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Winckelmann, Johann Joachim: Geschichte der Kunst des Alterthums. Bd. 2. Dresden, 1764.

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unter den Römischen Kaisern.
nopel, für einen Begriff zu machen habe, kann man sich ohngefähr aus
beyder Figuren in Musaico, zu Ravenna, zu derselben Zeit gemachet 1),
vorstellen. Jene Statue war wie Achilles gekleidet, das ist, wie Proco-
pius sagt, mit untergebundenen Sohlen, und mit bloßen Beinen, ohne
Beinrüstung; wir würden sagen heroisch, oder noch Art der Menschen aus
der Heldenzeit vorgestellet.

Endlich kam der Griechische Kaiser Constantinus, ein Enkel KaisersL.
Letztes Schick-
sal der Sta-
tuen in Rom,

Heraclius, im Jahre 663. nach Rom, und führete, nach einem Auf-
enthalt von zwölf Tagen, alle übrig gebliebenen Werke von Erzt,
sogar die Ziegel von Erzt, womit das Pantheon gedecket war, mit
sich hinweg nach Syracus in Sicilien, und dieser Schatz kam bald
nach dessen Tode in der Saracenen Hände, die alles nach Alexan-
drien führeten 2).

Jn Constantinopel, und daselbst allein, waren einige Werke derM.
und in Con-
stantinopel.

Kunst, nach ihrer allgemeinen Vernichtung in Griechenland und Rom,
noch verschont geblieben. Denn was sich noch in Griechenland erhalten
hatte, war dahin geführet, auch so gar die Statue des Eseltreibers mit
seinem Esel von Erzt 3), welche Augustus zu Neapolis, nach der Schlacht
wider den Antonius und die Cleopatra, setzen ließ. Jn Constantinopel
stand noch bis in das eilfte Jahrhundert die Pallas aus der Jnsel Lin-
dus 4), von Scyllis und Dipoenus, Bildhauern vor Cyrus Zeiten: es
war um diese Zeit daselbst das Wunder der Kunst, der Olympische Ju-
piter des Phidias, die schönste Venus aus Cnidus von der Hand des
Praxiteles, die Statue der Gelegenheit des Lysippus, und eine Juno

aus
1) Aleman. Not. in Procop. Hist. arcan. c. 8. p. 110. c. 10. p. 123.
2) Anastas. Vit. S. Vitaliani et Adeodati. Paul. Diac. Hist. Longob. L. 5. c. 11.
3) Glycas Annal. P. 3.
4) Cedren. p. 322. B.
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unter den Roͤmiſchen Kaiſern.
nopel, fuͤr einen Begriff zu machen habe, kann man ſich ohngefaͤhr aus
beyder Figuren in Muſaico, zu Ravenna, zu derſelben Zeit gemachet 1),
vorſtellen. Jene Statue war wie Achilles gekleidet, das iſt, wie Proco-
pius ſagt, mit untergebundenen Sohlen, und mit bloßen Beinen, ohne
Beinruͤſtung; wir wuͤrden ſagen heroiſch, oder noch Art der Menſchen aus
der Heldenzeit vorgeſtellet.

Endlich kam der Griechiſche Kaiſer Conſtantinus, ein Enkel KaiſersL.
Letztes Schick-
ſal der Sta-
tuen in Rom,

Heraclius, im Jahre 663. nach Rom, und fuͤhrete, nach einem Auf-
enthalt von zwoͤlf Tagen, alle uͤbrig gebliebenen Werke von Erzt,
ſogar die Ziegel von Erzt, womit das Pantheon gedecket war, mit
ſich hinweg nach Syracus in Sicilien, und dieſer Schatz kam bald
nach deſſen Tode in der Saracenen Haͤnde, die alles nach Alexan-
drien fuͤhreten 2).

Jn Conſtantinopel, und daſelbſt allein, waren einige Werke derM.
und in Con-
ſtantinopel.

Kunſt, nach ihrer allgemeinen Vernichtung in Griechenland und Rom,
noch verſchont geblieben. Denn was ſich noch in Griechenland erhalten
hatte, war dahin gefuͤhret, auch ſo gar die Statue des Eſeltreibers mit
ſeinem Eſel von Erzt 3), welche Auguſtus zu Neapolis, nach der Schlacht
wider den Antonius und die Cleopatra, ſetzen ließ. Jn Conſtantinopel
ſtand noch bis in das eilfte Jahrhundert die Pallas aus der Jnſel Lin-
dus 4), von Scyllis und Dipoenus, Bildhauern vor Cyrus Zeiten: es
war um dieſe Zeit daſelbſt das Wunder der Kunſt, der Olympiſche Ju-
piter des Phidias, die ſchoͤnſte Venus aus Cnidus von der Hand des
Praxiteles, die Statue der Gelegenheit des Lyſippus, und eine Juno

aus
1) Aleman. Not. in Procop. Hiſt. arcan. c. 8. p. 110. c. 10. p. 123.
2) Anaſtaſ. Vit. S. Vitaliani et Adeodati. Paul. Diac. Hiſt. Longob. L. 5. c. 11.
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[429/0117] unter den Roͤmiſchen Kaiſern. nopel, fuͤr einen Begriff zu machen habe, kann man ſich ohngefaͤhr aus beyder Figuren in Muſaico, zu Ravenna, zu derſelben Zeit gemachet 1), vorſtellen. Jene Statue war wie Achilles gekleidet, das iſt, wie Proco- pius ſagt, mit untergebundenen Sohlen, und mit bloßen Beinen, ohne Beinruͤſtung; wir wuͤrden ſagen heroiſch, oder noch Art der Menſchen aus der Heldenzeit vorgeſtellet. Endlich kam der Griechiſche Kaiſer Conſtantinus, ein Enkel Kaiſers Heraclius, im Jahre 663. nach Rom, und fuͤhrete, nach einem Auf- enthalt von zwoͤlf Tagen, alle uͤbrig gebliebenen Werke von Erzt, ſogar die Ziegel von Erzt, womit das Pantheon gedecket war, mit ſich hinweg nach Syracus in Sicilien, und dieſer Schatz kam bald nach deſſen Tode in der Saracenen Haͤnde, die alles nach Alexan- drien fuͤhreten 2). L. Letztes Schick- ſal der Sta- tuen in Rom, Jn Conſtantinopel, und daſelbſt allein, waren einige Werke der Kunſt, nach ihrer allgemeinen Vernichtung in Griechenland und Rom, noch verſchont geblieben. Denn was ſich noch in Griechenland erhalten hatte, war dahin gefuͤhret, auch ſo gar die Statue des Eſeltreibers mit ſeinem Eſel von Erzt 3), welche Auguſtus zu Neapolis, nach der Schlacht wider den Antonius und die Cleopatra, ſetzen ließ. Jn Conſtantinopel ſtand noch bis in das eilfte Jahrhundert die Pallas aus der Jnſel Lin- dus 4), von Scyllis und Dipoenus, Bildhauern vor Cyrus Zeiten: es war um dieſe Zeit daſelbſt das Wunder der Kunſt, der Olympiſche Ju- piter des Phidias, die ſchoͤnſte Venus aus Cnidus von der Hand des Praxiteles, die Statue der Gelegenheit des Lyſippus, und eine Juno aus M. und in Con- ſtantinopel. 1) Aleman. Not. in Procop. Hiſt. arcan. c. 8. p. 110. c. 10. p. 123. 2) Anaſtaſ. Vit. S. Vitaliani et Adeodati. Paul. Diac. Hiſt. Longob. L. 5. c. 11. 3) Glycas Annal. P. 3. 4) Cedren. p. 322. B. H h h 3

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Zitationshilfe: Winckelmann, Johann Joachim: Geschichte der Kunst des Alterthums. Bd. 2. Dresden, 1764, S. 429. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/winckelmann_kunstgeschichte02_1764/117>, abgerufen am 28.03.2024.