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Winckelmann, Johann Joachim: Geschichte der Kunst des Alterthums. Bd. 2. Dresden, 1764.

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II Theil. Von der Kunst, nach den äußern Umständen
Natur und das Alterthum, so wie es Marino und andere in der Dicht-
kunst thaten.

D.
Von vermeyn-
ten Werken
der Kunst aus
dieser Zeit.

Von den ersten und besten Künstlern, welche aus Griechenland nach
Alexandrien giengen, sind vermuthlich diejenigen Statuen in Porphyr ge-
arbeitet, welche sich in Rom befinden, die vom Kaiser Claudius, und nur
allein von demselben, wie Plinius berichtet 1), aus Aegypten gebracht
worden. Ein schöner Sturz von einer Pallas steht am Aufgange zum
Campidoglio, eine Pallas mit einem Kopfe von Marmor ist in der Villa
Medicis, und die allerschönste Statue nicht allein in Porphyr, sondern
man kann auch sagen, unter den schönsten aus dem Alterthume, ist eine
vermeynte Muse, von andern wegen ihres Diadema eine Juno genannt,
über Lebensgröße, in der Villa Borghese, deren Gewand ein Wunder-
werk der Kunst ist 2). Unterdessen sind auch zu Rom Statuen in Por-
phyr gearbeitet, wie ein Brustbild mit einem Panzer in dem Pallaste Far-
nese zeiget, welches nur angeleget, und nicht völlig geendiget ist: es wur-
de im Campo Marzo zu Rom gefunden, wie Pirro Ligorio in seinen
Handschriften in der Vaticanischen Bibliothek berichtet. Es werden auch
verschiedene Statuen gefangener Könige in diesem Steine, in der Villa
Borghese, Medicis und anderwerts, in Rom selbst gearbeitet seyn.
Hermocles von Rhodus ist einer von den Bildhauern, welche sich in
dieser Zeit berühmt gemacht haben. Unter dem Ptolemäus Philadelphus
war ein Steinschneider Satyrius berühmt, welcher dessen Gemahlinn
Arsinoe in Crystall geschnitten hatte 3).

E.
Fall der Kunst
in Aegypten
und in Groß-
griechenland.

Die Griechische Kunst aber wollte in Aegypten, als unter einem ihr
fremden Himmel, nicht Wurzel fassen 4), und sie verlohr unter dem Prach-
te an den Höfen der Seleucider und Ptolemäer viel von ihrer Größe, und

von
1) Plin. L. 36. c. 13.
2) Montsauc. Ant. expl. Tom. 1. pl. 21. n. 2.
3) Anthol. L. 4. p. 205. b.
4) conf. Strab. L. 14. p. 959.

II Theil. Von der Kunſt, nach den aͤußern Umſtaͤnden
Natur und das Alterthum, ſo wie es Marino und andere in der Dicht-
kunſt thaten.

D.
Von vermeyn-
ten Werken
der Kunſt aus
dieſer Zeit.

Von den erſten und beſten Kuͤnſtlern, welche aus Griechenland nach
Alexandrien giengen, ſind vermuthlich diejenigen Statuen in Porphyr ge-
arbeitet, welche ſich in Rom befinden, die vom Kaiſer Claudius, und nur
allein von demſelben, wie Plinius berichtet 1), aus Aegypten gebracht
worden. Ein ſchoͤner Sturz von einer Pallas ſteht am Aufgange zum
Campidoglio, eine Pallas mit einem Kopfe von Marmor iſt in der Villa
Medicis, und die allerſchoͤnſte Statue nicht allein in Porphyr, ſondern
man kann auch ſagen, unter den ſchoͤnſten aus dem Alterthume, iſt eine
vermeynte Muſe, von andern wegen ihres Diadema eine Juno genannt,
uͤber Lebensgroͤße, in der Villa Borgheſe, deren Gewand ein Wunder-
werk der Kunſt iſt 2). Unterdeſſen ſind auch zu Rom Statuen in Por-
phyr gearbeitet, wie ein Bruſtbild mit einem Panzer in dem Pallaſte Far-
neſe zeiget, welches nur angeleget, und nicht voͤllig geendiget iſt: es wur-
de im Campo Marzo zu Rom gefunden, wie Pirro Ligorio in ſeinen
Handſchriften in der Vaticaniſchen Bibliothek berichtet. Es werden auch
verſchiedene Statuen gefangener Koͤnige in dieſem Steine, in der Villa
Borgheſe, Medicis und anderwerts, in Rom ſelbſt gearbeitet ſeyn.
Hermocles von Rhodus iſt einer von den Bildhauern, welche ſich in
dieſer Zeit beruͤhmt gemacht haben. Unter dem Ptolemaͤus Philadelphus
war ein Steinſchneider Satyrius beruͤhmt, welcher deſſen Gemahlinn
Arſinoe in Cryſtall geſchnitten hatte 3).

E.
Fall der Kunſt
in Aegypten
und in Groß-
griechenland.

Die Griechiſche Kunſt aber wollte in Aegypten, als unter einem ihr
fremden Himmel, nicht Wurzel faſſen 4), und ſie verlohr unter dem Prach-
te an den Hoͤfen der Seleucider und Ptolemaͤer viel von ihrer Groͤße, und

von
1) Plin. L. 36. c. 13.
2) Montſauc. Ant. expl. Tom. 1. pl. 21. n. 2.
3) Anthol. L. 4. p. 205. b.
4) conf. Strab. L. 14. p. 959.
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[360/0048] II Theil. Von der Kunſt, nach den aͤußern Umſtaͤnden Natur und das Alterthum, ſo wie es Marino und andere in der Dicht- kunſt thaten. Von den erſten und beſten Kuͤnſtlern, welche aus Griechenland nach Alexandrien giengen, ſind vermuthlich diejenigen Statuen in Porphyr ge- arbeitet, welche ſich in Rom befinden, die vom Kaiſer Claudius, und nur allein von demſelben, wie Plinius berichtet 1), aus Aegypten gebracht worden. Ein ſchoͤner Sturz von einer Pallas ſteht am Aufgange zum Campidoglio, eine Pallas mit einem Kopfe von Marmor iſt in der Villa Medicis, und die allerſchoͤnſte Statue nicht allein in Porphyr, ſondern man kann auch ſagen, unter den ſchoͤnſten aus dem Alterthume, iſt eine vermeynte Muſe, von andern wegen ihres Diadema eine Juno genannt, uͤber Lebensgroͤße, in der Villa Borgheſe, deren Gewand ein Wunder- werk der Kunſt iſt 2). Unterdeſſen ſind auch zu Rom Statuen in Por- phyr gearbeitet, wie ein Bruſtbild mit einem Panzer in dem Pallaſte Far- neſe zeiget, welches nur angeleget, und nicht voͤllig geendiget iſt: es wur- de im Campo Marzo zu Rom gefunden, wie Pirro Ligorio in ſeinen Handſchriften in der Vaticaniſchen Bibliothek berichtet. Es werden auch verſchiedene Statuen gefangener Koͤnige in dieſem Steine, in der Villa Borgheſe, Medicis und anderwerts, in Rom ſelbſt gearbeitet ſeyn. Hermocles von Rhodus iſt einer von den Bildhauern, welche ſich in dieſer Zeit beruͤhmt gemacht haben. Unter dem Ptolemaͤus Philadelphus war ein Steinſchneider Satyrius beruͤhmt, welcher deſſen Gemahlinn Arſinoe in Cryſtall geſchnitten hatte 3). Die Griechiſche Kunſt aber wollte in Aegypten, als unter einem ihr fremden Himmel, nicht Wurzel faſſen 4), und ſie verlohr unter dem Prach- te an den Hoͤfen der Seleucider und Ptolemaͤer viel von ihrer Groͤße, und von 1) Plin. L. 36. c. 13. 2) Montſauc. Ant. expl. Tom. 1. pl. 21. n. 2. 3) Anthol. L. 4. p. 205. b. 4) conf. Strab. L. 14. p. 959.

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Zitationshilfe: Winckelmann, Johann Joachim: Geschichte der Kunst des Alterthums. Bd. 2. Dresden, 1764, S. 360. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/winckelmann_kunstgeschichte02_1764/48>, abgerufen am 20.04.2024.