
den Augen des ganzen Volks aufſtellen.

Eine
1) Pauſan. L. 2. p. 178.
2) Ariſtot. Polit. L. 5. c. 10. p. 152. edit. Wechel.
3) Dionyſ. Halic. Ant. Rom. L. p. 372. l. 36.
4) Ariſtot. l. c. c. 12. p. 164.
5) conf. Barneſ. not. ad Hom. Hymn. in Mart. v. 5.
6) Pauſan. L. 8. p. 656. l. 29.
7) conf. Herodot. L. 6. p. 279. l. 15.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0010" n="322"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">II</hi> Theil. Von der Kun&#x017F;t, nach den a&#x0364;ußern Um&#x017F;ta&#x0364;nden</hi></fw><lb/>
Jn&#x017F;el mit ihren Colonien, und die Aegineter begaben &#x017F;ich nach Thyra&#x0364;a in<lb/>
der Argoli&#x017F;chen Land&#x017F;chaft <note place="foot" n="1)"><hi rendition="#aq">Pau&#x017F;an. L. 2. p.</hi> 178.</note>. Sie kamen zwar von neuem zum Be-<lb/>
&#x017F;itze ihres Vaterlandes, konnten aber nicht zur ehemaligen Macht wie-<lb/>
der gelangen.</p><lb/>
          <note place="left"><hi rendition="#aq">C.</hi><lb/>
Von den Um-<lb/>
&#x017F;ta&#x0364;nden in<lb/>
Griechenland<lb/>
kurz vor dem<lb/>
Phidias.</note>
          <p>Nach der funfzig&#x017F;ten Olympias kam eine betru&#x0364;bte Zeit fu&#x0364;r Griechen-<lb/>
land: es wurde von ver&#x017F;chiedenen Tyrannen u&#x0364;berwa&#x0364;ltiget, und die&#x017F;e Zeit<lb/>
dauerte an &#x017F;iebenzig Jahre. Polycrates machte &#x017F;ich Herr von Samos, Pi-<lb/>
&#x017F;i&#x017F;tratus von Athen, Cyp&#x017F;elus brachte die Herr&#x017F;chaft von Corinth auf &#x017F;ei-<lb/><note place="left"><hi rendition="#aq">a.</hi><lb/>
Jn Ab&#x017F;icht der<lb/>
Verfa&#x017F;&#x017F;ung.</note>nen Sohn Periander, und hatte &#x017F;eine Macht durch Bu&#x0364;ndni&#x017F;&#x017F;e und Ver-<lb/>
ma&#x0364;hlungen mit andern Feinden der Freyheit ihres Vaterlandes zu Am-<lb/>
bracia, Epidaurus und Lesbus befe&#x017F;tiget. Melanchrus und Pittacus<lb/>
waren Tyrannen zu Lesbus, und ganz Eubo&#x0364;a war dem Timondas unter-<lb/>
tha&#x0364;nig, und Lygdamis wurde durch des Pi&#x017F;i&#x017F;tratus Bey&#x017F;tand Herr von<lb/>
Naxus. Die mehre&#x017F;ten aber von ihnen hatten nicht mit Gewalt oder ge-<lb/>
waffneter Hand die Herr&#x017F;chaft an &#x017F;ich gebracht; &#x017F;ondern &#x017F;ie waren durch<lb/>
Bered&#x017F;amkeit zu ihrem Zwecke gelanget <note place="foot" n="2)"><hi rendition="#aq">Ari&#x017F;tot. Polit. L. 5. c. 10. p. 152. edit. Wechel.</hi></note>, und durch Herunterla&#x017F;&#x017F;ung ge-<lb/>
gen das Volk hatten &#x017F;ie &#x017F;ich erhoben <note place="foot" n="3)"><hi rendition="#aq">Diony&#x017F;. Halic. Ant. Rom. L. p. 372. l.</hi> 36.</note>: &#x017F;ie erkannten, wie Pi&#x017F;i&#x017F;tratus <note place="foot" n="4)"><hi rendition="#aq">Ari&#x017F;tot. l. c. c. 12. p.</hi> 164.</note>,<lb/>
die Ge&#x017F;etze ihrer Bu&#x0364;rger auch u&#x0364;ber &#x017F;ich. <hi rendition="#fr">Tyrann</hi> war auch ein Ehren-<lb/>
wort <note place="foot" n="5)"><hi rendition="#aq">conf. Barne&#x017F;. not. ad Hom. Hymn. in Mart. v.</hi> 5.</note>. Ari&#x017F;todemus, der Tyrann von Megalopolis in Arcadien, erlan-<lb/>
gete den Zunamen <foreign xml:lang="ell"><gap reason="fm" unit="chars"/></foreign> <note place="foot" n="6)"><hi rendition="#aq">Pau&#x017F;an. L. 8. p. 656. l.</hi> 29.</note>, eines recht&#x017F;chaffenen Mannes. Die Sta-<lb/>
tuen der Sieger in den großen Spielen, mit welchen Elis auch &#x017F;chon vor<lb/>
dem Flore der Ku&#x0364;n&#x017F;te angefu&#x0364;llet war <note place="foot" n="7)"><hi rendition="#aq">conf. Herodot. L. 6. p. 279. l.</hi> 15.</note>, &#x017F;telleten &#x017F;o viel Vertheydiger der<lb/>
Freyheit vor: die Tyrannen mußten dem Verdien&#x017F;te das erkannte Recht<lb/>
wiederfahren la&#x017F;&#x017F;en, und der Ku&#x0364;n&#x017F;tler konnte zu allen Zeiten &#x017F;ein Werk vor<lb/>
den Augen des ganzen Volks auf&#x017F;tellen.</p><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch">Eine</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[322/0010] II Theil. Von der Kunſt, nach den aͤußern Umſtaͤnden Jnſel mit ihren Colonien, und die Aegineter begaben ſich nach Thyraͤa in der Argoliſchen Landſchaft 1). Sie kamen zwar von neuem zum Be- ſitze ihres Vaterlandes, konnten aber nicht zur ehemaligen Macht wie- der gelangen. Nach der funfzigſten Olympias kam eine betruͤbte Zeit fuͤr Griechen- land: es wurde von verſchiedenen Tyrannen uͤberwaͤltiget, und dieſe Zeit dauerte an ſiebenzig Jahre. Polycrates machte ſich Herr von Samos, Pi- ſiſtratus von Athen, Cypſelus brachte die Herrſchaft von Corinth auf ſei- nen Sohn Periander, und hatte ſeine Macht durch Buͤndniſſe und Ver- maͤhlungen mit andern Feinden der Freyheit ihres Vaterlandes zu Am- bracia, Epidaurus und Lesbus befeſtiget. Melanchrus und Pittacus waren Tyrannen zu Lesbus, und ganz Euboͤa war dem Timondas unter- thaͤnig, und Lygdamis wurde durch des Piſiſtratus Beyſtand Herr von Naxus. Die mehreſten aber von ihnen hatten nicht mit Gewalt oder ge- waffneter Hand die Herrſchaft an ſich gebracht; ſondern ſie waren durch Beredſamkeit zu ihrem Zwecke gelanget 2), und durch Herunterlaſſung ge- gen das Volk hatten ſie ſich erhoben 3): ſie erkannten, wie Piſiſtratus 4), die Geſetze ihrer Buͤrger auch uͤber ſich. Tyrann war auch ein Ehren- wort 5). Ariſtodemus, der Tyrann von Megalopolis in Arcadien, erlan- gete den Zunamen _ 6), eines rechtſchaffenen Mannes. Die Sta- tuen der Sieger in den großen Spielen, mit welchen Elis auch ſchon vor dem Flore der Kuͤnſte angefuͤllet war 7), ſtelleten ſo viel Vertheydiger der Freyheit vor: die Tyrannen mußten dem Verdienſte das erkannte Recht wiederfahren laſſen, und der Kuͤnſtler konnte zu allen Zeiten ſein Werk vor den Augen des ganzen Volks aufſtellen. a. Jn Abſicht der Verfaſſung. Eine 1) Pauſan. L. 2. p. 178. 2) Ariſtot. Polit. L. 5. c. 10. p. 152. edit. Wechel. 3) Dionyſ. Halic. Ant. Rom. L. p. 372. l. 36. 4) Ariſtot. l. c. c. 12. p. 164. 5) conf. Barneſ. not. ad Hom. Hymn. in Mart. v. 5. 6) Pauſan. L. 8. p. 656. l. 29. 7) conf. Herodot. L. 6. p. 279. l. 15.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/winckelmann_kunstgeschichte02_1764
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/winckelmann_kunstgeschichte02_1764/10
Zitationshilfe: Winckelmann, Johann Joachim: Geschichte der Kunst des Alterthums. Bd. 2. Dresden, 1764, S. 322. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/winckelmann_kunstgeschichte02_1764/10>, abgerufen am 25.04.2024.