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Arnold, Johannes: Die Bittere Klage über den Erschlagenen in meinem Volck. Pirna, 1713.

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Die bittere Klage
Es steht alles in dein'm Gericht/
Du siehst mein letztes Ende.

Hat es auch nach seinem heiligen weisen Rath also beschlossen/ daß uns der
Todt gewiß/ die Todtes-Stunde aber ungewiß seyn soll/ damit wir nicht
sicher in Tag hinein leben/ sondern täglich darzu bereit seyn sollen. Von
Hannibal/ dem tapffern Helden/ lieset man/ daß er sich niemahls anders/ als
in seinem Harnisch/ zur Ruhe begeben/ und seine Obersten um sich wachen
lassen/ damit er allezeit seinem unverhofften und wachsamen Feinde/ dem
Scipioni Africano, pastant seyn und widerstehen möge. (vid. Botsac. Mo-
ral. p.
654.) Eben das will der grosse GOtt auch von uns Menschen mit
der ungewissen Todtes-Stunde haben/ wir sollen uns täglich mit dem Helm
des Heils und dem Schwerdt des Geistes/ das ist/ dem Worte GOttes/
Glauben an JEsum/ und einem andächtigen Gebete zu GOtt um ein seli-
ges Ende bereiten/ und seuffzen: Lieber HErr GOtt weck uns auf/ daß wir
bereit seyn/ wenn dein lieber Sohn kömmt/ ihn mit Freuden zu empfahen/
und dir mit reinem Hertzen zu dienen/ auff daß/ wenn das böse Stündlein
kömmt/ wir alles wohl ausrichten/ und das Feld behalten mögen/ (Eph. VI, 13.)
Augustinus
schreibet deswegen: Qvoniam mors ubiqvete expectat; &
tu si sapiens fueris, eam expectabis;
weil der Todt unser allenthalben
wartet/ so sollen auch wir seiner allenthalben warten und bereit seyn. (vid.
Aug. Libr. de Spir. & Anim. c. 51. & Botsac. Moral. p.
652.) Oder wie es
anderweit heist:

Latet unus dies, ut observentur omnes.
Ein Tag (scil. Todes-Tag) ist uns verborgen/
Damit wir ja für alle sorgen.

Wollen wir uns auch etwan allzusehr über den Verlust und Absterben der
lieben Unserigen betrüben/ und mit David seuffzen: Es ist mir leid um
dich mein Bruder Jonathan;
oder mit Jacob und Rahel gar nicht trö-
sten lassen/ sondern in diese betrübte Worte heraus brechen: Wir werden
mit Hertzeleid hinunter fahren in die Grube zu unserm selig-Verstorbenen/
[Gen. XXXIX, 35.] und denenselben gleichsam dieses Epitaphium, wel-
ches der gelehrte Chytraeus in Cimbrischen Monumentis gefunden/ auff-
richten/ und also lautet:

Moerentum hic Locus est, procul hinc abscedite laeti.
Moerentum hae Lux est, huc vos accedite tristes.
Hier klaget jederman/ weg/ was in Lust sich übet/
Hier ist ein Klage-Tag/ kommt her/ wer sich betrübet.
(Vid.
Die bittere Klage
Es ſteht alles in dein’m Gericht/
Du ſiehſt mein letztes Ende.

Hat es auch nach ſeinem heiligen weiſen Rath alſo beſchloſſen/ daß uns der
Todt gewiß/ die Todtes-Stunde aber ungewiß ſeyn ſoll/ damit wir nicht
ſicher in Tag hinein leben/ ſondern taͤglich darzu bereit ſeyn ſollen. Von
Hannibal/ dem tapffern Helden/ lieſet man/ daß er ſich niemahls anders/ als
in ſeinem Harniſch/ zur Ruhe begeben/ und ſeine Oberſten um ſich wachen
laſſen/ damit er allezeit ſeinem unverhofften und wachſamen Feinde/ dem
Scipioni Africano, paſtant ſeyn und widerſtehen moͤge. (vid. Botſac. Mo-
ral. p.
654.) Eben das will der groſſe GOtt auch von uns Menſchen mit
der ungewiſſen Todtes-Stunde haben/ wir ſollen uns taͤglich mit dem Helm
des Heils und dem Schwerdt des Geiſtes/ das iſt/ dem Worte GOttes/
Glauben an JEſum/ und einem andaͤchtigen Gebete zu GOtt um ein ſeli-
ges Ende bereiten/ und ſeuffzen: Lieber HErr GOtt weck uns auf/ daß wir
bereit ſeyn/ wenn dein lieber Sohn koͤmmt/ ihn mit Freuden zu empfahen/
und dir mit reinem Hertzen zu dienen/ auff daß/ wenn das boͤſe Stuͤndlein
koͤm̃t/ wir alles wohl ausrichten/ und das Feld behalten moͤgen/ (Eph. VI, 13.)
Auguſtinus
ſchreibet deswegen: Qvoniam mors ubiqvete expectat; &
tu ſi ſapiens fueris, eam expectabis;
weil der Todt unſer allenthalben
wartet/ ſo ſollen auch wir ſeiner allenthalben warten und bereit ſeyn. (vid.
Aug. Libr. de Spir. & Anim. c. 51. & Botſac. Moral. p.
652.) Oder wie es
anderweit heiſt:

Latet unus dies, ut obſerventur omnes.
Ein Tag (ſcil. Todes-Tag) iſt uns verborgen/
Damit wir ja fuͤr alle ſorgen.

Wollen wir uns auch etwan allzuſehr uͤber den Verluſt und Abſterben der
lieben Unſerigen betruͤben/ und mit David ſeuffzen: Es iſt mir leid um
dich mein Bruder Jonathan;
oder mit Jacob und Rahel gar nicht troͤ-
ſten laſſen/ ſondern in dieſe betruͤbte Worte heraus brechen: Wir werden
mit Hertzeleid hinunter fahren in die Grube zu unſerm ſelig-Verſtorbenen/
[Gen. XXXIX, 35.] und denenſelben gleichſam dieſes Epitaphium, wel-
ches der gelehrte Chytræus in Cimbriſchen Monumentis gefunden/ auff-
richten/ und alſo lautet:

Mœrentum hic Locus eſt, procul hinc abſcedite læti.
Mœrentum hæ Lux eſt, huc vos accedite triſtes.
Hier klaget jederman/ weg/ was in Luſt ſich uͤbet/
Hier iſt ein Klage-Tag/ kommt her/ wer ſich betruͤbet.
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[42/0042] Die bittere Klage Es ſteht alles in dein’m Gericht/ Du ſiehſt mein letztes Ende. Hat es auch nach ſeinem heiligen weiſen Rath alſo beſchloſſen/ daß uns der Todt gewiß/ die Todtes-Stunde aber ungewiß ſeyn ſoll/ damit wir nicht ſicher in Tag hinein leben/ ſondern taͤglich darzu bereit ſeyn ſollen. Von Hannibal/ dem tapffern Helden/ lieſet man/ daß er ſich niemahls anders/ als in ſeinem Harniſch/ zur Ruhe begeben/ und ſeine Oberſten um ſich wachen laſſen/ damit er allezeit ſeinem unverhofften und wachſamen Feinde/ dem Scipioni Africano, paſtant ſeyn und widerſtehen moͤge. (vid. Botſac. Mo- ral. p. 654.) Eben das will der groſſe GOtt auch von uns Menſchen mit der ungewiſſen Todtes-Stunde haben/ wir ſollen uns taͤglich mit dem Helm des Heils und dem Schwerdt des Geiſtes/ das iſt/ dem Worte GOttes/ Glauben an JEſum/ und einem andaͤchtigen Gebete zu GOtt um ein ſeli- ges Ende bereiten/ und ſeuffzen: Lieber HErr GOtt weck uns auf/ daß wir bereit ſeyn/ wenn dein lieber Sohn koͤmmt/ ihn mit Freuden zu empfahen/ und dir mit reinem Hertzen zu dienen/ auff daß/ wenn das boͤſe Stuͤndlein koͤm̃t/ wir alles wohl ausrichten/ und das Feld behalten moͤgen/ (Eph. VI, 13.) Auguſtinus ſchreibet deswegen: Qvoniam mors ubiqvete expectat; & tu ſi ſapiens fueris, eam expectabis; weil der Todt unſer allenthalben wartet/ ſo ſollen auch wir ſeiner allenthalben warten und bereit ſeyn. (vid. Aug. Libr. de Spir. & Anim. c. 51. & Botſac. Moral. p. 652.) Oder wie es anderweit heiſt: Latet unus dies, ut obſerventur omnes. Ein Tag (ſcil. Todes-Tag) iſt uns verborgen/ Damit wir ja fuͤr alle ſorgen. Wollen wir uns auch etwan allzuſehr uͤber den Verluſt und Abſterben der lieben Unſerigen betruͤben/ und mit David ſeuffzen: Es iſt mir leid um dich mein Bruder Jonathan; oder mit Jacob und Rahel gar nicht troͤ- ſten laſſen/ ſondern in dieſe betruͤbte Worte heraus brechen: Wir werden mit Hertzeleid hinunter fahren in die Grube zu unſerm ſelig-Verſtorbenen/ [Gen. XXXIX, 35.] und denenſelben gleichſam dieſes Epitaphium, wel- ches der gelehrte Chytræus in Cimbriſchen Monumentis gefunden/ auff- richten/ und alſo lautet: Mœrentum hic Locus eſt, procul hinc abſcedite læti. Mœrentum hæ Lux eſt, huc vos accedite triſtes. Hier klaget jederman/ weg/ was in Luſt ſich uͤbet/ Hier iſt ein Klage-Tag/ kommt her/ wer ſich betruͤbet. (Vid.

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Zitationshilfe: Arnold, Johannes: Die Bittere Klage über den Erschlagenen in meinem Volck. Pirna, 1713, S. 42. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/392439/42>, abgerufen am 23.04.2024.