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Schöttgen, Christian: Leben und letzte Stunden HERRN Christoph Theodosii Walthers. Halle, 1742.

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und daran ergetzet, ich aber unwürdig dazu etwas weniges, theils
ehemals durch mein Lehr-Amt, theils beym Sterbe-Bette durch
wircklichen Beystand, beytragen können; dieses, sage ich, hat mir
Anleitung gegeben, daß ich, statt eines Eingangs,
Die Vortheile der gründlichen Untersu-
chung göttlichen Worts zum frö-
lichen Sterben

etwas auszuführen unternommen. GOTT führe meine Gedan-
cken und Feder zu meines Nächsten Nutz und Erbauung!

§. 6.

Unser Sterbender war voll von GOttes Wort, als welches
ihm im Hertzen und auf der Zunge schwebte. Und da er im Grund-
Text sehr geübt war, der Heilige Geist auch, vermöge seines Amts,
ihn fleißig erinnerte, (Joh. XIV, 26.) so lief sein Sterbens-Kampf
mit dem grösten Vergnügen ab. Wir wollen einige Proben da-
von anhören.

Zu zweyen malen ergetzte er sich sehr an dem kleinen Wört-
gen uper, über. Das erste mal, als ich ihn der Worte erinnerte,
Röm. VIII, 37. Jn dem allen upernikomen, überwinden wir weit.
Gleich sagte der Sterbende: uper, uper. Dieses reitzte mich an,
daß ich meine Gedancken darüber vorbrachte, welche etwa so ein-
gerichtet waren. Der Heilige Geist macht nicht allein, daß wir
überwinden, sondern noch weit mehr, als bloß überwinden kön-
nen. Denn wir gehen unserer Victorie nach, und geniessen von
derselben grosse Vortheile. Ein weltlicher Uberwinder schlägt
zwar oftmals den Feind aus dem Felde, aber er hat sich und seine
Armee so geschwächt, daß er nicht weiter kan, sondern Halte ma-
chen muß. Der Feind ist geschlagen, aber noch nicht gedämpft.
Er gehet noch nicht so gleich ein, was der Uberwinder verlangt.
Aber hier heißt es: upernikomen, wir überwinden weit, wir gehen
weiter fort. Alle Feinde, und auch der letzte, nemlich der Tod, wer-
den gedämpft, und müssen unter unsere Füsse. Da wird nicht mehr
tractiret, sondern wir haben alle Vortheile wircklich in der Hand, die
man nur wünschen und erdencken kan. Kurtz, das Ende des

Glau-

und daran ergetzet, ich aber unwuͤrdig dazu etwas weniges, theils
ehemals durch mein Lehr-Amt, theils beym Sterbe-Bette durch
wircklichen Beyſtand, beytragen koͤnnen; dieſes, ſage ich, hat mir
Anleitung gegeben, daß ich, ſtatt eines Eingangs,
Die Vortheile der gruͤndlichen Unterſu-
chung goͤttlichen Worts zum froͤ-
lichen Sterben

etwas auszufuͤhren unternommen. GOTT fuͤhre meine Gedan-
cken und Feder zu meines Naͤchſten Nutz und Erbauung!

§. 6.

Unſer Sterbender war voll von GOttes Wort, als welches
ihm im Hertzen und auf der Zunge ſchwebte. Und da er im Grund-
Text ſehr geuͤbt war, der Heilige Geiſt auch, vermoͤge ſeines Amts,
ihn fleißig erinnerte, (Joh. XIV, 26.) ſo lief ſein Sterbens-Kampf
mit dem groͤſten Vergnuͤgen ab. Wir wollen einige Proben da-
von anhoͤren.

Zu zweyen malen ergetzte er ſich ſehr an dem kleinen Woͤrt-
gen ὑπὲρ, uͤber. Das erſte mal, als ich ihn der Worte erinnerte,
Roͤm. VIII, 37. Jn dem allen ὑπερνικῶμεν, uͤberwinden wir weit.
Gleich ſagte der Sterbende: ὑπὲρ, ὑπέρ. Dieſes reitzte mich an,
daß ich meine Gedancken daruͤber vorbrachte, welche etwa ſo ein-
gerichtet waren. Der Heilige Geiſt macht nicht allein, daß wir
uͤberwinden, ſondern noch weit mehr, als bloß uͤberwinden koͤn-
nen. Denn wir gehen unſerer Victorie nach, und genieſſen von
derſelben groſſe Vortheile. Ein weltlicher Uberwinder ſchlaͤgt
zwar oftmals den Feind aus dem Felde, aber er hat ſich und ſeine
Armee ſo geſchwaͤcht, daß er nicht weiter kan, ſondern Halte ma-
chen muß. Der Feind iſt geſchlagen, aber noch nicht gedaͤmpft.
Er gehet noch nicht ſo gleich ein, was der Uberwinder verlangt.
Aber hier heißt es: ὑπερνικῶμεν, wir uͤberwinden weit, wir gehen
weiter fort. Alle Feinde, und auch der letzte, nemlich der Tod, wer-
den gedaͤmpft, und muͤſſen unter unſere Fuͤſſe. Da wird nicht mehr
tractiret, ſondern wir haben alle Vortheile wircklich in der Hand, die
man nur wuͤnſchen und erdencken kan. Kurtz, das Ende des

Glau-
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[6/0006] und daran ergetzet, ich aber unwuͤrdig dazu etwas weniges, theils ehemals durch mein Lehr-Amt, theils beym Sterbe-Bette durch wircklichen Beyſtand, beytragen koͤnnen; dieſes, ſage ich, hat mir Anleitung gegeben, daß ich, ſtatt eines Eingangs, Die Vortheile der gruͤndlichen Unterſu- chung goͤttlichen Worts zum froͤ- lichen Sterben etwas auszufuͤhren unternommen. GOTT fuͤhre meine Gedan- cken und Feder zu meines Naͤchſten Nutz und Erbauung! §. 6. Unſer Sterbender war voll von GOttes Wort, als welches ihm im Hertzen und auf der Zunge ſchwebte. Und da er im Grund- Text ſehr geuͤbt war, der Heilige Geiſt auch, vermoͤge ſeines Amts, ihn fleißig erinnerte, (Joh. XIV, 26.) ſo lief ſein Sterbens-Kampf mit dem groͤſten Vergnuͤgen ab. Wir wollen einige Proben da- von anhoͤren. Zu zweyen malen ergetzte er ſich ſehr an dem kleinen Woͤrt- gen ὑπὲρ, uͤber. Das erſte mal, als ich ihn der Worte erinnerte, Roͤm. VIII, 37. Jn dem allen ὑπερνικῶμεν, uͤberwinden wir weit. Gleich ſagte der Sterbende: ὑπὲρ, ὑπέρ. Dieſes reitzte mich an, daß ich meine Gedancken daruͤber vorbrachte, welche etwa ſo ein- gerichtet waren. Der Heilige Geiſt macht nicht allein, daß wir uͤberwinden, ſondern noch weit mehr, als bloß uͤberwinden koͤn- nen. Denn wir gehen unſerer Victorie nach, und genieſſen von derſelben groſſe Vortheile. Ein weltlicher Uberwinder ſchlaͤgt zwar oftmals den Feind aus dem Felde, aber er hat ſich und ſeine Armee ſo geſchwaͤcht, daß er nicht weiter kan, ſondern Halte ma- chen muß. Der Feind iſt geſchlagen, aber noch nicht gedaͤmpft. Er gehet noch nicht ſo gleich ein, was der Uberwinder verlangt. Aber hier heißt es: ὑπερνικῶμεν, wir uͤberwinden weit, wir gehen weiter fort. Alle Feinde, und auch der letzte, nemlich der Tod, wer- den gedaͤmpft, und muͤſſen unter unſere Fuͤſſe. Da wird nicht mehr tractiret, ſondern wir haben alle Vortheile wircklich in der Hand, die man nur wuͤnſchen und erdencken kan. Kurtz, das Ende des Glau-

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Zitationshilfe: Schöttgen, Christian: Leben und letzte Stunden HERRN Christoph Theodosii Walthers. Halle, 1742, S. 6. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/386596/6>, abgerufen am 28.03.2024.