Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Arnold, Johannes: Die Bittere Klage über den Erschlagenen in meinem Volck. Pirna, 1713.

Bild:
<< vorherige Seite
über den Erschlagenen in meinem Volck.

Und von dem Ulm-Baum observiren sie/ daß/ ob er gleich alt/ und vorige
Kräffte nicht mehr habe/ halte er doch den Weinstock/ der bey ihm stehe/
so wohl/ als wenn er noch frisch wäre/ weßhalben sie ihm diese Umschrifft
geben:

Amicus post mortem,
Hier siebst du einen treuen Freund/
Ders nach dem Tod auch redlich meynt.

So nun GOtt denen unvernünfftigen und leblosen Creaturen solche be-
ständige Liebe auch nach dem Todte eingepflantzet hat/ wie vielmehr soll
bey vernünfftigen Menschen und frommen Christen die Liebe und Freund-
schafft gegen ihre verstorbene Freunde beständig verbleiben/ und mit vie-
len Thränen gegen dieselben bezeiget werden. Das wuste der löbliche
Hertzog zu Saphoyen/ Herr Carol Emanuel II. als welcher nach seine[r]
Gemahlin Tode das Kraut Jmmer-grüne mahlen lassen/ mit der Uber-
schrifft:

Ardorem meum illa non minuit, qvae mihi semper vivit.
So wenig Jmmer-grün auff dieser Welt verdirbt;
So wenig mein Gemahl in meinem Hertzen stirbt.

Und bey dem Orpheo und seiner Euridice stehen die Worte:

Amor post funera vivit.
Stirbt gleich mein treues Weib dahin/
Durch meine Lieb ich bey ihr bin.

Jsts demnach also/ so irren viele unter denen Astrologis und Stern-2.
Elenchti-
cus.

Sehern/ welche aus dem Lauff der Gestirne denen Menschen ihr Nativi-
tät zu stellen/ und unter andern auch die Zeit und Stunde ihres Todes zu
bestimmen sich freventlich unterstehen. Wie vor diesem Petrus Aleacus
gewesen/ welcher aus dem Gestirne der Menschen zukünfftiges Glück und Un-
glück/ Lebens-Arth/ Reichthum/ Tod/ des Todes Arth und Stunde verkündi-
gen wollen/ wie Pererius Lib. 11. ingen. Disp. adv. Astrol. erzehlet/ und ihn
widerleget. Ja Cardanus darff sich unterstehen/ Christo selbst ein Na-
tivit
ät aus dem Gestirne zu stellen/ und vorzugeben/ es habe nicht anders
seyn können/ Christus habe müssen/ vermöge des Lauffs seines Geburths-
Gestirns/ eines gewaltsamen Todes sterben. (vid. Bald. cas. consc. p. 787.)
Allein/ so wenig Jonathan und unser sel. Verstorbene ihre Todes-Stun-
de wusten/ sondern sie überfiel sie plötzlich und unverhofft; so wenig kön-
nen auch diese Stern-Seher der Menschen Todes-Stunde wissen und

beschrei-
uͤber den Erſchlagenen in meinem Volck.

Und von dem Ulm-Baum obſerviren ſie/ daß/ ob er gleich alt/ und vorige
Kraͤffte nicht mehr habe/ halte er doch den Weinſtock/ der bey ihm ſtehe/
ſo wohl/ als wenn er noch friſch waͤre/ weßhalben ſie ihm dieſe Umſchrifft
geben:

Amicus poſt mortem,
Hier ſiebſt du einen treuen Freund/
Ders nach dem Tod auch redlich meynt.

So nun GOtt denen unvernuͤnfftigen und lebloſen Creaturen ſolche be-
ſtaͤndige Liebe auch nach dem Todte eingepflantzet hat/ wie vielmehr ſoll
bey vernuͤnfftigen Menſchen und frommen Chriſten die Liebe und Freund-
ſchafft gegen ihre verſtorbene Freunde beſtaͤndig verbleiben/ und mit vie-
len Thraͤnen gegen dieſelben bezeiget werden. Das wuſte der loͤbliche
Hertzog zu Saphoyen/ Herr Carol Emanuel II. als welcher nach ſeine[r]
Gemahlin Tode das Kraut Jmmer-gruͤne mahlen laſſen/ mit der Uber-
ſchrifft:

Ardorem meum illa non minuit, qvæ mihi ſemper vivit.
So wenig Jmmer-gruͤn auff dieſer Welt verdirbt;
So wenig mein Gemahl in meinem Hertzen ſtirbt.

Und bey dem Orpheo und ſeiner Euridice ſtehen die Worte:

Amor poſt funera vivit.
Stirbt gleich mein treues Weib dahin/
Durch meine Lieb ich bey ihr bin.

Jſts demnach alſo/ ſo irren viele unter denen Aſtrologis und Stern-2.
Elenchti-
cus.

Sehern/ welche aus dem Lauff der Geſtirne denen Menſchen ihr Nativi-
taͤt zu ſtellen/ und unter andern auch die Zeit und Stunde ihres Todes zu
beſtimmen ſich freventlich unterſtehen. Wie vor dieſem Petrus Aleacus
geweſen/ welcher aus dem Geſtirne der Menſchen zukuͤnfftiges Gluͤck und Un-
gluͤck/ Lebens-Arth/ Reichthum/ Tod/ des Todes Arth und Stunde verkuͤndi-
gen wollen/ wie Pererius Lib. 11. ingen. Diſp. adv. Aſtrol. erzehlet/ und ihn
widerleget. Ja Cardanus darff ſich unterſtehen/ Chriſto ſelbſt ein Na-
tivit
aͤt aus dem Geſtirne zu ſtellen/ und vorzugeben/ es habe nicht anders
ſeyn koͤnnen/ Chriſtus habe muͤſſen/ vermoͤge des Lauffs ſeines Geburths-
Geſtirns/ eines gewaltſamen Todes ſterben. (vid. Bald. caſ. conſc. p. 787.)
Allein/ ſo wenig Jonathan und unſer ſel. Verſtorbene ihre Todes-Stun-
de wuſten/ ſondern ſie uͤberfiel ſie ploͤtzlich und unverhofft; ſo wenig koͤn-
nen auch dieſe Stern-Seher der Menſchen Todes-Stunde wiſſen und

beſchrei-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="fsSermon" n="1">
        <div type="fsMainPart" n="2">
          <pb facs="#f0031" n="31"/>
          <fw type="header" place="top"> <hi rendition="#b">u&#x0364;ber den Er&#x017F;chlagenen in meinem Volck.</hi> </fw><lb/>
          <p>Und von dem Ulm-Baum <hi rendition="#aq">ob&#x017F;ervi</hi>ren &#x017F;ie/ daß/ ob er gleich alt/ und vorige<lb/>
Kra&#x0364;ffte nicht mehr habe/ halte er doch den Wein&#x017F;tock/ der bey ihm &#x017F;tehe/<lb/>
&#x017F;o wohl/ als wenn er noch fri&#x017F;ch wa&#x0364;re/ weßhalben &#x017F;ie ihm die&#x017F;e Um&#x017F;chrifft<lb/>
geben:</p><lb/>
          <lg type="poem">
            <l> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#aq">Amicus po&#x017F;t mortem,</hi> </hi> </l><lb/>
            <l> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#fr">Hier &#x017F;ieb&#x017F;t du einen treuen Freund/</hi> </hi> </l><lb/>
            <l> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#fr">Ders nach dem Tod auch redlich meynt.</hi> </hi> </l>
          </lg><lb/>
          <p>So nun GOtt denen unvernu&#x0364;nfftigen und leblo&#x017F;en Creaturen &#x017F;olche be-<lb/>
&#x017F;ta&#x0364;ndige Liebe auch nach dem Todte eingepflantzet hat/ wie vielmehr &#x017F;oll<lb/>
bey vernu&#x0364;nfftigen Men&#x017F;chen und frommen Chri&#x017F;ten die Liebe und Freund-<lb/>
&#x017F;chafft gegen ihre ver&#x017F;torbene Freunde be&#x017F;ta&#x0364;ndig verbleiben/ und mit vie-<lb/>
len Thra&#x0364;nen gegen die&#x017F;elben bezeiget werden. Das wu&#x017F;te der lo&#x0364;bliche<lb/>
Hertzog zu Saphoyen/ Herr <hi rendition="#aq">Carol Emanuel II.</hi> als welcher nach &#x017F;eine<supplied>r</supplied><lb/>
Gemahlin Tode das Kraut Jmmer-gru&#x0364;ne mahlen la&#x017F;&#x017F;en/ mit der Uber-<lb/>
&#x017F;chrifft:</p><lb/>
          <lg type="poem">
            <l> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#aq">Ardorem meum illa non minuit, qvæ mihi &#x017F;emper vivit.</hi> </hi> </l><lb/>
            <l> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#fr">So wenig Jmmer-gru&#x0364;n auff die&#x017F;er Welt verdirbt;</hi> </hi> </l><lb/>
            <l> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#fr">So wenig mein Gemahl in meinem Hertzen &#x017F;tirbt.</hi> </hi> </l>
          </lg><lb/>
          <p>Und bey dem <hi rendition="#aq">Orpheo</hi> und &#x017F;einer <hi rendition="#aq">Euridice</hi> &#x017F;tehen die Worte:</p><lb/>
          <lg type="poem">
            <l> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#aq">Amor po&#x017F;t funera vivit.</hi> </hi> </l><lb/>
            <l> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#fr">Stirbt gleich mein treues Weib dahin/</hi> </hi> </l><lb/>
            <l> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#fr">Durch meine Lieb ich bey ihr bin.</hi> </hi> </l>
          </lg><lb/>
          <p>J&#x017F;ts demnach al&#x017F;o/ &#x017F;o irren viele unter denen <hi rendition="#aq">A&#x017F;trologis</hi> und Stern-<note place="right">2.<lb/><hi rendition="#aq">Elenchti-<lb/>
cus.</hi></note><lb/>
Sehern/ welche aus dem Lauff der Ge&#x017F;tirne denen Men&#x017F;chen ihr <hi rendition="#aq">Nativi-</hi><lb/>
ta&#x0364;t zu &#x017F;tellen/ und unter andern auch die Zeit und Stunde ihres Todes zu<lb/>
be&#x017F;timmen &#x017F;ich freventlich unter&#x017F;tehen. Wie vor die&#x017F;em <hi rendition="#aq">Petrus Aleacus</hi><lb/>
gewe&#x017F;en/ welcher aus dem Ge&#x017F;tirne der Men&#x017F;chen zuku&#x0364;nfftiges Glu&#x0364;ck und Un-<lb/>
glu&#x0364;ck/ Lebens-Arth/ Reichthum/ Tod/ des Todes Arth und Stunde verku&#x0364;ndi-<lb/>
gen wollen/ wie <hi rendition="#aq">Pererius Lib. 11. ingen. Di&#x017F;p. adv. A&#x017F;trol.</hi> erzehlet/ und ihn<lb/>
widerleget. Ja <hi rendition="#aq">Cardanus</hi> darff &#x017F;ich unter&#x017F;tehen/ Chri&#x017F;to &#x017F;elb&#x017F;t ein <hi rendition="#aq">Na-<lb/>
tivit</hi>a&#x0364;t aus dem Ge&#x017F;tirne zu &#x017F;tellen/ und vorzugeben/ es habe nicht anders<lb/>
&#x017F;eyn ko&#x0364;nnen/ Chri&#x017F;tus habe mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en/ vermo&#x0364;ge des Lauffs &#x017F;eines Geburths-<lb/>
Ge&#x017F;tirns/ eines gewalt&#x017F;amen Todes &#x017F;terben. (<hi rendition="#aq">vid. Bald. ca&#x017F;. con&#x017F;c. p.</hi> 787.)<lb/>
Allein/ &#x017F;o wenig Jonathan und un&#x017F;er &#x017F;el. Ver&#x017F;torbene ihre Todes-Stun-<lb/>
de wu&#x017F;ten/ &#x017F;ondern &#x017F;ie u&#x0364;berfiel &#x017F;ie plo&#x0364;tzlich und unverhofft; &#x017F;o wenig ko&#x0364;n-<lb/>
nen auch die&#x017F;e Stern-Seher der Men&#x017F;chen Todes-Stunde wi&#x017F;&#x017F;en und<lb/>
<fw type="catch" place="bottom">be&#x017F;chrei-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[31/0031] uͤber den Erſchlagenen in meinem Volck. Und von dem Ulm-Baum obſerviren ſie/ daß/ ob er gleich alt/ und vorige Kraͤffte nicht mehr habe/ halte er doch den Weinſtock/ der bey ihm ſtehe/ ſo wohl/ als wenn er noch friſch waͤre/ weßhalben ſie ihm dieſe Umſchrifft geben: Amicus poſt mortem, Hier ſiebſt du einen treuen Freund/ Ders nach dem Tod auch redlich meynt. So nun GOtt denen unvernuͤnfftigen und lebloſen Creaturen ſolche be- ſtaͤndige Liebe auch nach dem Todte eingepflantzet hat/ wie vielmehr ſoll bey vernuͤnfftigen Menſchen und frommen Chriſten die Liebe und Freund- ſchafft gegen ihre verſtorbene Freunde beſtaͤndig verbleiben/ und mit vie- len Thraͤnen gegen dieſelben bezeiget werden. Das wuſte der loͤbliche Hertzog zu Saphoyen/ Herr Carol Emanuel II. als welcher nach ſeiner Gemahlin Tode das Kraut Jmmer-gruͤne mahlen laſſen/ mit der Uber- ſchrifft: Ardorem meum illa non minuit, qvæ mihi ſemper vivit. So wenig Jmmer-gruͤn auff dieſer Welt verdirbt; So wenig mein Gemahl in meinem Hertzen ſtirbt. Und bey dem Orpheo und ſeiner Euridice ſtehen die Worte: Amor poſt funera vivit. Stirbt gleich mein treues Weib dahin/ Durch meine Lieb ich bey ihr bin. Jſts demnach alſo/ ſo irren viele unter denen Aſtrologis und Stern- Sehern/ welche aus dem Lauff der Geſtirne denen Menſchen ihr Nativi- taͤt zu ſtellen/ und unter andern auch die Zeit und Stunde ihres Todes zu beſtimmen ſich freventlich unterſtehen. Wie vor dieſem Petrus Aleacus geweſen/ welcher aus dem Geſtirne der Menſchen zukuͤnfftiges Gluͤck und Un- gluͤck/ Lebens-Arth/ Reichthum/ Tod/ des Todes Arth und Stunde verkuͤndi- gen wollen/ wie Pererius Lib. 11. ingen. Diſp. adv. Aſtrol. erzehlet/ und ihn widerleget. Ja Cardanus darff ſich unterſtehen/ Chriſto ſelbſt ein Na- tivitaͤt aus dem Geſtirne zu ſtellen/ und vorzugeben/ es habe nicht anders ſeyn koͤnnen/ Chriſtus habe muͤſſen/ vermoͤge des Lauffs ſeines Geburths- Geſtirns/ eines gewaltſamen Todes ſterben. (vid. Bald. caſ. conſc. p. 787.) Allein/ ſo wenig Jonathan und unſer ſel. Verſtorbene ihre Todes-Stun- de wuſten/ ſondern ſie uͤberfiel ſie ploͤtzlich und unverhofft; ſo wenig koͤn- nen auch dieſe Stern-Seher der Menſchen Todes-Stunde wiſſen und beſchrei- 2. Elenchti- cus.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/392439
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/392439/31
Zitationshilfe: Arnold, Johannes: Die Bittere Klage über den Erschlagenen in meinem Volck. Pirna, 1713, S. 31. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/392439/31>, abgerufen am 19.04.2024.