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Winckelmann, Johann Joachim: Geschichte der Kunst des Alterthums. Bd. 2. Dresden, 1764.

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der Zeit unter den Griechen betrachtet.
derum empor, da Conon die Macht der Perser wider Sparta aufbrachte,
an der Spitze einer Persischen Flotte die Spartanische schlug, nach Athen
gieng, und die Mauern wieder anfieng aufzubauen.

Die Kunst erwachte damals von neuem, und die Schüler der vorigenKünstler aus
dieser Zeit.

großen Meister, Canachus, Naucydes, Diomedes und Patrochus
zeigeten sich in der folgenden fünf und neunzigsten Olympias. Wir sehen
aus Angebung dieser Zeit, in welche der Flor dieser Meister gesetzet wird,
daß die Kunst mit Athen immer einerley Schicksale gehabt, und daß ihr
Aufnehmen vorzüglich von dem Wohlstande dieser Stadt abgehangen.
Canachus ist vornehmlich durch eine Statue des Apollo Philesius, d. i.
des Küssenden, oder Geküsseten, bekannt; Naucydes arbeitete für die
Stadt Corinth eine Hebe von Golde und Elfenbein; aber sie haben den
Ruhm ihrer Vorfahren nicht erreichet. Nach diesen Künstlern kam
Bryaxis, Leochares und Timotheus, in der hundert und zweyten
Olympias. Von den ersten war ein berühmter Apollo zu Daphne bey An-
tiochia, und zu Rhodus fünf Colossalische Statuen von Göttern: der an-
dere machte den schönen Ganymedes, welchen der Adler auf das zärtlichste
gefasset hatte, und sich zu fürchten schien, ihm auch durch die Kleider
wehe zu thun 1) Von dem letzten war eine Diana in dem Pallaste der
Kaiser zu Rom.

Jn
1) Die Base, auf welcher der Ganymedes des Leochares ehemals in Rom stand, befindet
sich noch itzo in der Villa Medicis, mit der Jnschrift a):
[fremdsprachliches Material - fehlt]
Die Art der Jnschrift, welche die Benennung des Werks anzeiget, "ein Werk des
"Leochares,
" anstatt schlechthin, "Leochares hat es gemacht," ferner die Form
der Buchstaben zeigen, daß sie nicht von der Zeit des Künstlers sey, und die Base ist
vermuthlich in Rom gemachet: die Griechischen Bildhauer setzten im übrigen ihre Na-
men
a) Spon. Miscell. p. 127.
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der Zeit unter den Griechen betrachtet.
derum empor, da Conon die Macht der Perſer wider Sparta aufbrachte,
an der Spitze einer Perſiſchen Flotte die Spartaniſche ſchlug, nach Athen
gieng, und die Mauern wieder anfieng aufzubauen.

Die Kunſt erwachte damals von neuem, und die Schuͤler der vorigenKuͤnſtler aus
dieſer Zeit.

großen Meiſter, Canachus, Naucydes, Diomedes und Patrochus
zeigeten ſich in der folgenden fuͤnf und neunzigſten Olympias. Wir ſehen
aus Angebung dieſer Zeit, in welche der Flor dieſer Meiſter geſetzet wird,
daß die Kunſt mit Athen immer einerley Schickſale gehabt, und daß ihr
Aufnehmen vorzuͤglich von dem Wohlſtande dieſer Stadt abgehangen.
Canachus iſt vornehmlich durch eine Statue des Apollo Phileſius, d. i.
des Kuͤſſenden, oder Gekuͤſſeten, bekannt; Naucydes arbeitete fuͤr die
Stadt Corinth eine Hebe von Golde und Elfenbein; aber ſie haben den
Ruhm ihrer Vorfahren nicht erreichet. Nach dieſen Kuͤnſtlern kam
Bryaxis, Leochares und Timotheus, in der hundert und zweyten
Olympias. Von den erſten war ein beruͤhmter Apollo zu Daphne bey An-
tiochia, und zu Rhodus fuͤnf Coloſſaliſche Statuen von Goͤttern: der an-
dere machte den ſchoͤnen Ganymedes, welchen der Adler auf das zaͤrtlichſte
gefaſſet hatte, und ſich zu fuͤrchten ſchien, ihm auch durch die Kleider
wehe zu thun 1) Von dem letzten war eine Diana in dem Pallaſte der
Kaiſer zu Rom.

Jn
1) Die Baſe, auf welcher der Ganymedes des Leochares ehemals in Rom ſtand, befindet
ſich noch itzo in der Villa Medicis, mit der Jnſchrift a):
[fremdsprachliches Material – fehlt]
Die Art der Jnſchrift, welche die Benennung des Werks anzeiget, „ein Werk des
„Leochares,
‟ anſtatt ſchlechthin, „Leochares hat es gemacht,‟ ferner die Form
der Buchſtaben zeigen, daß ſie nicht von der Zeit des Kuͤnſtlers ſey, und die Baſe iſt
vermuthlich in Rom gemachet: die Griechiſchen Bildhauer ſetzten im uͤbrigen ihre Na-
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a) Spon. Miſcell. p. 127.
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[341/0029] der Zeit unter den Griechen betrachtet. derum empor, da Conon die Macht der Perſer wider Sparta aufbrachte, an der Spitze einer Perſiſchen Flotte die Spartaniſche ſchlug, nach Athen gieng, und die Mauern wieder anfieng aufzubauen. Die Kunſt erwachte damals von neuem, und die Schuͤler der vorigen großen Meiſter, Canachus, Naucydes, Diomedes und Patrochus zeigeten ſich in der folgenden fuͤnf und neunzigſten Olympias. Wir ſehen aus Angebung dieſer Zeit, in welche der Flor dieſer Meiſter geſetzet wird, daß die Kunſt mit Athen immer einerley Schickſale gehabt, und daß ihr Aufnehmen vorzuͤglich von dem Wohlſtande dieſer Stadt abgehangen. Canachus iſt vornehmlich durch eine Statue des Apollo Phileſius, d. i. des Kuͤſſenden, oder Gekuͤſſeten, bekannt; Naucydes arbeitete fuͤr die Stadt Corinth eine Hebe von Golde und Elfenbein; aber ſie haben den Ruhm ihrer Vorfahren nicht erreichet. Nach dieſen Kuͤnſtlern kam Bryaxis, Leochares und Timotheus, in der hundert und zweyten Olympias. Von den erſten war ein beruͤhmter Apollo zu Daphne bey An- tiochia, und zu Rhodus fuͤnf Coloſſaliſche Statuen von Goͤttern: der an- dere machte den ſchoͤnen Ganymedes, welchen der Adler auf das zaͤrtlichſte gefaſſet hatte, und ſich zu fuͤrchten ſchien, ihm auch durch die Kleider wehe zu thun 1) Von dem letzten war eine Diana in dem Pallaſte der Kaiſer zu Rom. Kuͤnſtler aus dieſer Zeit. Jn 1) Die Baſe, auf welcher der Ganymedes des Leochares ehemals in Rom ſtand, befindet ſich noch itzo in der Villa Medicis, mit der Jnſchrift a): _ Die Art der Jnſchrift, welche die Benennung des Werks anzeiget, „ein Werk des „Leochares,‟ anſtatt ſchlechthin, „Leochares hat es gemacht,‟ ferner die Form der Buchſtaben zeigen, daß ſie nicht von der Zeit des Kuͤnſtlers ſey, und die Baſe iſt vermuthlich in Rom gemachet: die Griechiſchen Bildhauer ſetzten im uͤbrigen ihre Na- men a) Spon. Miſcell. p. 127. U u 3

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Zitationshilfe: Winckelmann, Johann Joachim: Geschichte der Kunst des Alterthums. Bd. 2. Dresden, 1764, S. 341. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/winckelmann_kunstgeschichte02_1764/29>, abgerufen am 28.03.2024.