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Schöttgen, Christian: Leben und letzte Stunden HERRN Christoph Theodosii Walthers. Halle, 1742.

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stehet: wie davon die Griechischen Wörter-Bücher sattsam lehren.
Also war das ein Saam-Körngen, welches ich selbst ausgestreuet
hatte, und hier mit der schönsten Frucht wieder fand. Als mir
nun der Sterbende zu verstehen gab, was er meinte, führte ich die
Sache weiter aus und sagte: Wenn man alles Leiden dieser Zeit,
was alle Menschen iemals ausgestanden, auf die eine Wage-Schale
legen solte; auf die andre aber nur ein Stäublein oder Tröpflein
von der zukünftigen Herrlichkeit: so würde gewiß das letztere jenes
niederziehen. Es kommt beydes gar nicht in die geringste Verglei-
chung. Denn die Herrlichkeit der Kinder GOttes ist unendlich und
unaussprechlich; Das Leiden dieser Zeit aber hat seine Grentzen,
kan gezehlet und ausgesprochen werden. Hierüber freuete sich der
selige Mann, und war vergnüget, daß er zu dieser grossen Herrlich-
keit bald gelangen solte. Er hielt also geduldig aus, und murrete
nicht über die Schmertzen, welche er auszustehen hatte.

§. 10.

Jch erinnerte ihn auch derer Worte Psalm XXXII, 1. Wohl
dem, dem die Ubertretung vergeben sind.
Er antwortete so
gleich auf Hebräisch: `shp yvshn. Jch übersetzte dieses von Wort zu
Wort: Dem die Sünden weggenommen worden sind. Er:
Nicht allein weggenommen. Jch: sondern auch bedeckt. Er;
htkh yvmk. Jch: Dem die Sünden zugedecket sind, daß sie vor de-
nen Augen des himmlischen Vaters nicht mehr erscheinen und gese-
hen werden. Er: Nicht allein zugedeckt; und wies mit beyden
Händen, als wolte er etwas hinter sich werfen. Jch fuhr fort:
Sondern auch zurück geworfen, wie Hiskias sagte: Denn du
wirfest alle meine Sünde hinter dich zurück.
Er: Nicht allein;
und hiermit that er mit beyden Händen, als wolte er etwas herun-
terwärts stossen. Jch: Sondern auch in die Tieffe des Meeres ge-
worfen. Er: Das war recht. Und hierauf sagte er: Was thust
du vor Gnade! ja eine pur lautere Gnade! Jch schloß endlich mit
denen Worten des bekanten Liedes: O der grossen Freude! Wer
wolt hier das Kleide dieser Sterblichkeit nicht getrost able-
gen? weil ja dort hingegen in der Ewigkeit JEsus Christ be-
reitet ist, ihn zu kleiden mit der Sonne, in des Himmels
Wonne.
Er: Das ist schön.

§. 11.
B

ſtehet: wie davon die Griechiſchen Woͤrter-Buͤcher ſattſam lehren.
Alſo war das ein Saam-Koͤrngen, welches ich ſelbſt ausgeſtreuet
hatte, und hier mit der ſchoͤnſten Frucht wieder fand. Als mir
nun der Sterbende zu verſtehen gab, was er meinte, fuͤhrte ich die
Sache weiter aus und ſagte: Wenn man alles Leiden dieſer Zeit,
was alle Menſchen iemals ausgeſtanden, auf die eine Wage-Schale
legen ſolte; auf die andre aber nur ein Staͤublein oder Troͤpflein
von der zukuͤnftigen Herrlichkeit: ſo wuͤrde gewiß das letztere jenes
niederziehen. Es kommt beydes gar nicht in die geringſte Verglei-
chung. Denn die Herrlichkeit der Kinder GOttes iſt unendlich und
unausſprechlich; Das Leiden dieſer Zeit aber hat ſeine Grentzen,
kan gezehlet und ausgeſprochen werden. Hieruͤber freuete ſich der
ſelige Mann, und war vergnuͤget, daß er zu dieſer groſſen Herrlich-
keit bald gelangen ſolte. Er hielt alſo geduldig aus, und murrete
nicht uͤber die Schmertzen, welche er auszuſtehen hatte.

§. 10.

Jch erinnerte ihn auch derer Worte Pſalm XXXII, 1. Wohl
dem, dem die Ubertretung vergeben ſind.
Er antwortete ſo
gleich auf Hebraͤiſch: עשפ יושנ. Jch uͤberſetzte dieſes von Wort zu
Wort: Dem die Suͤnden weggenommen worden ſind. Er:
Nicht allein weggenommen. Jch: ſondern auch bedeckt. Er;
האטח יוםכ. Jch: Dem die Suͤnden zugedecket ſind, daß ſie vor de-
nen Augen des himmliſchen Vaters nicht mehr erſcheinen und geſe-
hen werden. Er: Nicht allein zugedeckt; und wies mit beyden
Haͤnden, als wolte er etwas hinter ſich werfen. Jch fuhr fort:
Sondern auch zuruͤck geworfen, wie Hiskias ſagte: Denn du
wirfeſt alle meine Suͤnde hinter dich zuruͤck.
Er: Nicht allein;
und hiermit that er mit beyden Haͤnden, als wolte er etwas herun-
terwaͤrts ſtoſſen. Jch: Sondern auch in die Tieffe des Meeres ge-
worfen. Er: Das war recht. Und hierauf ſagte er: Was thuſt
du vor Gnade! ja eine pur lautere Gnade! Jch ſchloß endlich mit
denen Worten des bekanten Liedes: O der groſſen Freude! Wer
wolt hier das Kleide dieſer Sterblichkeit nicht getroſt able-
gen? weil ja dort hingegen in der Ewigkeit JEſus Chriſt be-
reitet iſt, ihn zu kleiden mit der Sonne, in des Himmels
Wonne.
Er: Das iſt ſchoͤn.

§. 11.
B
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Zitationshilfe: Schöttgen, Christian: Leben und letzte Stunden HERRN Christoph Theodosii Walthers. Halle, 1742, S. 9. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/386596/9>, abgerufen am 19.04.2024.