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Wolff, Christian von: Grundsätze des Natur- und Völckerrechts. Halle (Saale), 1754.

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seiner Gedancken.
aber, daß sie eine Rede sey, wodurch wir den
andern betrügen wollen.

§. 357.

Weil von der natürlichen VerbindlichkeitOb die
Furcht
vor Ge-
fahr die
Unwahr-
heit er-
laubt
machen
kann.

niemand befreyet werden kann (§. 42.); so
ist uns auch nicht erlaubt, wenn wir
die Wahrheit zu sagen verbunden sind
(§ 352.), aus Furcht vor einer uns,
oder andern obschwebenden Gefahr
moralisch falsch, oder zweydeutig, oder
rätzelhaft zu antworten; es ist aber
erlaubt, wenn wir einem andern die
Wahrheit zu sagen nicht verbunden
sind
(§. 269.).

§. 358.

Ein Geheimniß (arcanum) nennt manVon den
Geheim-
nissen, die
den an-
dern ver-
traut
werden,
und vom
Verra-
then der-
selben.

dasjenige, welches wir wollen, daß es andere
nicht wissen sollen, oder es auch zu wollen ver-
bunden sind. Derjenige vertraut einem
andern sein Geheimniß
(arcana sua alteri
committit),
welcher es ihm saget, in Hoff-
nung oder im Vertrauen der Verschwiegen-
heit, das ist, entweder unter dieser stillschwei-
genden, oder ausdrücklichen Bedingung, daß
er es keinem andern sagen solle. Derjenige
aber verräth das Geheimniß eines an-
dern
(arcana alterius prodit), der, was
ihm vertrauet worden, andern saget. Wenn
uns keine Noth dazu dringt, daß wir
unsere Geheimnisse einem andern ver-
trauen,
als z. E. wenn wir den Rath oder
die Hülfe eines andern nöthig haben, dasje-

nige

ſeiner Gedancken.
aber, daß ſie eine Rede ſey, wodurch wir den
andern betruͤgen wollen.

§. 357.

Weil von der natuͤrlichen VerbindlichkeitOb die
Furcht
vor Ge-
fahr die
Unwahr-
heit er-
laubt
machen
kann.

niemand befreyet werden kann (§. 42.); ſo
iſt uns auch nicht erlaubt, wenn wir
die Wahrheit zu ſagen verbunden ſind
(§ 352.), aus Furcht vor einer uns,
oder andern obſchwebenden Gefahr
moraliſch falſch, oder zweydeutig, oder
raͤtzelhaft zu antworten; es iſt aber
erlaubt, wenn wir einem andern die
Wahrheit zu ſagen nicht verbunden
ſind
(§. 269.).

§. 358.

Ein Geheimniß (arcanum) nennt manVon den
Geheim-
niſſen, die
den an-
dern ver-
traut
werden,
und vom
Verra-
then der-
ſelben.

dasjenige, welches wir wollen, daß es andere
nicht wiſſen ſollen, oder es auch zu wollen ver-
bunden ſind. Derjenige vertraut einem
andern ſein Geheimniß
(arcana ſua alteri
committit),
welcher es ihm ſaget, in Hoff-
nung oder im Vertrauen der Verſchwiegen-
heit, das iſt, entweder unter dieſer ſtillſchwei-
genden, oder ausdruͤcklichen Bedingung, daß
er es keinem andern ſagen ſolle. Derjenige
aber verraͤth das Geheimniß eines an-
dern
(arcana alterius prodit), der, was
ihm vertrauet worden, andern ſaget. Wenn
uns keine Noth dazu dringt, daß wir
unſere Geheimniſſe einem andern ver-
trauen,
als z. E. wenn wir den Rath oder
die Huͤlfe eines andern noͤthig haben, dasje-

nige
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[219/0255] ſeiner Gedancken. aber, daß ſie eine Rede ſey, wodurch wir den andern betruͤgen wollen. §. 357. Weil von der natuͤrlichen Verbindlichkeit niemand befreyet werden kann (§. 42.); ſo iſt uns auch nicht erlaubt, wenn wir die Wahrheit zu ſagen verbunden ſind (§ 352.), aus Furcht vor einer uns, oder andern obſchwebenden Gefahr moraliſch falſch, oder zweydeutig, oder raͤtzelhaft zu antworten; es iſt aber erlaubt, wenn wir einem andern die Wahrheit zu ſagen nicht verbunden ſind (§. 269.). Ob die Furcht vor Ge- fahr die Unwahr- heit er- laubt machen kann. §. 358. Ein Geheimniß (arcanum) nennt man dasjenige, welches wir wollen, daß es andere nicht wiſſen ſollen, oder es auch zu wollen ver- bunden ſind. Derjenige vertraut einem andern ſein Geheimniß (arcana ſua alteri committit), welcher es ihm ſaget, in Hoff- nung oder im Vertrauen der Verſchwiegen- heit, das iſt, entweder unter dieſer ſtillſchwei- genden, oder ausdruͤcklichen Bedingung, daß er es keinem andern ſagen ſolle. Derjenige aber verraͤth das Geheimniß eines an- dern (arcana alterius prodit), der, was ihm vertrauet worden, andern ſaget. Wenn uns keine Noth dazu dringt, daß wir unſere Geheimniſſe einem andern ver- trauen, als z. E. wenn wir den Rath oder die Huͤlfe eines andern noͤthig haben, dasje- nige Von den Geheim- niſſen, die den an- dern ver- traut werden, und vom Verra- then der- ſelben.

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Zitationshilfe: Wolff, Christian von: Grundsätze des Natur- und Völckerrechts. Halle (Saale), 1754, S. 219. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_voelckerrecht_1754/255>, abgerufen am 28.03.2024.