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Wirth, Johann Georg August: Das Nationalfest der Deutschen zu Hambach. Heft 1. Neustadt, 1832.

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allgemeine Benehmen verständiget sein, indem alle südteutschen Staaten
allgemein und vorzüglich aber einzeln ganz besonders bei solchen Vorfällen
in die höchste Verlegenheit versetzt und durch ungeregeltes getheiltes Ver-
fahren Einzelne zweklos ihre Kräfte opfern würden.

Möge die Weisheit der Stimmführer des teutschen Volkes, die
vertraut sind mit der gegenseitigen Stellung der Völker, hierin Rath
geben.

3. Wie hat sich das teutsche Bundesvolk zu benehmen, wenn einzelne
Bundesstaaten z. B. Baden, in seinen constitutionell errungenen Rechten
durch Truppengewalt beeinträchtiget werden?

4. Aus der Tagesgeschichte geht unwiderleglich hervor, daß Rußlands
Autokrat sich selbst unberufen zum europäischen Diktator aufgeworfen
hat, daß er absolut sich sowohl in die inneren als äußeren Angelegenheiten
aller europäischen Staaten und vorzüglich der Teutschen mischt, daß er
unsere errungenen Verbesserungen und gesetzlichen Institutionen anfeindet
und nur im Hinterhalt den Zeitpunkt ablauert, um mit seinen Barbaren-
Horden Preußens und Oestreichs freiheitsmörderische Bestrebungen durch
Waffengewalt zu unterstützen und jeden Funken von Licht, Wahrheit und
Recht aus dem bedrängten Continent von Europa zu verbannen, und
daß die übrigen europäischen Regierungen stillschweigend diese usurpirte
Diktatur anerkennen, während der russische Autokrat willkührlich und
Einreden der übrigen europäischen Mächte verachtend, in der polnischen
Angelegenheit Eid- und Verträgebrüchig handelt, da doch Polens Sache
keine blos russische, sondern eine hochwichtige allgemeine europäische Ange-
legenheit ist, bleiben muß und bleiben wird.

Nun fragt sichs, was wird das teutsche Volk thun, wenn die russischen
Kriegsschaaren Teutschlands Grenzen überschreiten? Werden dann diese
Völker unthätig warten bis die russischen Schlächter ihnen auf eigenem
Heerd das Beil auf den Schädel schlagen?

Wird es nicht rathsamer sein, wenn Frankreich durch seine unter die
russische Knute herab gewürdigte Juste milieu Regierung sich dann noch
unthätig verhalten und nicht all seine Kräfte entwickeln, wenn unsere
Fürsten sich selbst und ihr Volk diesen gräßlichen entehrenden Schicksalen
preisgeben wollten, daß das vereinte französische und teutsche Volk in
Masse sich erheben, und man das schändliche Ansinnen dieser anrük-
kenden Feinde an den nördlichen und östlichen Grenzen Teutschlandes zu
vereiteln suchen würde?

allgemeine Benehmen verſtaͤndiget ſein, indem alle ſuͤdteutſchen Staaten
allgemein und vorzuͤglich aber einzeln ganz beſonders bei ſolchen Vorfaͤllen
in die hoͤchſte Verlegenheit verſetzt und durch ungeregeltes getheiltes Ver-
fahren Einzelne zweklos ihre Kraͤfte opfern wuͤrden.

Moͤge die Weisheit der Stimmfuͤhrer des teutſchen Volkes, die
vertraut ſind mit der gegenſeitigen Stellung der Voͤlker, hierin Rath
geben.

3. Wie hat ſich das teutſche Bundesvolk zu benehmen, wenn einzelne
Bundesſtaaten z. B. Baden, in ſeinen conſtitutionell errungenen Rechten
durch Truppengewalt beeintraͤchtiget werden?

4. Aus der Tagesgeſchichte geht unwiderleglich hervor, daß Rußlands
Autokrat ſich ſelbſt unberufen zum europaͤiſchen Diktator aufgeworfen
hat, daß er abſolut ſich ſowohl in die inneren als aͤußeren Angelegenheiten
aller europaͤiſchen Staaten und vorzuͤglich der Teutſchen miſcht, daß er
unſere errungenen Verbeſſerungen und geſetzlichen Inſtitutionen anfeindet
und nur im Hinterhalt den Zeitpunkt ablauert, um mit ſeinen Barbaren-
Horden Preußens und Oeſtreichs freiheitsmoͤrderiſche Beſtrebungen durch
Waffengewalt zu unterſtuͤtzen und jeden Funken von Licht, Wahrheit und
Recht aus dem bedraͤngten Continent von Europa zu verbannen, und
daß die uͤbrigen europaͤiſchen Regierungen ſtillſchweigend dieſe uſurpirte
Diktatur anerkennen, waͤhrend der ruſſiſche Autokrat willkuͤhrlich und
Einreden der uͤbrigen europaͤiſchen Maͤchte verachtend, in der polniſchen
Angelegenheit Eid- und Vertraͤgebruͤchig handelt, da doch Polens Sache
keine blos ruſſiſche, ſondern eine hochwichtige allgemeine europaͤiſche Ange-
legenheit iſt, bleiben muß und bleiben wird.

Nun fragt ſichs, was wird das teutſche Volk thun, wenn die ruſſiſchen
Kriegsſchaaren Teutſchlands Grenzen uͤberſchreiten? Werden dann dieſe
Voͤlker unthaͤtig warten bis die ruſſiſchen Schlaͤchter ihnen auf eigenem
Heerd das Beil auf den Schaͤdel ſchlagen?

Wird es nicht rathſamer ſein, wenn Frankreich durch ſeine unter die
ruſſiſche Knute herab gewuͤrdigte Juste milieu Regierung ſich dann noch
unthaͤtig verhalten und nicht all ſeine Kraͤfte entwickeln, wenn unſere
Fuͤrſten ſich ſelbſt und ihr Volk dieſen graͤßlichen entehrenden Schickſalen
preisgeben wollten, daß das vereinte franzoͤſiſche und teutſche Volk in
Maſſe ſich erheben, und man das ſchaͤndliche Anſinnen dieſer anruͤk-
kenden Feinde an den noͤrdlichen und oͤſtlichen Grenzen Teutſchlandes zu
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[23/0031] allgemeine Benehmen verſtaͤndiget ſein, indem alle ſuͤdteutſchen Staaten allgemein und vorzuͤglich aber einzeln ganz beſonders bei ſolchen Vorfaͤllen in die hoͤchſte Verlegenheit verſetzt und durch ungeregeltes getheiltes Ver- fahren Einzelne zweklos ihre Kraͤfte opfern wuͤrden. Moͤge die Weisheit der Stimmfuͤhrer des teutſchen Volkes, die vertraut ſind mit der gegenſeitigen Stellung der Voͤlker, hierin Rath geben. 3. Wie hat ſich das teutſche Bundesvolk zu benehmen, wenn einzelne Bundesſtaaten z. B. Baden, in ſeinen conſtitutionell errungenen Rechten durch Truppengewalt beeintraͤchtiget werden? 4. Aus der Tagesgeſchichte geht unwiderleglich hervor, daß Rußlands Autokrat ſich ſelbſt unberufen zum europaͤiſchen Diktator aufgeworfen hat, daß er abſolut ſich ſowohl in die inneren als aͤußeren Angelegenheiten aller europaͤiſchen Staaten und vorzuͤglich der Teutſchen miſcht, daß er unſere errungenen Verbeſſerungen und geſetzlichen Inſtitutionen anfeindet und nur im Hinterhalt den Zeitpunkt ablauert, um mit ſeinen Barbaren- Horden Preußens und Oeſtreichs freiheitsmoͤrderiſche Beſtrebungen durch Waffengewalt zu unterſtuͤtzen und jeden Funken von Licht, Wahrheit und Recht aus dem bedraͤngten Continent von Europa zu verbannen, und daß die uͤbrigen europaͤiſchen Regierungen ſtillſchweigend dieſe uſurpirte Diktatur anerkennen, waͤhrend der ruſſiſche Autokrat willkuͤhrlich und Einreden der uͤbrigen europaͤiſchen Maͤchte verachtend, in der polniſchen Angelegenheit Eid- und Vertraͤgebruͤchig handelt, da doch Polens Sache keine blos ruſſiſche, ſondern eine hochwichtige allgemeine europaͤiſche Ange- legenheit iſt, bleiben muß und bleiben wird. Nun fragt ſichs, was wird das teutſche Volk thun, wenn die ruſſiſchen Kriegsſchaaren Teutſchlands Grenzen uͤberſchreiten? Werden dann dieſe Voͤlker unthaͤtig warten bis die ruſſiſchen Schlaͤchter ihnen auf eigenem Heerd das Beil auf den Schaͤdel ſchlagen? Wird es nicht rathſamer ſein, wenn Frankreich durch ſeine unter die ruſſiſche Knute herab gewuͤrdigte Juste milieu Regierung ſich dann noch unthaͤtig verhalten und nicht all ſeine Kraͤfte entwickeln, wenn unſere Fuͤrſten ſich ſelbſt und ihr Volk dieſen graͤßlichen entehrenden Schickſalen preisgeben wollten, daß das vereinte franzoͤſiſche und teutſche Volk in Maſſe ſich erheben, und man das ſchaͤndliche Anſinnen dieſer anruͤk- kenden Feinde an den noͤrdlichen und oͤſtlichen Grenzen Teutſchlandes zu vereiteln ſuchen wuͤrde?

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Zitationshilfe: Wirth, Johann Georg August: Das Nationalfest der Deutschen zu Hambach. Heft 1. Neustadt, 1832, S. 23. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wirth_nationalfest01_1832/31>, abgerufen am 24.04.2024.