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Winckelmann, Johann Joachim: Geschichte der Kunst des Alterthums. Bd. 2. Dresden, 1764.

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der Zeit unter den Griechen betrachtet.
durch welche er den Pireäischen Hafen mit der Stadt vereinigte, sind aller
Welt bekannt. Damals fieng die Kunst an, gleichsam Leben zu bekom-
men, und Plinius sagt 1), daß die Bildhauerey sowohl, als die Malerey,
itzo angefangen.

Der Wachsthum der Kunst unter dem Pericles erfolgete, wie diea.
Allgemeine
Betrachtung
der Kunst in
dieser Zeit.

Herstellung derselben unter Julius II. und Leo X. Griechenland war
damals, und Jtalien nachher, wie ein fruchtbarer, nicht erschöpfter, aber
auch nicht vernachläßigter Boden, welcher durch eine besondere Bearbei-
tung den verschlossen gewesenen Reichthum seiner Fruchtbarkeit ausläßt.
Die Kunst vor dem Phidias, und Michael Angelo und Raphael, ist
zwar in keine völlige Vergleichung zu stellen; aber sie hatte dort, wie hier,
eine Einfalt und Reinigkeit, die destomehr zur Verbesserung geschickt ist,
je ungekünstelter und unverdorbener sie sich erhalten hat.

Die beyden größten Künstler in Athen waren Phidias und Par-b.
Damalige
Künstler.

rhasius: der erste führete, außer seiner Kunst, nebst dem Mnesicles, den
großen Bau des Pericles, und der andere legte mit Hand an die Werke
des Phidias; er zeichnete die Schlacht der Lapither mit den Centauren auf
dem Schilde der Pallas, welche vom Mys in Elfenbein geschnitten wurde.
Dieses war das goldene Alter der Kunst, wo die Eintracht arbeiten half,
und wo das öffentlich erkannte und entschiedene Verdienst eines jeden die
Eifersucht entkräftete: dieses Glück genoß die Kunst vorher und noch eine
geraume Zeit hernach. Unter den älteren Künstlern arbeiteten Thylacus
und sein Bruder Onathus, nebst deren Söhnen, an einem Jupiter zu
Elis 2): vom Onatas von Aegina, und vom Calliteles war an eben dem
Orte ein Mercurius, welcher einen Widder trug 3). Unter ihren Nach-
folgern arbeiteten Xenocritus und Eubius an einem Hercules 4); Timo-

cles
1) L. 36. c. 5.
2) Pausan. L. 5. p. 438. l. 8.
3) Idem L. 5. p. 449. l. 27.
4) Idem L. 9. p. 732. l. 11.
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der Zeit unter den Griechen betrachtet.
durch welche er den Pireaͤiſchen Hafen mit der Stadt vereinigte, ſind aller
Welt bekannt. Damals fieng die Kunſt an, gleichſam Leben zu bekom-
men, und Plinius ſagt 1), daß die Bildhauerey ſowohl, als die Malerey,
itzo angefangen.

Der Wachsthum der Kunſt unter dem Pericles erfolgete, wie diea.
Allgemeine
Betrachtung
der Kunſt in
dieſer Zeit.

Herſtellung derſelben unter Julius II. und Leo X. Griechenland war
damals, und Jtalien nachher, wie ein fruchtbarer, nicht erſchoͤpfter, aber
auch nicht vernachlaͤßigter Boden, welcher durch eine beſondere Bearbei-
tung den verſchloſſen geweſenen Reichthum ſeiner Fruchtbarkeit auslaͤßt.
Die Kunſt vor dem Phidias, und Michael Angelo und Raphael, iſt
zwar in keine voͤllige Vergleichung zu ſtellen; aber ſie hatte dort, wie hier,
eine Einfalt und Reinigkeit, die deſtomehr zur Verbeſſerung geſchickt iſt,
je ungekuͤnſtelter und unverdorbener ſie ſich erhalten hat.

Die beyden groͤßten Kuͤnſtler in Athen waren Phidias und Par-b.
Damalige
Kuͤnſtler.

rhaſius: der erſte fuͤhrete, außer ſeiner Kunſt, nebſt dem Mneſicles, den
großen Bau des Pericles, und der andere legte mit Hand an die Werke
des Phidias; er zeichnete die Schlacht der Lapither mit den Centauren auf
dem Schilde der Pallas, welche vom Mys in Elfenbein geſchnitten wurde.
Dieſes war das goldene Alter der Kunſt, wo die Eintracht arbeiten half,
und wo das oͤffentlich erkannte und entſchiedene Verdienſt eines jeden die
Eiferſucht entkraͤftete: dieſes Gluͤck genoß die Kunſt vorher und noch eine
geraume Zeit hernach. Unter den aͤlteren Kuͤnſtlern arbeiteten Thylacus
und ſein Bruder Onathus, nebſt deren Soͤhnen, an einem Jupiter zu
Elis 2): vom Onatas von Aegina, und vom Calliteles war an eben dem
Orte ein Mercurius, welcher einen Widder trug 3). Unter ihren Nach-
folgern arbeiteten Xenocritus und Eubius an einem Hercules 4); Timo-

cles
1) L. 36. c. 5.
2) Pauſan. L. 5. p. 438. l. 8.
3) Idem L. 5. p. 449. l. 27.
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[331/0019] der Zeit unter den Griechen betrachtet. durch welche er den Pireaͤiſchen Hafen mit der Stadt vereinigte, ſind aller Welt bekannt. Damals fieng die Kunſt an, gleichſam Leben zu bekom- men, und Plinius ſagt 1), daß die Bildhauerey ſowohl, als die Malerey, itzo angefangen. Der Wachsthum der Kunſt unter dem Pericles erfolgete, wie die Herſtellung derſelben unter Julius II. und Leo X. Griechenland war damals, und Jtalien nachher, wie ein fruchtbarer, nicht erſchoͤpfter, aber auch nicht vernachlaͤßigter Boden, welcher durch eine beſondere Bearbei- tung den verſchloſſen geweſenen Reichthum ſeiner Fruchtbarkeit auslaͤßt. Die Kunſt vor dem Phidias, und Michael Angelo und Raphael, iſt zwar in keine voͤllige Vergleichung zu ſtellen; aber ſie hatte dort, wie hier, eine Einfalt und Reinigkeit, die deſtomehr zur Verbeſſerung geſchickt iſt, je ungekuͤnſtelter und unverdorbener ſie ſich erhalten hat. a. Allgemeine Betrachtung der Kunſt in dieſer Zeit. Die beyden groͤßten Kuͤnſtler in Athen waren Phidias und Par- rhaſius: der erſte fuͤhrete, außer ſeiner Kunſt, nebſt dem Mneſicles, den großen Bau des Pericles, und der andere legte mit Hand an die Werke des Phidias; er zeichnete die Schlacht der Lapither mit den Centauren auf dem Schilde der Pallas, welche vom Mys in Elfenbein geſchnitten wurde. Dieſes war das goldene Alter der Kunſt, wo die Eintracht arbeiten half, und wo das oͤffentlich erkannte und entſchiedene Verdienſt eines jeden die Eiferſucht entkraͤftete: dieſes Gluͤck genoß die Kunſt vorher und noch eine geraume Zeit hernach. Unter den aͤlteren Kuͤnſtlern arbeiteten Thylacus und ſein Bruder Onathus, nebſt deren Soͤhnen, an einem Jupiter zu Elis 2): vom Onatas von Aegina, und vom Calliteles war an eben dem Orte ein Mercurius, welcher einen Widder trug 3). Unter ihren Nach- folgern arbeiteten Xenocritus und Eubius an einem Hercules 4); Timo- cles b. Damalige Kuͤnſtler. 1) L. 36. c. 5. 2) Pauſan. L. 5. p. 438. l. 8. 3) Idem L. 5. p. 449. l. 27. 4) Idem L. 9. p. 732. l. 11. T t 2

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Zitationshilfe: Winckelmann, Johann Joachim: Geschichte der Kunst des Alterthums. Bd. 2. Dresden, 1764, S. 331. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/winckelmann_kunstgeschichte02_1764/19>, abgerufen am 29.03.2024.