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Altmann, Richard: Die Elementarorganismen und ihre Beziehungen zu den Zellen. Leipzig, 1890.

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VII
Die Genese der Zelle.1

Es ist ein Axiom biologischer Anschauungen, dass alles
organische Leben sieh an die Form der Zelle binde, darum hat
man auch überall, wo vitale Eigenschaften sich geltend mach¬
ten, den Begriff der Zelle supponirt. Man spricht von der Bac¬
terienzelle, wie man von einer Eizelle spricht, und es gilt die
Zelle als die morphologische Einheit, innerhalb deren sich die
Kräfte des lebenden Protoplasmas bethätigen.

Die Schwierigkeiten, welche dieses morphologische Schema
bereitet, zeigen sich bereits in der Frage, was denn Alles zur
Definition der Zelle nothwendig sei. Es scheint wirklich kern¬
lose Cytoden, kernlose Plasmodien zu geben: innerhalb des
grossen Protozoenreiches giebt es mancherlei Formen, die nicht
In das Zellenschema hineinpassen, und wenn wir gar jene klein¬
sten Lebewesen, die Mikroorganismen in Betracht ziehen, so
finden wir daselbst wohl eine hohe vitale Energie, von dem
aber, was wir sonst einer Zelle zuzumuthen pflegen, sehen wir
nichts, und jene Entschuldigung, dass die Details der Structur
hier durch die Kleinheit des Elementes verdeckt werden, ver¬
mag uns nicht für den Mangel eines thatsächlichen Materials
zu entschädigen. Es giebt vielleicht mehr organisirte Ge¬
bilde
, welche keine Zellen sind, als solche, welche die¬
sen Namen auf Grund Ihrer Eigenschaften verdienen
.

Die Individualität der Zelle und ihre hohe Bedeutung für
die Auffassung des organischen Lebens kann natürlich nicht
geleugnet werden. Wir werden daher auch keinen Gegensatz
zwischen Zelle und Nichtzelle erstreben, wohl aber werden wir

1 Vergl. meine Abhandlung in der Festschrift für Carl Ludwig. Leip¬
zig 1887.
VII
Die Genese der Zelle.1

Es ist ein Axiom biologischer Anschauungen, dass alles
organische Leben sieh an die Form der Zelle binde, darum hat
man auch überall, wo vitale Eigenschaften sich geltend mach¬
ten, den Begriff der Zelle supponirt. Man spricht von der Bac¬
terienzelle, wie man von einer Eizelle spricht, und es gilt die
Zelle als die morphologische Einheit, innerhalb deren sich die
Kräfte des lebenden Protoplasmas bethätigen.

Die Schwierigkeiten, welche dieses morphologische Schema
bereitet, zeigen sich bereits in der Frage, was denn Alles zur
Definition der Zelle nothwendig sei. Es scheint wirklich kern¬
lose Cytoden, kernlose Plasmodien zu geben: innerhalb des
grossen Protozoenreiches giebt es mancherlei Formen, die nicht
In das Zellenschema hineinpassen, und wenn wir gar jene klein¬
sten Lebewesen, die Mikroorganismen in Betracht ziehen, so
finden wir daselbst wohl eine hohe vitale Energie, von dem
aber, was wir sonst einer Zelle zuzumuthen pflegen, sehen wir
nichts, und jene Entschuldigung, dass die Details der Structur
hier durch die Kleinheit des Elementes verdeckt werden, ver¬
mag uns nicht für den Mangel eines thatsächlichen Materials
zu entschädigen. Es giebt vielleicht mehr organisirte Ge¬
bilde
, welche keine Zellen sind, als solche, welche die¬
sen Namen auf Grund Ihrer Eigenschaften verdienen
.

Die Individualität der Zelle und ihre hohe Bedeutung für
die Auffassung des organischen Lebens kann natürlich nicht
geleugnet werden. Wir werden daher auch keinen Gegensatz
zwischen Zelle und Nichtzelle erstreben, wohl aber werden wir

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zig 1887.
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[[123]/0139] VII Die Genese der Zelle. 1 Es ist ein Axiom biologischer Anschauungen, dass alles organische Leben sieh an die Form der Zelle binde, darum hat man auch überall, wo vitale Eigenschaften sich geltend mach¬ ten, den Begriff der Zelle supponirt. Man spricht von der Bac¬ terienzelle, wie man von einer Eizelle spricht, und es gilt die Zelle als die morphologische Einheit, innerhalb deren sich die Kräfte des lebenden Protoplasmas bethätigen. Die Schwierigkeiten, welche dieses morphologische Schema bereitet, zeigen sich bereits in der Frage, was denn Alles zur Definition der Zelle nothwendig sei. Es scheint wirklich kern¬ lose Cytoden, kernlose Plasmodien zu geben: innerhalb des grossen Protozoenreiches giebt es mancherlei Formen, die nicht In das Zellenschema hineinpassen, und wenn wir gar jene klein¬ sten Lebewesen, die Mikroorganismen in Betracht ziehen, so finden wir daselbst wohl eine hohe vitale Energie, von dem aber, was wir sonst einer Zelle zuzumuthen pflegen, sehen wir nichts, und jene Entschuldigung, dass die Details der Structur hier durch die Kleinheit des Elementes verdeckt werden, ver¬ mag uns nicht für den Mangel eines thatsächlichen Materials zu entschädigen. Es giebt vielleicht mehr organisirte Ge¬ bilde, welche keine Zellen sind, als solche, welche die¬ sen Namen auf Grund Ihrer Eigenschaften verdienen. Die Individualität der Zelle und ihre hohe Bedeutung für die Auffassung des organischen Lebens kann natürlich nicht geleugnet werden. Wir werden daher auch keinen Gegensatz zwischen Zelle und Nichtzelle erstreben, wohl aber werden wir 1 Vergl. meine Abhandlung in der Festschrift für Carl Ludwig. Leip¬ zig 1887.

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Zitationshilfe: Altmann, Richard: Die Elementarorganismen und ihre Beziehungen zu den Zellen. Leipzig, 1890, S. [123]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/altmann_elementarorganismen_1890/139>, abgerufen am 19.04.2024.