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Winckelmann, Johann Joachim: Geschichte der Kunst des Alterthums. Bd. 2. Dresden, 1764.

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II Theil. Von der Kunst, nach den äußern Umständen
ten Zeit der Kunst die Namen des Meisters gesetzet, wie ich unten anfüh-
ren werde. Es ist dieses Werk auf der Via Appia, ohnweit Albano, an
einem Orte gefunden, welcher ehemals ad Bovillas, itzo alle Fratocchie
heißt, und dem Hause Colonna gehöret, wo ehemals eine Villa Kaisers
Claudius war, und es ist zu glauben, daß es zu dieses Kaisers Zeiten ge-
machet worden. An eben dem Orte ist die sogenannte Tabula Jliaca ge-
funden, welche nach Absterben des letzten aus dem Hause Spagna in
Rom, in das Museum des Campidoglio versetzet ist; ingleichen die soge-
nannte Aussöhnung des Hercules 1), welche in der Kleiderkammer des
Pallastes Farnese war, und durch einen besondern Zufall Sr. Eminenz
dem Herrn Cardinal Alex. Albani zu Theil worden ist, welcher dieselbe in
seiner Villa aufstellen lassen.

C.
Schicksale der
Kunst durch
das Unglück
von Athen in
diesem Kriege,
und in der wie-
der hergestelle-
ten Freyheit
dieser Stadt.

Jch kehre wiederum zur Geschichte, und zu dem unglücklichen Pelo-
ponnesischen Kriege zurück, welcher sich im ersten Jahre der vier und neun-
zigsten Olympias endigte, aber mit Verlust der Freyheit von Athen, und
zugleich, wie es scheinet, mit großem Nachtheile der Kunst. Die Stadt
wurde vom Lysander belagert, und mußte sich nach der Uebergabe unter
den schweren Arm der Spartaner und ihres Heerführers demüthigen, wel-
cher ihren Hafen einreißen, die Mauern unter währender Musik schleifen
ließ, und die ganze Form der Regierung änderte. Der Rath von dreyßig
Personen, welchen er setzte, suchte, wenn es möglich gewesen wäre, durch
Hinrichtung der edelsten Bürger auch den Saamen der Freyheit zu vertil-
gen. Jn diesen Drangsalen trat Thrasybulus hervor, uud wurde ein Er-
retter seines Vaterlandes. Die Tyrannen wurden nach acht Monathen
theils verjaget, theils ermordet, und ein Jahr hernach wurde durch eine
öffentliche Verordnung der Vergessenheit alles dessen, was vorgegangen
war, die Ruhe in Athen wieder hergestellet. Ja diese Stadt hob sich wie-

derum
1) Donii Inscr. T. I. Tab. 6. et Corsin. explic. huius Marm.

II Theil. Von der Kunſt, nach den aͤußern Umſtaͤnden
ten Zeit der Kunſt die Namen des Meiſters geſetzet, wie ich unten anfuͤh-
ren werde. Es iſt dieſes Werk auf der Via Appia, ohnweit Albano, an
einem Orte gefunden, welcher ehemals ad Bovillas, itzo alle Fratocchie
heißt, und dem Hauſe Colonna gehoͤret, wo ehemals eine Villa Kaiſers
Claudius war, und es iſt zu glauben, daß es zu dieſes Kaiſers Zeiten ge-
machet worden. An eben dem Orte iſt die ſogenannte Tabula Jliaca ge-
funden, welche nach Abſterben des letzten aus dem Hauſe Spagna in
Rom, in das Muſeum des Campidoglio verſetzet iſt; ingleichen die ſoge-
nannte Ausſoͤhnung des Hercules 1), welche in der Kleiderkammer des
Pallaſtes Farneſe war, und durch einen beſondern Zufall Sr. Eminenz
dem Herrn Cardinal Alex. Albani zu Theil worden iſt, welcher dieſelbe in
ſeiner Villa aufſtellen laſſen.

C.
Schickſale der
Kunſt durch
das Ungluͤck
von Athen in
dieſem Kriege,
und in der wie-
der hergeſtelle-
ten Freyheit
dieſer Stadt.

Jch kehre wiederum zur Geſchichte, und zu dem ungluͤcklichen Pelo-
ponneſiſchen Kriege zuruͤck, welcher ſich im erſten Jahre der vier und neun-
zigſten Olympias endigte, aber mit Verluſt der Freyheit von Athen, und
zugleich, wie es ſcheinet, mit großem Nachtheile der Kunſt. Die Stadt
wurde vom Lyſander belagert, und mußte ſich nach der Uebergabe unter
den ſchweren Arm der Spartaner und ihres Heerfuͤhrers demuͤthigen, wel-
cher ihren Hafen einreißen, die Mauern unter waͤhrender Muſik ſchleifen
ließ, und die ganze Form der Regierung aͤnderte. Der Rath von dreyßig
Perſonen, welchen er ſetzte, ſuchte, wenn es moͤglich geweſen waͤre, durch
Hinrichtung der edelſten Buͤrger auch den Saamen der Freyheit zu vertil-
gen. Jn dieſen Drangſalen trat Thraſybulus hervor, uud wurde ein Er-
retter ſeines Vaterlandes. Die Tyrannen wurden nach acht Monathen
theils verjaget, theils ermordet, und ein Jahr hernach wurde durch eine
oͤffentliche Verordnung der Vergeſſenheit alles deſſen, was vorgegangen
war, die Ruhe in Athen wieder hergeſtellet. Ja dieſe Stadt hob ſich wie-

derum
1) Donii Inſcr. T. I. Tab. 6. et Corſin. explic. huius Marm.
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[340/0028] II Theil. Von der Kunſt, nach den aͤußern Umſtaͤnden ten Zeit der Kunſt die Namen des Meiſters geſetzet, wie ich unten anfuͤh- ren werde. Es iſt dieſes Werk auf der Via Appia, ohnweit Albano, an einem Orte gefunden, welcher ehemals ad Bovillas, itzo alle Fratocchie heißt, und dem Hauſe Colonna gehoͤret, wo ehemals eine Villa Kaiſers Claudius war, und es iſt zu glauben, daß es zu dieſes Kaiſers Zeiten ge- machet worden. An eben dem Orte iſt die ſogenannte Tabula Jliaca ge- funden, welche nach Abſterben des letzten aus dem Hauſe Spagna in Rom, in das Muſeum des Campidoglio verſetzet iſt; ingleichen die ſoge- nannte Ausſoͤhnung des Hercules 1), welche in der Kleiderkammer des Pallaſtes Farneſe war, und durch einen beſondern Zufall Sr. Eminenz dem Herrn Cardinal Alex. Albani zu Theil worden iſt, welcher dieſelbe in ſeiner Villa aufſtellen laſſen. Jch kehre wiederum zur Geſchichte, und zu dem ungluͤcklichen Pelo- ponneſiſchen Kriege zuruͤck, welcher ſich im erſten Jahre der vier und neun- zigſten Olympias endigte, aber mit Verluſt der Freyheit von Athen, und zugleich, wie es ſcheinet, mit großem Nachtheile der Kunſt. Die Stadt wurde vom Lyſander belagert, und mußte ſich nach der Uebergabe unter den ſchweren Arm der Spartaner und ihres Heerfuͤhrers demuͤthigen, wel- cher ihren Hafen einreißen, die Mauern unter waͤhrender Muſik ſchleifen ließ, und die ganze Form der Regierung aͤnderte. Der Rath von dreyßig Perſonen, welchen er ſetzte, ſuchte, wenn es moͤglich geweſen waͤre, durch Hinrichtung der edelſten Buͤrger auch den Saamen der Freyheit zu vertil- gen. Jn dieſen Drangſalen trat Thraſybulus hervor, uud wurde ein Er- retter ſeines Vaterlandes. Die Tyrannen wurden nach acht Monathen theils verjaget, theils ermordet, und ein Jahr hernach wurde durch eine oͤffentliche Verordnung der Vergeſſenheit alles deſſen, was vorgegangen war, die Ruhe in Athen wieder hergeſtellet. Ja dieſe Stadt hob ſich wie- derum 1) Donii Inſcr. T. I. Tab. 6. et Corſin. explic. huius Marm.

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Zitationshilfe: Winckelmann, Johann Joachim: Geschichte der Kunst des Alterthums. Bd. 2. Dresden, 1764, S. 340. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/winckelmann_kunstgeschichte02_1764/28>, abgerufen am 28.03.2024.