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Winckelmann, Johann Joachim: Geschichte der Kunst des Alterthums. Bd. 2. Dresden, 1764.

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der Zeit unter den Griechen betrachtet.
tet waren, von denen ab, welche sie gerufen hatten, und zogen die Achäer
an sich, welche mit ihnen Corinth eroberten, und den König Philippus
von Macedonien schlugen. Dieser Sieg wirkete einen berühmten Frieden,
in welchem sich der König der Entscheidung der Römer unterwarf, und sich
bequemen mußte, alle Plätze in Griechenland abzutreten, und aus allen
Orten seine Besatzungen zu räumen, und dieses vor den bevorstehenden
Jsthmischen Spielen. Jn diesen Umständen nahmen die Römer ein em-
pfindliches Herz an gegen die Freyheit eines andern Volks, und der Pro-
consul Quintus Flaminius hatte im drey und dreyßigsten Jahre seines Al-
Alters die Ehre, die Griechen für freye Leute zu erklären, die ihn fast
anbeteten.

Dieses geschah in der hundert und fünf und vierzigsten Olympias,G.
Neuer Flor
der Kunst in
Griechenland
durch diese er-
theilte Frey-
heit, aber von
kurzer Dauer.

hundert und vier und neunzig Jahre vor der Christlichen Zeitrechnung;
und es scheint, daß Plinius diese Olympias, und nicht die hundert und
fünf und funfzigste gesetzt gehabt, wenn er berichtet, daß die Künste in der-
selben wiederum zu blühen angefangen. Denn in der hundert und fünf
und funfzigsten waren die Römer als Feinde in Griechenland; die Künste
aber können ohne eine besondere glückliche Anscheinung niemals empor kom-
men. Bald hernach wurde den Griechen ihre Freyheit durch den Paulus
Aemilius bestätiget. Die Zeit, in welcher die Künste in Griechenland nie-
der gelegen, wird gewesen seyn, wie die Zeit vom Raphael und Michael
Angelo
bis auf die Caracci. Die Kunst fiel damals in der Römischen
Schule selbst in eine große Barbarey, und auch diejenigen Künstler, die
von der Kunst schrieben, als Vasari und Zuccheri, waren wie mit
Blindheit geschlagen. Die Gemälde der beyden größten Meister in
der Kunst waren in ihrem völligen Glanze, und im Angesichte derjeni-
gen gemachet, die, wie ihre Arbeit zeiget, niemals ein aufmerksames
Auge auf dieselben gerichtet, und keine einzige alte Statue betrachtet zu

haben
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der Zeit unter den Griechen betrachtet.
tet waren, von denen ab, welche ſie gerufen hatten, und zogen die Achaͤer
an ſich, welche mit ihnen Corinth eroberten, und den Koͤnig Philippus
von Macedonien ſchlugen. Dieſer Sieg wirkete einen beruͤhmten Frieden,
in welchem ſich der Koͤnig der Entſcheidung der Roͤmer unterwarf, und ſich
bequemen mußte, alle Plaͤtze in Griechenland abzutreten, und aus allen
Orten ſeine Beſatzungen zu raͤumen, und dieſes vor den bevorſtehenden
Jſthmiſchen Spielen. Jn dieſen Umſtaͤnden nahmen die Roͤmer ein em-
pfindliches Herz an gegen die Freyheit eines andern Volks, und der Pro-
conſul Quintus Flaminius hatte im drey und dreyßigſten Jahre ſeines Al-
Alters die Ehre, die Griechen fuͤr freye Leute zu erklaͤren, die ihn faſt
anbeteten.

Dieſes geſchah in der hundert und fuͤnf und vierzigſten Olympias,G.
Neuer Flor
der Kunſt in
Griechenland
durch dieſe er-
theilte Frey-
heit, aber von
kurzer Dauer.

hundert und vier und neunzig Jahre vor der Chriſtlichen Zeitrechnung;
und es ſcheint, daß Plinius dieſe Olympias, und nicht die hundert und
fuͤnf und funfzigſte geſetzt gehabt, wenn er berichtet, daß die Kuͤnſte in der-
ſelben wiederum zu bluͤhen angefangen. Denn in der hundert und fuͤnf
und funfzigſten waren die Roͤmer als Feinde in Griechenland; die Kuͤnſte
aber koͤnnen ohne eine beſondere gluͤckliche Anſcheinung niemals empor kom-
men. Bald hernach wurde den Griechen ihre Freyheit durch den Paulus
Aemilius beſtaͤtiget. Die Zeit, in welcher die Kuͤnſte in Griechenland nie-
der gelegen, wird geweſen ſeyn, wie die Zeit vom Raphael und Michael
Angelo
bis auf die Caracci. Die Kunſt fiel damals in der Roͤmiſchen
Schule ſelbſt in eine große Barbarey, und auch diejenigen Kuͤnſtler, die
von der Kunſt ſchrieben, als Vaſari und Zuccheri, waren wie mit
Blindheit geſchlagen. Die Gemaͤlde der beyden groͤßten Meiſter in
der Kunſt waren in ihrem voͤlligen Glanze, und im Angeſichte derjeni-
gen gemachet, die, wie ihre Arbeit zeiget, niemals ein aufmerkſames
Auge auf dieſelben gerichtet, und keine einzige alte Statue betrachtet zu

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[365/0053] der Zeit unter den Griechen betrachtet. tet waren, von denen ab, welche ſie gerufen hatten, und zogen die Achaͤer an ſich, welche mit ihnen Corinth eroberten, und den Koͤnig Philippus von Macedonien ſchlugen. Dieſer Sieg wirkete einen beruͤhmten Frieden, in welchem ſich der Koͤnig der Entſcheidung der Roͤmer unterwarf, und ſich bequemen mußte, alle Plaͤtze in Griechenland abzutreten, und aus allen Orten ſeine Beſatzungen zu raͤumen, und dieſes vor den bevorſtehenden Jſthmiſchen Spielen. Jn dieſen Umſtaͤnden nahmen die Roͤmer ein em- pfindliches Herz an gegen die Freyheit eines andern Volks, und der Pro- conſul Quintus Flaminius hatte im drey und dreyßigſten Jahre ſeines Al- Alters die Ehre, die Griechen fuͤr freye Leute zu erklaͤren, die ihn faſt anbeteten. Dieſes geſchah in der hundert und fuͤnf und vierzigſten Olympias, hundert und vier und neunzig Jahre vor der Chriſtlichen Zeitrechnung; und es ſcheint, daß Plinius dieſe Olympias, und nicht die hundert und fuͤnf und funfzigſte geſetzt gehabt, wenn er berichtet, daß die Kuͤnſte in der- ſelben wiederum zu bluͤhen angefangen. Denn in der hundert und fuͤnf und funfzigſten waren die Roͤmer als Feinde in Griechenland; die Kuͤnſte aber koͤnnen ohne eine beſondere gluͤckliche Anſcheinung niemals empor kom- men. Bald hernach wurde den Griechen ihre Freyheit durch den Paulus Aemilius beſtaͤtiget. Die Zeit, in welcher die Kuͤnſte in Griechenland nie- der gelegen, wird geweſen ſeyn, wie die Zeit vom Raphael und Michael Angelo bis auf die Caracci. Die Kunſt fiel damals in der Roͤmiſchen Schule ſelbſt in eine große Barbarey, und auch diejenigen Kuͤnſtler, die von der Kunſt ſchrieben, als Vaſari und Zuccheri, waren wie mit Blindheit geſchlagen. Die Gemaͤlde der beyden groͤßten Meiſter in der Kunſt waren in ihrem voͤlligen Glanze, und im Angeſichte derjeni- gen gemachet, die, wie ihre Arbeit zeiget, niemals ein aufmerkſames Auge auf dieſelben gerichtet, und keine einzige alte Statue betrachtet zu haben G. Neuer Flor der Kunſt in Griechenland durch dieſe er- theilte Frey- heit, aber von kurzer Dauer. Z z 3

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Zitationshilfe: Winckelmann, Johann Joachim: Geschichte der Kunst des Alterthums. Bd. 2. Dresden, 1764, S. 365. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/winckelmann_kunstgeschichte02_1764/53>, abgerufen am 28.03.2024.