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Zesen, Philipp von: Assenat. Amsterdam, 1670.

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Der Assenat
Assenat/ als auch der erhöhung des Fremdlings in
den Königsstaht/ wie sie beiderseits von den Göttern
bestimt war/ unschweer gefunden. Weil nun dieses
alles/ und noch darzu Josefs eigene Treume die Kö-
nigliche Fürstin wuste; so gab ihr ihre scharfsinnigkeit
und stähtiges überwegen dieser des Jofefs traumdeu-
tung sehr wunderliche gedanken ein. Den gantzen tag
betrachtete sie so wohl die treume selbsten/ als derselben
deutung. Semesse muste ihr Josefs worte wohl
hundert mahl wiederhohlen. Ein iedes legte sie auf die
wageschahle ihres verstandes. Ein iedes deutwort
schien ihr eine sonderliche verborgenheit zu begreiffen.
Und also verstund sie wohl etwas: aber lange nicht
alles.

Inmittels kahm der abend herbei. Nitokris war
eben aufgestanden zur tafel zu gehen/ als man plötzlich
an ihre tühre klopfete. Ein reitender Bohte war von
Heliopel angelanget. Dieser brachte der Assenat fol-
gendes

Schreiben
an die lieb- und hold-seelige
Semesse.

IHr liebstes brieflein empfange ich eben
itzund. Nichts gebe ich zur antwort/ als ei-
nen unsterblichen dank. Diesen verspreche ich mit
hertz und feder. Es seind zwar stumme gelübde:
doch wird sie die rede meines mundes bald be-
kräftigen. Mein mund wird es ihr selbsten ins
ohr/ ja ins hertze sprechen/ wie dankbar ich zu
sterben gesonnen. Sie eile nur bald/ mir ihre ge-
genwart zu gönnen. Ich verlange darnach. Ja
ich verlange/ die volkommene Erklährung des

Göt-

Der Aſſenat
Aſſenat/ als auch der erhoͤhung des Fremdlings in
den Koͤnigsſtaht/ wie ſie beiderſeits von den Goͤttern
beſtimt war/ unſchweer gefunden. Weil nun dieſes
alles/ und noch darzu Joſefs eigene Treume die Koͤ-
nigliche Fuͤrſtin wuſte; ſo gab ihr ihre ſcharfſinnigkeit
und ſtaͤhtiges uͤberwegen dieſer des Jofefs traumdeu-
tung ſehr wunderliche gedanken ein. Den gantzen tag
betrachtete ſie ſo wohl die treume ſelbſten/ als derſelben
deutung. Semeſſe muſte ihr Joſefs worte wohl
hundert mahl wiederhohlen. Ein iedes legte ſie auf die
wageſchahle ihres verſtandes. Ein iedes deutwort
ſchien ihr eine ſonderliche verborgenheit zu begreiffen.
Und alſo verſtund ſie wohl etwas: aber lange nicht
alles.

Inmittels kahm der abend herbei. Nitokris war
eben aufgeſtanden zur tafel zu gehen/ als man ploͤtzlich
an ihre tuͤhre klopfete. Ein reitender Bohte war von
Heliopel angelanget. Dieſer brachte der Aſſenat fol-
gendes

Schreiben
an die lieb- und hold-ſeelige
Semeſſe.

IHr liebſtes brieflein empfange ich eben
itzund. Nichts gebe ich zur antwort/ als ei-
nen unſterblichen dank. Dieſen verſpreche ich mit
hertz und feder. Es ſeind zwar ſtumme geluͤbde:
doch wird ſie die rede meines mundes bald be-
kraͤftigen. Mein mund wird es ihr ſelbſten ins
ohr/ ja ins hertze ſprechen/ wie dankbar ich zu
ſterben geſonnen. Sie eile nur bald/ mir ihre ge-
genwart zu goͤnnen. Ich verlange darnach. Ja
ich verlange/ die volkommene Erklaͤhrung des

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[90/0114] Der Aſſenat Aſſenat/ als auch der erhoͤhung des Fremdlings in den Koͤnigsſtaht/ wie ſie beiderſeits von den Goͤttern beſtimt war/ unſchweer gefunden. Weil nun dieſes alles/ und noch darzu Joſefs eigene Treume die Koͤ- nigliche Fuͤrſtin wuſte; ſo gab ihr ihre ſcharfſinnigkeit und ſtaͤhtiges uͤberwegen dieſer des Jofefs traumdeu- tung ſehr wunderliche gedanken ein. Den gantzen tag betrachtete ſie ſo wohl die treume ſelbſten/ als derſelben deutung. Semeſſe muſte ihr Joſefs worte wohl hundert mahl wiederhohlen. Ein iedes legte ſie auf die wageſchahle ihres verſtandes. Ein iedes deutwort ſchien ihr eine ſonderliche verborgenheit zu begreiffen. Und alſo verſtund ſie wohl etwas: aber lange nicht alles. Inmittels kahm der abend herbei. Nitokris war eben aufgeſtanden zur tafel zu gehen/ als man ploͤtzlich an ihre tuͤhre klopfete. Ein reitender Bohte war von Heliopel angelanget. Dieſer brachte der Aſſenat fol- gendes Schreiben an die lieb- und hold-ſeelige Semeſſe. IHr liebſtes brieflein empfange ich eben itzund. Nichts gebe ich zur antwort/ als ei- nen unſterblichen dank. Dieſen verſpreche ich mit hertz und feder. Es ſeind zwar ſtumme geluͤbde: doch wird ſie die rede meines mundes bald be- kraͤftigen. Mein mund wird es ihr ſelbſten ins ohr/ ja ins hertze ſprechen/ wie dankbar ich zu ſterben geſonnen. Sie eile nur bald/ mir ihre ge- genwart zu goͤnnen. Ich verlange darnach. Ja ich verlange/ die volkommene Erklaͤhrung des Goͤt-

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Zitationshilfe: Zesen, Philipp von: Assenat. Amsterdam, 1670, S. 90. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zesen_assenat_1670/114>, abgerufen am 25.04.2024.