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Alapin, Simon: Zum Kapitel Frauen-Wahlrecht. Heidelberg, 1917.

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Einfluss auszuüben, bezw. seinen politischen Willen
eventuell auch mit Gewalt durchzusetzen. Diese Einwen-
dung erweist sich jedoch als wenig stichhaltig, wenn man
auf die Sache näher und psychologisch tiefer eingeht.
Ueber Musse, physische Kraft und eigensinnigen Wil-
len
verfügt auch z. B. ein Ochse. Deshalb allein ist er
noch gar nicht im Stande, selbst auf den kleinen, kaum
mit einer Rute bewaffneten Hirtenknaben der Herde
irgend einen nennenswerten "Einfluss" auszuüben. So
drastisch diese Analogie auch erscheinen mag, sie ist ge-
eignet, den Kern der Angelegenheit aufzudecken. Der
Hund liegt nämlich im Begriffe "Wille" begraben. Wir
sind gewöhnlich zum Irrtume geneigt, sich den letzteren
als etwas spontan und von ungefähr sich selbst Erzeugen-
des aufzufassen. In Wirklichkeit jedoch ist der Inhalt
des "Willens" nur eine, wenn auch nicht immer berechen-
bare oder vorauszusagende, psychologische Resultante
diverser auf den Geist einwirkenden Kräfte, welche in
hohem Masse in den durch die Erziehung kul-
tivierten Veranlagungen und in der geistigen Um-
gebung
des wollenden Subjektes zu suchen sind.
Nun ist es gewöhnlich nur die Mutter, die in der
zartesten Jugend ihrer Kinder sich mit deren Er-
ziehung
befasst und ihnen die Keime ihrer künf-
tigen Veranlagung in die Seele unauswischbar hin-
einpflanzt. Als Ehefrau oder als Geliebte bildet dann wie-
derum das Weib diejenige Umgebung des Mannes, die
in seinem teuersten und heiligsten Heime schaltet und wal-
tet, wo er zur erholenden Erquickung, vom Kampfe des
Daseins ermüdet. Zuflucht sucht, um dort als Mensch und
Vater seinen menschlichen Gefühlen zu leben. Wer kann
sich also ernstlich erdreisten, zu behaupten, dass die Müt-
ter, die Ehefrauen und die Geliebten, weil sie physisch
weniger kräftig sind, den sogenannten freien (?) "Wil-

Einfluss auszuüben, bezw. seinen politischen Willen
eventuell auch mit Gewalt durchzusetzen. Diese Einwen-
dung erweist sich jedoch als wenig stichhaltig, wenn man
auf die Sache näher und psychologisch tiefer eingeht.
Ueber Musse, physische Kraft und eigensinnigen Wil-
len
verfügt auch z. B. ein Ochse. Deshalb allein ist er
noch gar nicht im Stande, selbst auf den kleinen, kaum
mit einer Rute bewaffneten Hirtenknaben der Herde
irgend einen nennenswerten „Einfluss“ auszuüben. So
drastisch diese Analogie auch erscheinen mag, sie ist ge-
eignet, den Kern der Angelegenheit aufzudecken. Der
Hund liegt nämlich im Begriffe „Wille“ begraben. Wir
sind gewöhnlich zum Irrtume geneigt, sich den letzteren
als etwas spontan und von ungefähr sich selbst Erzeugen-
des aufzufassen. In Wirklichkeit jedoch ist der Inhalt
des „Willens“ nur eine, wenn auch nicht immer berechen-
bare oder vorauszusagende, psychologische Resultante
diverser auf den Geist einwirkenden Kräfte, welche in
hohem Masse in den durch die Erziehung kul-
tivierten Veranlagungen und in der geistigen Um-
gebung
des wollenden Subjektes zu suchen sind.
Nun ist es gewöhnlich nur die Mutter, die in der
zartesten Jugend ihrer Kinder sich mit deren Er-
ziehung
befasst und ihnen die Keime ihrer künf-
tigen Veranlagung in die Seele unauswischbar hin-
einpflanzt. Als Ehefrau oder als Geliebte bildet dann wie-
derum das Weib diejenige Umgebung des Mannes, die
in seinem teuersten und heiligsten Heime schaltet und wal-
tet, wo er zur erholenden Erquickung, vom Kampfe des
Daseins ermüdet. Zuflucht sucht, um dort als Mensch und
Vater seinen menschlichen Gefühlen zu leben. Wer kann
sich also ernstlich erdreisten, zu behaupten, dass die Müt-
ter, die Ehefrauen und die Geliebten, weil sie physisch
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[14/0016] Einfluss auszuüben, bezw. seinen politischen Willen eventuell auch mit Gewalt durchzusetzen. Diese Einwen- dung erweist sich jedoch als wenig stichhaltig, wenn man auf die Sache näher und psychologisch tiefer eingeht. Ueber Musse, physische Kraft und eigensinnigen Wil- len verfügt auch z. B. ein Ochse. Deshalb allein ist er noch gar nicht im Stande, selbst auf den kleinen, kaum mit einer Rute bewaffneten Hirtenknaben der Herde irgend einen nennenswerten „Einfluss“ auszuüben. So drastisch diese Analogie auch erscheinen mag, sie ist ge- eignet, den Kern der Angelegenheit aufzudecken. Der Hund liegt nämlich im Begriffe „Wille“ begraben. Wir sind gewöhnlich zum Irrtume geneigt, sich den letzteren als etwas spontan und von ungefähr sich selbst Erzeugen- des aufzufassen. In Wirklichkeit jedoch ist der Inhalt des „Willens“ nur eine, wenn auch nicht immer berechen- bare oder vorauszusagende, psychologische Resultante diverser auf den Geist einwirkenden Kräfte, welche in hohem Masse in den durch die Erziehung kul- tivierten Veranlagungen und in der geistigen Um- gebung des wollenden Subjektes zu suchen sind. Nun ist es gewöhnlich nur die Mutter, die in der zartesten Jugend ihrer Kinder sich mit deren Er- ziehung befasst und ihnen die Keime ihrer künf- tigen Veranlagung in die Seele unauswischbar hin- einpflanzt. Als Ehefrau oder als Geliebte bildet dann wie- derum das Weib diejenige Umgebung des Mannes, die in seinem teuersten und heiligsten Heime schaltet und wal- tet, wo er zur erholenden Erquickung, vom Kampfe des Daseins ermüdet. Zuflucht sucht, um dort als Mensch und Vater seinen menschlichen Gefühlen zu leben. Wer kann sich also ernstlich erdreisten, zu behaupten, dass die Müt- ter, die Ehefrauen und die Geliebten, weil sie physisch weniger kräftig sind, den sogenannten freien (?) „Wil-

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Texte der ersten Frauenbewegung, betreut von Anna Pfundt und Thomas Gloning, JLU Gießen: Bereitstellung der Texttranskription. (2018-12-05T17:48:32Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Anna Pfundt: Bearbeitung der digitalen Edition. (2018-12-05T17:48:32Z)

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Zitationshilfe: Alapin, Simon: Zum Kapitel Frauen-Wahlrecht. Heidelberg, 1917, S. 14. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alapin_kapitel_1917/16>, abgerufen am 28.03.2024.