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Arnold, Johannes: Die Bittere Klage über den Erschlagenen in meinem Volck. Pirna, 1713.

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über den Erschlagenen in meinem Volck.
gen war/ starb auch hierauff auff seinen Erlöser selig den 3. Januarii, obge-
dachten Jahres. Die Gelehrten/ wenn sie die Ungewißheit der Todtes-
Stunde recht erwegen/ so mahlen sie ein Schiff/ welches früh Morgens
von beqvemen Winde glücklich fortgetrieben/ des Abends a[b]er durch die
ungestümen Wellen verschlagen/ und mit Menschen und Gütern verder-
bet worden/ und schreiben darzu:

Nimium ne fide sereno,
Bald nach dem Sonnen-Schein/
Stellt sich der Sturm-Wind ein.

Musonius nennet dahero den Todt certissimum incertissimum, das al-
lergewisseste ungewisseste/ & incertissimum certissimum, das allerunge-
wisseste gewisseste. (vid. Adam. Corn. Cop. p. 11. p. 551.)

Augustinus spricht in Libr. de spir. & anim. Cap. 31. Tom. 3. p. 364.
Hoc plane scio, qvod mortales sumus, & velimus, nolimus, omnes
moriemur. Nihil enim morte certius, & nihil incertius hora mor-
tis. Nam nescimus, qvando, aut qvomodo, aut ubi moriemur, qvo-
niam mors ubiqve nos expectat.
Das weiß ich gewiß/ daß wir sterb-
lich seyn/ und wir alle sterben müssen/ wir mögen wollen/ oder nicht wol-
len. Denn wir haben nichts gewissers/ als den Todt/ nichts aber unge-
wissers/ als die Todtes-Stunde. Denn wir wissen nicht/ wenn/ wo/
oder wie wir sterben werden/ indem der Todt uns auf allen Füssen nach-
schleicht; Oder wie es ein ander Gelehrter übersetzet: Das Gewisseste ist
der Todt/ das Ungewisseste/ wenn/ wie und wo/ und müssen alle Men-
schen-Kinder mit der Christlichen Kirche seuffzen:

HErr JEsu Christ ich weiß gar wohl/
Daß ich einmahl muß sterben/
Wenn aber das geschehen soll/
Und wie ich werde verderben
Dem Leibe nach/ das weiß ich nicht/
Es steht allein in deinem Gericht/
Du siehst mein letztes Ende.

II. Daß die Liebe auffrichtiger Freunde auch in und durch den Todt
nicht auffgehoben oder getrennet werde/ sondern nach demselben beständig
verbleibe/ und bey den Hinterbliebenen eine hertzliche Betrübniß/ schmertzli-
ches Seuffzen und bittere Klage über den verstorbenen Freund verursa-
che. Dieses bezeugen abermahl David und Jonathan/ unser selig ver-

stor-
D 3

uͤber den Erſchlagenen in meinem Volck.
gen war/ ſtarb auch hierauff auff ſeinen Erloͤſer ſelig den 3. Januarii, obge-
dachten Jahres. Die Gelehrten/ wenn ſie die Ungewißheit der Todtes-
Stunde recht erwegen/ ſo mahlen ſie ein Schiff/ welches fruͤh Morgens
von beqvemen Winde gluͤcklich fortgetrieben/ des Abends a[b]er durch die
ungeſtuͤmen Wellen verſchlagen/ und mit Menſchen und Guͤtern verder-
bet worden/ und ſchreiben darzu:

Nimium ne fide ſereno,
Bald nach dem Sonnen-Schein/
Stellt ſich der Sturm-Wind ein.

Muſonius nennet dahero den Todt certiſſimum incertiſſimum, das al-
lergewiſſeſte ungewiſſeſte/ & incertiſſimum certiſſimum, das allerunge-
wiſſeſte gewiſſeſte. (vid. Adam. Corn. Cop. p. 11. p. 551.)

Auguſtinus ſpricht in Libr. de ſpir. & anim. Cap. 31. Tom. 3. p. 364.
Hoc plane ſcio, qvod mortales ſumus, & velimus, nolimus, omnes
moriemur. Nihil enim morte certius, & nihil incertius hora mor-
tis. Nam neſcimus, qvando, aut qvomodo, aut ubi moriemur, qvo-
niam mors ubiqve nos expectat.
Das weiß ich gewiß/ daß wir ſterb-
lich ſeyn/ und wir alle ſterben muͤſſen/ wir moͤgen wollen/ oder nicht wol-
len. Denn wir haben nichts gewiſſers/ als den Todt/ nichts aber unge-
wiſſers/ als die Todtes-Stunde. Denn wir wiſſen nicht/ wenn/ wo/
oder wie wir ſterben werden/ indem der Todt uns auf allen Fuͤſſen nach-
ſchleicht; Oder wie es ein ander Gelehrter uͤberſetzet: Das Gewiſſeſte iſt
der Todt/ das Ungewiſſeſte/ wenn/ wie und wo/ und muͤſſen alle Men-
ſchen-Kinder mit der Chriſtlichen Kirche ſeuffzen:

HErr JEſu Chriſt ich weiß gar wohl/
Daß ich einmahl muß ſterben/
Wenn aber das geſchehen ſoll/
Und wie ich werde verderben
Dem Leibe nach/ das weiß ich nicht/
Es ſteht allein in deinem Gericht/
Du ſiehſt mein letztes Ende.

II. Daß die Liebe auffrichtiger Freunde auch in und durch den Todt
nicht auffgehoben oder getrennet werde/ ſondern nach demſelben beſtaͤndig
verbleibe/ und bey den Hinterbliebenen eine hertzliche Betruͤbniß/ ſchmertzli-
ches Seuffzen und bittere Klage uͤber den verſtorbenen Freund verurſa-
che. Dieſes bezeugen abermahl David und Jonathan/ unſer ſelig ver-

ſtor-
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[29/0029] uͤber den Erſchlagenen in meinem Volck. gen war/ ſtarb auch hierauff auff ſeinen Erloͤſer ſelig den 3. Januarii, obge- dachten Jahres. Die Gelehrten/ wenn ſie die Ungewißheit der Todtes- Stunde recht erwegen/ ſo mahlen ſie ein Schiff/ welches fruͤh Morgens von beqvemen Winde gluͤcklich fortgetrieben/ des Abends aber durch die ungeſtuͤmen Wellen verſchlagen/ und mit Menſchen und Guͤtern verder- bet worden/ und ſchreiben darzu: Nimium ne fide ſereno, Bald nach dem Sonnen-Schein/ Stellt ſich der Sturm-Wind ein. Muſonius nennet dahero den Todt certiſſimum incertiſſimum, das al- lergewiſſeſte ungewiſſeſte/ & incertiſſimum certiſſimum, das allerunge- wiſſeſte gewiſſeſte. (vid. Adam. Corn. Cop. p. 11. p. 551.) Auguſtinus ſpricht in Libr. de ſpir. & anim. Cap. 31. Tom. 3. p. 364. Hoc plane ſcio, qvod mortales ſumus, & velimus, nolimus, omnes moriemur. Nihil enim morte certius, & nihil incertius hora mor- tis. Nam neſcimus, qvando, aut qvomodo, aut ubi moriemur, qvo- niam mors ubiqve nos expectat. Das weiß ich gewiß/ daß wir ſterb- lich ſeyn/ und wir alle ſterben muͤſſen/ wir moͤgen wollen/ oder nicht wol- len. Denn wir haben nichts gewiſſers/ als den Todt/ nichts aber unge- wiſſers/ als die Todtes-Stunde. Denn wir wiſſen nicht/ wenn/ wo/ oder wie wir ſterben werden/ indem der Todt uns auf allen Fuͤſſen nach- ſchleicht; Oder wie es ein ander Gelehrter uͤberſetzet: Das Gewiſſeſte iſt der Todt/ das Ungewiſſeſte/ wenn/ wie und wo/ und muͤſſen alle Men- ſchen-Kinder mit der Chriſtlichen Kirche ſeuffzen: HErr JEſu Chriſt ich weiß gar wohl/ Daß ich einmahl muß ſterben/ Wenn aber das geſchehen ſoll/ Und wie ich werde verderben Dem Leibe nach/ das weiß ich nicht/ Es ſteht allein in deinem Gericht/ Du ſiehſt mein letztes Ende. II. Daß die Liebe auffrichtiger Freunde auch in und durch den Todt nicht auffgehoben oder getrennet werde/ ſondern nach demſelben beſtaͤndig verbleibe/ und bey den Hinterbliebenen eine hertzliche Betruͤbniß/ ſchmertzli- ches Seuffzen und bittere Klage uͤber den verſtorbenen Freund verurſa- che. Dieſes bezeugen abermahl David und Jonathan/ unſer ſelig ver- ſtor- D 3

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Zitationshilfe: Arnold, Johannes: Die Bittere Klage über den Erschlagenen in meinem Volck. Pirna, 1713, S. 29. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/392439/29>, abgerufen am 28.03.2024.