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Wundt, Wilhelm: Handbuch der medicinischen Physik. Erlangen, 1867.

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Von der Wärme.

Man bedient sich zur Bestimmung des specifischen Gewichtes der Dämpfe eines
ähnlichen Verfahrens, wie wir es in §. 93 für die Gase beschrieben haben. Ein
Ballon wird entweder durch das Kochen der Flüssigkeit, deren Dampf man wägen
will, oder, nach Regnault's Verfahren, mittelst der Luftpumpe luftleer gemacht,
dann unter einem bestimmten Druck und bei einer bestimmten Temperatur mit dem
Dampf gefüllt und verschlossen. Aus dem vorher ermittelten Volum des Ballons be-
stimmt man, unter Berücksichtigung der Ausdehnung, die derselbe durch die Wärme
erfährt, das Gewicht Luft, welcher er bei 0° und 760 mm. Druck zu fassen vermag,
um hieraus nach der oben gegebenen Formel die Dichtigkeit zu erhalten.


257
Ausdehnungs-
gesetz der Kör-
per in den drei
Aggregatzu-
ständen und
beim Wechsel
derselben.

Wir haben gesehen, dass die der Temperatur proportionale Aus-
dehnung der Dämpfe für Wärmegrade, die nahe dem Condensations-
punkte liegen, nicht mehr gültig ist, und dass beim Condensations-
punkte selbst eine plötzliche starke Volumverminderung eintritt. Einen
ähnlichen plötzlichen Wendepunkt zeigt das Ausdehnungsgesetz der
Flüssigkeiten, wenn man die Wärme bis zu demjenigen Temperatur-
grad vermindert, bei welchem die Flüssigkeit in den festen Zustand
übergeht. In der Regel tritt auch hier eine rasche Volumverminderung
ein. Fassen wir daher die plötzlichen Volumänderungen beim Wech-
sel des Aggregatzustandes mit den im 1. Cap. erörterten stetigen Aen-
derungen des Volumens zusammen, so lassen sich diese sämmtlichen
Vorgänge durch die Fig. 190 graphisch versinnlichen. Führen wir

[Abbildung] Fig. 190.
einem festen Körper mehr und mehr Wärme zu, so beobachten wir
an dem durch diese Fig. dargestellten Ausdehnungsgesetz zwei plötz-
liche Knickungspunkte, den Aenderungen des Aggregatzustandes ent-
sprechend. Die Abscissenlinie a d giebt die Temperaturen an, auf
der die Volumzunahmen als Ordinaten errichtet sind. Bei b wird der
feste Körper flüssig, bei c geht er in Dampf über. Von a bis b beob-
achten wir das regelmässige Ausdehnungsgesetz des festen Körpers,
von b bis c das Ausdehnungsgesetz der Flüssigkeit, und von c an
endlich das Ausdehnungsgesetz der Gase.

Wir haben in Fig. 190 vorausgesetzt, das Ausdehnungsgesetz sei in diesen

Von der Wärme.

Man bedient sich zur Bestimmung des specifischen Gewichtes der Dämpfe eines
ähnlichen Verfahrens, wie wir es in §. 93 für die Gase beschrieben haben. Ein
Ballon wird entweder durch das Kochen der Flüssigkeit, deren Dampf man wägen
will, oder, nach Regnault’s Verfahren, mittelst der Luftpumpe luftleer gemacht,
dann unter einem bestimmten Druck und bei einer bestimmten Temperatur mit dem
Dampf gefüllt und verschlossen. Aus dem vorher ermittelten Volum des Ballons be-
stimmt man, unter Berücksichtigung der Ausdehnung, die derselbe durch die Wärme
erfährt, das Gewicht Luft, welcher er bei 0° und 760 mm. Druck zu fassen vermag,
um hieraus nach der oben gegebenen Formel die Dichtigkeit zu erhalten.


257
Ausdehnungs-
gesetz der Kör-
per in den drei
Aggregatzu-
ständen und
beim Wechsel
derselben.

Wir haben gesehen, dass die der Temperatur proportionale Aus-
dehnung der Dämpfe für Wärmegrade, die nahe dem Condensations-
punkte liegen, nicht mehr gültig ist, und dass beim Condensations-
punkte selbst eine plötzliche starke Volumverminderung eintritt. Einen
ähnlichen plötzlichen Wendepunkt zeigt das Ausdehnungsgesetz der
Flüssigkeiten, wenn man die Wärme bis zu demjenigen Temperatur-
grad vermindert, bei welchem die Flüssigkeit in den festen Zustand
übergeht. In der Regel tritt auch hier eine rasche Volumverminderung
ein. Fassen wir daher die plötzlichen Volumänderungen beim Wech-
sel des Aggregatzustandes mit den im 1. Cap. erörterten stetigen Aen-
derungen des Volumens zusammen, so lassen sich diese sämmtlichen
Vorgänge durch die Fig. 190 graphisch versinnlichen. Führen wir

[Abbildung] Fig. 190.
einem festen Körper mehr und mehr Wärme zu, so beobachten wir
an dem durch diese Fig. dargestellten Ausdehnungsgesetz zwei plötz-
liche Knickungspunkte, den Aenderungen des Aggregatzustandes ent-
sprechend. Die Abscissenlinie a d giebt die Temperaturen an, auf
der die Volumzunahmen als Ordinaten errichtet sind. Bei b wird der
feste Körper flüssig, bei c geht er in Dampf über. Von a bis b beob-
achten wir das regelmässige Ausdehnungsgesetz des festen Körpers,
von b bis c das Ausdehnungsgesetz der Flüssigkeit, und von c an
endlich das Ausdehnungsgesetz der Gase.

Wir haben in Fig. 190 vorausgesetzt, das Ausdehnungsgesetz sei in diesen

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[390/0412] Von der Wärme. Man bedient sich zur Bestimmung des specifischen Gewichtes der Dämpfe eines ähnlichen Verfahrens, wie wir es in §. 93 für die Gase beschrieben haben. Ein Ballon wird entweder durch das Kochen der Flüssigkeit, deren Dampf man wägen will, oder, nach Regnault’s Verfahren, mittelst der Luftpumpe luftleer gemacht, dann unter einem bestimmten Druck und bei einer bestimmten Temperatur mit dem Dampf gefüllt und verschlossen. Aus dem vorher ermittelten Volum des Ballons be- stimmt man, unter Berücksichtigung der Ausdehnung, die derselbe durch die Wärme erfährt, das Gewicht Luft, welcher er bei 0° und 760 mm. Druck zu fassen vermag, um hieraus nach der oben gegebenen Formel die Dichtigkeit zu erhalten. Wir haben gesehen, dass die der Temperatur proportionale Aus- dehnung der Dämpfe für Wärmegrade, die nahe dem Condensations- punkte liegen, nicht mehr gültig ist, und dass beim Condensations- punkte selbst eine plötzliche starke Volumverminderung eintritt. Einen ähnlichen plötzlichen Wendepunkt zeigt das Ausdehnungsgesetz der Flüssigkeiten, wenn man die Wärme bis zu demjenigen Temperatur- grad vermindert, bei welchem die Flüssigkeit in den festen Zustand übergeht. In der Regel tritt auch hier eine rasche Volumverminderung ein. Fassen wir daher die plötzlichen Volumänderungen beim Wech- sel des Aggregatzustandes mit den im 1. Cap. erörterten stetigen Aen- derungen des Volumens zusammen, so lassen sich diese sämmtlichen Vorgänge durch die Fig. 190 graphisch versinnlichen. Führen wir [Abbildung Fig. 190.] einem festen Körper mehr und mehr Wärme zu, so beobachten wir an dem durch diese Fig. dargestellten Ausdehnungsgesetz zwei plötz- liche Knickungspunkte, den Aenderungen des Aggregatzustandes ent- sprechend. Die Abscissenlinie a d giebt die Temperaturen an, auf der die Volumzunahmen als Ordinaten errichtet sind. Bei b wird der feste Körper flüssig, bei c geht er in Dampf über. Von a bis b beob- achten wir das regelmässige Ausdehnungsgesetz des festen Körpers, von b bis c das Ausdehnungsgesetz der Flüssigkeit, und von c an endlich das Ausdehnungsgesetz der Gase. Wir haben in Fig. 190 vorausgesetzt, das Ausdehnungsgesetz sei in diesen

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Zitationshilfe: Wundt, Wilhelm: Handbuch der medicinischen Physik. Erlangen, 1867, S. 390. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wundt_medizinische_1867/412>, abgerufen am 24.04.2024.