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Winckelmann, Johann Joachim: Geschichte der Kunst des Alterthums. Bd. 2. Dresden, 1764.

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der Zeit unter den Griechen betrachtet.
Tempel in allen Provinzen. Dieser Misbrauch nahm noch mehr überhand
unter den Kaisern, und Herodes bauete zu Cäsarea dem Augustus einen
Tempel, in welchem dessen Statue in der Größe und Aehnlichkeit des
Olympischen Jupiters stand, nebst der Statue der Göttinn Roma, die
wie die Juno zu Argos gebildet war 1). Appius bauete auf seine Kosten
einen Porticus zu Eleusis 2).

Durch die aus Aegypten geflüchteten Künstler, scheint der sogenann-
te Aegyptische Stil in der Griechischen Kunst, über welchen ich in dem Er-
sten Theile dieser Schrift eine Muthmaßung gewaget habe, eingeführet zu
seyn: die Stadt Alexandria rühmete sich, daß von ihr die Künste ausge-
gangen, und von neuem zu den Griechen und zu andern Völkern gekom-
men seyn 3). Syracus aber muß beständig fort sehr vorzügliche Künstler,
auch nach der Eroberung, gehabt haben, weil Verres, welcher die schönsten
Werke an allen Orten aufsuchte, vornehmlich zu Syracus an Vasen ar-
beiten ließ: er hatte in dem alten Pallaste der Könige eine Werkstatt an-
geleget, wo acht ganze Monathe alle Künstler, theils Vasen zu zeichnen,
theils sie zu gießen und zu schnitzen, beschäftiget waren; und es wurde nicht
anders, als in Golde, gearbeitet.

Die Ruhe, welche die Künste einige Jahre in Griechenland genossenR.
Nachtheil der-
selben durch
die Mithrida-
tischen Krie-
ge, und Ver-
störung von
Griechenland,
und in Groß-
griechenland
und Sicilien.

hatten, wurde von neuem in dem Mithridatischen Kriege gestöret, in wel-
chem die Athenienser die Parthey des Königs in Pontus wider die Römer
ergriffen. Diese Stadt hatte von den großen Jnseln im Aegeischen Meere,
welche sie ehemals beherrschete, nur allein die einzige kleine Jnsel Delos
übrig behalten; aber auch diese hatten die Athenienser kurz zuvor verlohren,
und Archelaus, des Mithridates Feldherr, machte ihnen dieselbe von
neuem unterwürfig 4). Athen war durch Partheyen zerrüttet, und damals

hatte
1) Ioseph. de Bell. Iud. L. 1. c. 21. §. 7. p. 107.
2) Cic. ad Attie. L. 6. ep. 1.
3) Athen. Deipn. l. c.
4) Appian. Mithrad. p. 153. lin. ult.
B b b 2

der Zeit unter den Griechen betrachtet.
Tempel in allen Provinzen. Dieſer Misbrauch nahm noch mehr uͤberhand
unter den Kaiſern, und Herodes bauete zu Caͤſarea dem Auguſtus einen
Tempel, in welchem deſſen Statue in der Groͤße und Aehnlichkeit des
Olympiſchen Jupiters ſtand, nebſt der Statue der Goͤttinn Roma, die
wie die Juno zu Argos gebildet war 1). Appius bauete auf ſeine Koſten
einen Porticus zu Eleuſis 2).

Durch die aus Aegypten gefluͤchteten Kuͤnſtler, ſcheint der ſogenann-
te Aegyptiſche Stil in der Griechiſchen Kunſt, uͤber welchen ich in dem Er-
ſten Theile dieſer Schrift eine Muthmaßung gewaget habe, eingefuͤhret zu
ſeyn: die Stadt Alexandria ruͤhmete ſich, daß von ihr die Kuͤnſte ausge-
gangen, und von neuem zu den Griechen und zu andern Voͤlkern gekom-
men ſeyn 3). Syracus aber muß beſtaͤndig fort ſehr vorzuͤgliche Kuͤnſtler,
auch nach der Eroberung, gehabt haben, weil Verres, welcher die ſchoͤnſten
Werke an allen Orten aufſuchte, vornehmlich zu Syracus an Vaſen ar-
beiten ließ: er hatte in dem alten Pallaſte der Koͤnige eine Werkſtatt an-
geleget, wo acht ganze Monathe alle Kuͤnſtler, theils Vaſen zu zeichnen,
theils ſie zu gießen und zu ſchnitzen, beſchaͤftiget waren; und es wurde nicht
anders, als in Golde, gearbeitet.

Die Ruhe, welche die Kuͤnſte einige Jahre in Griechenland genoſſenR.
Nachtheil der-
ſelben durch
die Mithrida-
tiſchen Krie-
ge, und Ver-
ſtoͤrung von
Griechenland,
und in Groß-
griechenland
und Sicilien.

hatten, wurde von neuem in dem Mithridatiſchen Kriege geſtoͤret, in wel-
chem die Athenienſer die Parthey des Koͤnigs in Pontus wider die Roͤmer
ergriffen. Dieſe Stadt hatte von den großen Jnſeln im Aegeiſchen Meere,
welche ſie ehemals beherrſchete, nur allein die einzige kleine Jnſel Delos
uͤbrig behalten; aber auch dieſe hatten die Athenienſer kurz zuvor verlohren,
und Archelaus, des Mithridates Feldherr, machte ihnen dieſelbe von
neuem unterwuͤrfig 4). Athen war durch Partheyen zerruͤttet, und damals

hatte
1) Ioſeph. de Bell. Iud. L. 1. c. 21. §. 7. p. 107.
2) Cic. ad Attie. L. 6. ep. 1.
3) Athen. Deipn. l. c.
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[379/0067] der Zeit unter den Griechen betrachtet. Tempel in allen Provinzen. Dieſer Misbrauch nahm noch mehr uͤberhand unter den Kaiſern, und Herodes bauete zu Caͤſarea dem Auguſtus einen Tempel, in welchem deſſen Statue in der Groͤße und Aehnlichkeit des Olympiſchen Jupiters ſtand, nebſt der Statue der Goͤttinn Roma, die wie die Juno zu Argos gebildet war 1). Appius bauete auf ſeine Koſten einen Porticus zu Eleuſis 2). Durch die aus Aegypten gefluͤchteten Kuͤnſtler, ſcheint der ſogenann- te Aegyptiſche Stil in der Griechiſchen Kunſt, uͤber welchen ich in dem Er- ſten Theile dieſer Schrift eine Muthmaßung gewaget habe, eingefuͤhret zu ſeyn: die Stadt Alexandria ruͤhmete ſich, daß von ihr die Kuͤnſte ausge- gangen, und von neuem zu den Griechen und zu andern Voͤlkern gekom- men ſeyn 3). Syracus aber muß beſtaͤndig fort ſehr vorzuͤgliche Kuͤnſtler, auch nach der Eroberung, gehabt haben, weil Verres, welcher die ſchoͤnſten Werke an allen Orten aufſuchte, vornehmlich zu Syracus an Vaſen ar- beiten ließ: er hatte in dem alten Pallaſte der Koͤnige eine Werkſtatt an- geleget, wo acht ganze Monathe alle Kuͤnſtler, theils Vaſen zu zeichnen, theils ſie zu gießen und zu ſchnitzen, beſchaͤftiget waren; und es wurde nicht anders, als in Golde, gearbeitet. Die Ruhe, welche die Kuͤnſte einige Jahre in Griechenland genoſſen hatten, wurde von neuem in dem Mithridatiſchen Kriege geſtoͤret, in wel- chem die Athenienſer die Parthey des Koͤnigs in Pontus wider die Roͤmer ergriffen. Dieſe Stadt hatte von den großen Jnſeln im Aegeiſchen Meere, welche ſie ehemals beherrſchete, nur allein die einzige kleine Jnſel Delos uͤbrig behalten; aber auch dieſe hatten die Athenienſer kurz zuvor verlohren, und Archelaus, des Mithridates Feldherr, machte ihnen dieſelbe von neuem unterwuͤrfig 4). Athen war durch Partheyen zerruͤttet, und damals hatte R. Nachtheil der- ſelben durch die Mithrida- tiſchen Krie- ge, und Ver- ſtoͤrung von Griechenland, und in Groß- griechenland und Sicilien. 1) Ioſeph. de Bell. Iud. L. 1. c. 21. §. 7. p. 107. 2) Cic. ad Attie. L. 6. ep. 1. 3) Athen. Deipn. l. c. 4) Appian. Mithrad. p. 153. lin. ult. B b b 2

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Zitationshilfe: Winckelmann, Johann Joachim: Geschichte der Kunst des Alterthums. Bd. 2. Dresden, 1764, S. 379. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/winckelmann_kunstgeschichte02_1764/67>, abgerufen am 29.03.2024.