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Böttner, Gottfried: Eine in Gott ruhende/ und also gantz ruhige Elisabeth. Zittau, 1686.

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I. N. J.

JA! wer weinen solte! Mir ist zwar
befohlen zu reden/ aber in einer Gelegenheit/
bey welcher ich viel lieber und eher weinen/
als geschickt reden wolte. Permittite, homo
sit. Neq; enim vel Imperium, vel Phi-
losophia affectus tollit,
sagte Antonius Phi-
losophus
zu denen Keyserl. Bedienten/ als sein Sohn
Commodus einen seiner Freunde beweinete: Treibet mei-
nen Sohn nicht sein Geschlechte zu verläugnen. Die
Empfindligkeit steckt dem Menschen zu tieff im Hertzen
Es mangelt der Weißheit an Rath/ und dem Kayserlichen
Scepter an Stärcke diese gäntzlich außzurotten. Alexan-
der Pheraeus
bey dem AEliano mus sich die Trübsalen der
Hecuboe und Polyxenae in der Tragoedy bewegen lassen/
ob Er schon alle Empfindligkeit/ Thränen und Traurigkeit
verschworen. Weinen läst sich wohl verbeissen/ aber nicht
abschaffen. Was hertzet/ das schmertzet/ was liebet/ das
betrübet. Und hier begräbet man die Tugendhafften und
Wohlthäter nicht ohne empfindliches Andencken. Pau-
cioribus tamen Lachrimis compositus est,
schreibet Cor-
nelius Tacitus
von seinem Schwieger-Vater/ Cajo Ju-
lio Agricola,
welchem der Wütterich Domitianus mit
Giffte heimgeholffen. Unschätzbarer Freund/ hier sind die

Opffer


I. N. J.

JA! wer weinen ſolte! Mir iſt zwar
befohlen zu reden/ aber in einer Gelegenheit/
bey welcher ich viel lieber und eher weinen/
als geſchickt reden wolte. Permittite, homo
ſit. Neq; enim vel Imperium, vel Phi-
loſophia affectus tollit,
ſagte Antonius Phi-
loſophus
zu denen Keyſerl. Bedienten/ als ſein Sohn
Commodus einen ſeiner Freunde beweinete: Treibet mei-
nen Sohn nicht ſein Geſchlechte zu verlaͤugnen. Die
Empfindligkeit ſteckt dem Menſchen zu tieff im Hertzen
Es mangelt der Weißheit an Rath/ und dem Kayſerlichen
Scepter an Staͤrcke dieſe gaͤntzlich außzurotten. Alexan-
der Pheræus
bey dem Æliano mus ſich die Truͤbſalen der
Hecubœ und Polyxenæ in der Tragœdy bewegen laſſen/
ob Er ſchon alle Empfindligkeit/ Thraͤnen und Traurigkeit
verſchworen. Weinen laͤſt ſich wohl verbeiſſen/ aber nicht
abſchaffen. Was hertzet/ das ſchmertzet/ was liebet/ das
betruͤbet. Und hier begraͤbet man die Tugendhafften und
Wohlthaͤter nicht ohne empfindliches Andencken. Pau-
cioribus tamen Lachrimis compoſitus eſt,
ſchreibet Cor-
nelius Tacitus
von ſeinem Schwieger-Vater/ Cajo Ju-
lio Agricola,
welchem der Wuͤtterich Domitianus mit
Giffte heimgeholffen. Unſchaͤtzbarer Freund/ hier ſind die

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[[95]/0095] I. N. J. JA! wer weinen ſolte! Mir iſt zwar befohlen zu reden/ aber in einer Gelegenheit/ bey welcher ich viel lieber und eher weinen/ als geſchickt reden wolte. Permittite, homo ſit. Neq; enim vel Imperium, vel Phi- loſophia affectus tollit, ſagte Antonius Phi- loſophus zu denen Keyſerl. Bedienten/ als ſein Sohn Commodus einen ſeiner Freunde beweinete: Treibet mei- nen Sohn nicht ſein Geſchlechte zu verlaͤugnen. Die Empfindligkeit ſteckt dem Menſchen zu tieff im Hertzen Es mangelt der Weißheit an Rath/ und dem Kayſerlichen Scepter an Staͤrcke dieſe gaͤntzlich außzurotten. Alexan- der Pheræus bey dem Æliano mus ſich die Truͤbſalen der Hecubœ und Polyxenæ in der Tragœdy bewegen laſſen/ ob Er ſchon alle Empfindligkeit/ Thraͤnen und Traurigkeit verſchworen. Weinen laͤſt ſich wohl verbeiſſen/ aber nicht abſchaffen. Was hertzet/ das ſchmertzet/ was liebet/ das betruͤbet. Und hier begraͤbet man die Tugendhafften und Wohlthaͤter nicht ohne empfindliches Andencken. Pau- cioribus tamen Lachrimis compoſitus eſt, ſchreibet Cor- nelius Tacitus von ſeinem Schwieger-Vater/ Cajo Ju- lio Agricola, welchem der Wuͤtterich Domitianus mit Giffte heimgeholffen. Unſchaͤtzbarer Freund/ hier ſind die Opffer

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Zitationshilfe: Böttner, Gottfried: Eine in Gott ruhende/ und also gantz ruhige Elisabeth. Zittau, 1686, S. [95]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/358833/95>, abgerufen am 28.03.2024.