Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wöllner, Johann Christoph von: Die Aufhebung der Gemeinheiten in der Marck Brandenburg. Berlin, 1766.

Bild:
<< vorherige Seite

schwer es sei, Hirten und Vieh in Ordnung
zu halten, und von denen jungen Schlägen und
Schonungen zu entfernen. Der Hirte glaubt
seine Würde nicht mit Anstand zu bekleiden,
wofern er nicht im Sommer heimlich seine
Heerde in das frische Graß der Schonung
treibt; und das im Herbst, der Gewohnheit
nach ohne Hirten herumlaufende Vieh, suchet
gemeiniglich die Hölzschläge auf und nähret sich
von denen jungen Schößlingen, deren weiches
Laub ihm besser schmeckt als das bereits alt ge-
wordene und halb verfaulte Graß. Jm Win-
ter und im Anfang des Frühlings, schleichet
alsdenn noch der treulose Schäfer hinein, lässet
die Knospen des jungen Holzes benagen und
schwöret hernach für die Unschuld seiner Häm-
mel. Auf diese Weise aber leidet der Holzan-
bau zu jeder Jahreszeit. Dürfen wir uns also
über den elenden Anblick unserer Schonungen,
Schläge, Eichelkämpe, Anflug, Ansäungen
und Anpflanzungen verwundern? Dürfen wir
uns wundern, wenn wir solche öde, leere Plätze
in unsere Waldungen antreffen, solche Holz-
blössen die oft unabsehlich sind? Forstverstän-
dige wissen, wie groß der Schaden ist, den eine
Anzahl Vieh schon in wenigen Stunden an-
richten kann, und wie das einmahl verbissene
Holz auf immer seines geraden Wuchses und
gesunden Stammes beraubt bleibet. Jch über-

gehe
B 2

ſchwer es ſei, Hirten und Vieh in Ordnung
zu halten, und von denen jungen Schlaͤgen und
Schonungen zu entfernen. Der Hirte glaubt
ſeine Wuͤrde nicht mit Anſtand zu bekleiden,
wofern er nicht im Sommer heimlich ſeine
Heerde in das friſche Graß der Schonung
treibt; und das im Herbſt, der Gewohnheit
nach ohne Hirten herumlaufende Vieh, ſuchet
gemeiniglich die Hoͤlzſchlaͤge auf und naͤhret ſich
von denen jungen Schoͤßlingen, deren weiches
Laub ihm beſſer ſchmeckt als das bereits alt ge-
wordene und halb verfaulte Graß. Jm Win-
ter und im Anfang des Fruͤhlings, ſchleichet
alsdenn noch der treuloſe Schaͤfer hinein, laͤſſet
die Knoſpen des jungen Holzes benagen und
ſchwoͤret hernach fuͤr die Unſchuld ſeiner Haͤm-
mel. Auf dieſe Weiſe aber leidet der Holzan-
bau zu jeder Jahreszeit. Duͤrfen wir uns alſo
uͤber den elenden Anblick unſerer Schonungen,
Schlaͤge, Eichelkaͤmpe, Anflug, Anſaͤungen
und Anpflanzungen verwundern? Duͤrfen wir
uns wundern, wenn wir ſolche oͤde, leere Plaͤtze
in unſere Waldungen antreffen, ſolche Holz-
bloͤſſen die oft unabſehlich ſind? Forſtverſtaͤn-
dige wiſſen, wie groß der Schaden iſt, den eine
Anzahl Vieh ſchon in wenigen Stunden an-
richten kann, und wie das einmahl verbiſſene
Holz auf immer ſeines geraden Wuchſes und
geſunden Stammes beraubt bleibet. Jch uͤber-

gehe
B 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0037" n="19"/>
&#x017F;chwer es &#x017F;ei, Hirten und Vieh in Ordnung<lb/>
zu halten, und von denen jungen Schla&#x0364;gen und<lb/>
Schonungen zu entfernen. Der Hirte glaubt<lb/>
&#x017F;eine Wu&#x0364;rde nicht mit An&#x017F;tand zu bekleiden,<lb/>
wofern er nicht im Sommer heimlich &#x017F;eine<lb/>
Heerde in das fri&#x017F;che Graß der Schonung<lb/>
treibt; und das im Herb&#x017F;t, der Gewohnheit<lb/>
nach ohne Hirten herumlaufende Vieh, &#x017F;uchet<lb/>
gemeiniglich die Ho&#x0364;lz&#x017F;chla&#x0364;ge auf und na&#x0364;hret &#x017F;ich<lb/>
von denen jungen Scho&#x0364;ßlingen, deren weiches<lb/>
Laub ihm be&#x017F;&#x017F;er &#x017F;chmeckt als das bereits alt ge-<lb/>
wordene und halb verfaulte Graß. Jm Win-<lb/>
ter und im Anfang des Fru&#x0364;hlings, &#x017F;chleichet<lb/>
alsdenn noch der treulo&#x017F;e Scha&#x0364;fer hinein, la&#x0364;&#x017F;&#x017F;et<lb/>
die Kno&#x017F;pen des jungen Holzes benagen und<lb/>
&#x017F;chwo&#x0364;ret hernach fu&#x0364;r die Un&#x017F;chuld &#x017F;einer Ha&#x0364;m-<lb/>
mel. Auf die&#x017F;e Wei&#x017F;e aber leidet der Holzan-<lb/>
bau zu jeder Jahreszeit. Du&#x0364;rfen wir uns al&#x017F;o<lb/>
u&#x0364;ber den elenden Anblick un&#x017F;erer Schonungen,<lb/>
Schla&#x0364;ge, Eichelka&#x0364;mpe, Anflug, An&#x017F;a&#x0364;ungen<lb/>
und Anpflanzungen verwundern? Du&#x0364;rfen wir<lb/>
uns wundern, wenn wir &#x017F;olche o&#x0364;de, leere Pla&#x0364;tze<lb/>
in un&#x017F;ere Waldungen antreffen, &#x017F;olche Holz-<lb/>
blo&#x0364;&#x017F;&#x017F;en die oft unab&#x017F;ehlich &#x017F;ind? For&#x017F;tver&#x017F;ta&#x0364;n-<lb/>
dige wi&#x017F;&#x017F;en, wie groß der Schaden i&#x017F;t, den eine<lb/>
Anzahl Vieh &#x017F;chon in wenigen Stunden an-<lb/>
richten kann, und wie das einmahl verbi&#x017F;&#x017F;ene<lb/>
Holz auf immer &#x017F;eines geraden Wuch&#x017F;es und<lb/>
ge&#x017F;unden Stammes beraubt bleibet. Jch u&#x0364;ber-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">B 2</fw><fw place="bottom" type="catch">gehe</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[19/0037] ſchwer es ſei, Hirten und Vieh in Ordnung zu halten, und von denen jungen Schlaͤgen und Schonungen zu entfernen. Der Hirte glaubt ſeine Wuͤrde nicht mit Anſtand zu bekleiden, wofern er nicht im Sommer heimlich ſeine Heerde in das friſche Graß der Schonung treibt; und das im Herbſt, der Gewohnheit nach ohne Hirten herumlaufende Vieh, ſuchet gemeiniglich die Hoͤlzſchlaͤge auf und naͤhret ſich von denen jungen Schoͤßlingen, deren weiches Laub ihm beſſer ſchmeckt als das bereits alt ge- wordene und halb verfaulte Graß. Jm Win- ter und im Anfang des Fruͤhlings, ſchleichet alsdenn noch der treuloſe Schaͤfer hinein, laͤſſet die Knoſpen des jungen Holzes benagen und ſchwoͤret hernach fuͤr die Unſchuld ſeiner Haͤm- mel. Auf dieſe Weiſe aber leidet der Holzan- bau zu jeder Jahreszeit. Duͤrfen wir uns alſo uͤber den elenden Anblick unſerer Schonungen, Schlaͤge, Eichelkaͤmpe, Anflug, Anſaͤungen und Anpflanzungen verwundern? Duͤrfen wir uns wundern, wenn wir ſolche oͤde, leere Plaͤtze in unſere Waldungen antreffen, ſolche Holz- bloͤſſen die oft unabſehlich ſind? Forſtverſtaͤn- dige wiſſen, wie groß der Schaden iſt, den eine Anzahl Vieh ſchon in wenigen Stunden an- richten kann, und wie das einmahl verbiſſene Holz auf immer ſeines geraden Wuchſes und geſunden Stammes beraubt bleibet. Jch uͤber- gehe B 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/woellner_aufhebung_1766
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/woellner_aufhebung_1766/37
Zitationshilfe: Wöllner, Johann Christoph von: Die Aufhebung der Gemeinheiten in der Marck Brandenburg. Berlin, 1766, S. 19. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/woellner_aufhebung_1766/37>, abgerufen am 29.03.2024.