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Altmann, Richard: Die Elementarorganismen und ihre Beziehungen zu den Zellen. Leipzig, 1890.

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Die Geschichte der Zellengranula.
bei den charakteristischen Ausdruck, dass die Faser für die
Physiologen das sei, was die Linie für den Geometer.

"Im Laufe des letzten Jahrzehntes vom vorigen Jahrhundert
begann indess schon eine gewisse Reaction gegen diese Faser¬
lehre und in der Schule der Naturphilosophen kam frühzeitig
ein anderes Element zu Ehren, das aber in einer viel mehr
speculativen Weise begründet wurde, nämlich das Kügelchen.
Während die Einen immer noch an der Faser festhielten, so
glaubten Andere, wie in der späteren Zeit noch Milne Edwards,
so weit gehen zu dürfen, auch die Faser wieder aus linear
aufgereihten Kügelchen zusammengesetzt zu denken. Diese Auf¬
fassung ist zum Theil hervorgegangen aus optischen Täuschungen
bei der mikroskopischen Beobachtung. Die schlechte Methode,
welche während des ganzen vorigen Jahrhunderts und eines
Theiles des gegenwärtigen bestand, dass man mit mässigen In¬
strumenten im vollen Sonnenlicht beobachtete, brachte fast in
allen mikroskopischen Objecten eine gewisse Dispersion des
Lichtes und der Beobachter bekam den Eindruck, als sähe er
weiter nichts als Kügelchen. Andererseits entsprach aber auch
diese Anschauung den naturphilosophischen Vorstellungen von
der ersten Entstehung alles Geformten.

"Diese Kügelchen (Körnchen, Granula, Moleküle) haben
sich sonderbarer Weise bis in die moderne Histologie hinein
erhalten und es gab bis vor Kurzem wenige histologische Werke,
welche nicht mit den Elementarkörnchen anfingen. Hier und
da sind noch vor nicht langer Zeit diese Ansichten von der
Kugelnatur der Elementartheilchen so überwiegend gewesen,
dass auf sie die Zusammensetzung, sowohl der ersten Gewebe
im Embryo, als auch der späteren begründet wurde. Man
dachte sich, dass eine Zelle in der Weise entstände, dass die
Kügelchen sich sphärisch zur Membran ordneten, innerhalb
deren sich andere Kügelchen als Inhalt erhielten. Noch von
Baumgärtner und Arnold ist in diesem Sinne gegen die Zellen¬
theorie gekämpft worden.

"In einer gewissen Weise hat diese Auffassung in der Ent¬
wickelungsgeschichte eine Stütze gefunden, in der sogenannten
Umhüllungstheorie (Henle). Danach dachte man sich, dass,
während ursprünglich eine Menge von Elementarkügelchen zer¬

Die Geschichte der Zellengranula.
bei den charakteristischen Ausdruck, dass die Faser für die
Physiologen das sei, was die Linie für den Geometer.

„Im Laufe des letzten Jahrzehntes vom vorigen Jahrhundert
begann indess schon eine gewisse Reaction gegen diese Faser¬
lehre und in der Schule der Naturphilosophen kam frühzeitig
ein anderes Element zu Ehren, das aber in einer viel mehr
speculativen Weise begründet wurde, nämlich das Kügelchen.
Während die Einen immer noch an der Faser festhielten, so
glaubten Andere, wie in der späteren Zeit noch Milne Edwards,
so weit gehen zu dürfen, auch die Faser wieder aus linear
aufgereihten Kügelchen zusammengesetzt zu denken. Diese Auf¬
fassung ist zum Theil hervorgegangen aus optischen Täuschungen
bei der mikroskopischen Beobachtung. Die schlechte Methode,
welche während des ganzen vorigen Jahrhunderts und eines
Theiles des gegenwärtigen bestand, dass man mit mässigen In¬
strumenten im vollen Sonnenlicht beobachtete, brachte fast in
allen mikroskopischen Objecten eine gewisse Dispersion des
Lichtes und der Beobachter bekam den Eindruck, als sähe er
weiter nichts als Kügelchen. Andererseits entsprach aber auch
diese Anschauung den naturphilosophischen Vorstellungen von
der ersten Entstehung alles Geformten.

„Diese Kügelchen (Körnchen, Granula, Moleküle) haben
sich sonderbarer Weise bis in die moderne Histologie hinein
erhalten und es gab bis vor Kurzem wenige histologische Werke,
welche nicht mit den Elementarkörnchen anfingen. Hier und
da sind noch vor nicht langer Zeit diese Ansichten von der
Kugelnatur der Elementartheilchen so überwiegend gewesen,
dass auf sie die Zusammensetzung, sowohl der ersten Gewebe
im Embryo, als auch der späteren begründet wurde. Man
dachte sich, dass eine Zelle in der Weise entstände, dass die
Kügelchen sich sphärisch zur Membran ordneten, innerhalb
deren sich andere Kügelchen als Inhalt erhielten. Noch von
Baumgärtner und Arnold ist in diesem Sinne gegen die Zellen¬
theorie gekämpft worden.

„In einer gewissen Weise hat diese Auffassung in der Ent¬
wickelungsgeschichte eine Stütze gefunden, in der sogenannten
Umhüllungstheorie (Henle). Danach dachte man sich, dass,
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[6/0022] Die Geschichte der Zellengranula. bei den charakteristischen Ausdruck, dass die Faser für die Physiologen das sei, was die Linie für den Geometer. „Im Laufe des letzten Jahrzehntes vom vorigen Jahrhundert begann indess schon eine gewisse Reaction gegen diese Faser¬ lehre und in der Schule der Naturphilosophen kam frühzeitig ein anderes Element zu Ehren, das aber in einer viel mehr speculativen Weise begründet wurde, nämlich das Kügelchen. Während die Einen immer noch an der Faser festhielten, so glaubten Andere, wie in der späteren Zeit noch Milne Edwards, so weit gehen zu dürfen, auch die Faser wieder aus linear aufgereihten Kügelchen zusammengesetzt zu denken. Diese Auf¬ fassung ist zum Theil hervorgegangen aus optischen Täuschungen bei der mikroskopischen Beobachtung. Die schlechte Methode, welche während des ganzen vorigen Jahrhunderts und eines Theiles des gegenwärtigen bestand, dass man mit mässigen In¬ strumenten im vollen Sonnenlicht beobachtete, brachte fast in allen mikroskopischen Objecten eine gewisse Dispersion des Lichtes und der Beobachter bekam den Eindruck, als sähe er weiter nichts als Kügelchen. Andererseits entsprach aber auch diese Anschauung den naturphilosophischen Vorstellungen von der ersten Entstehung alles Geformten. „Diese Kügelchen (Körnchen, Granula, Moleküle) haben sich sonderbarer Weise bis in die moderne Histologie hinein erhalten und es gab bis vor Kurzem wenige histologische Werke, welche nicht mit den Elementarkörnchen anfingen. Hier und da sind noch vor nicht langer Zeit diese Ansichten von der Kugelnatur der Elementartheilchen so überwiegend gewesen, dass auf sie die Zusammensetzung, sowohl der ersten Gewebe im Embryo, als auch der späteren begründet wurde. Man dachte sich, dass eine Zelle in der Weise entstände, dass die Kügelchen sich sphärisch zur Membran ordneten, innerhalb deren sich andere Kügelchen als Inhalt erhielten. Noch von Baumgärtner und Arnold ist in diesem Sinne gegen die Zellen¬ theorie gekämpft worden. „In einer gewissen Weise hat diese Auffassung in der Ent¬ wickelungsgeschichte eine Stütze gefunden, in der sogenannten Umhüllungstheorie (Henle). Danach dachte man sich, dass, während ursprünglich eine Menge von Elementarkügelchen zer¬

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Zitationshilfe: Altmann, Richard: Die Elementarorganismen und ihre Beziehungen zu den Zellen. Leipzig, 1890, S. 6. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/altmann_elementarorganismen_1890/22>, abgerufen am 29.03.2024.