Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Andolt, Ernst [d. i. Bernhard Abeken]: Eine Nacht. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 22. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 211–287. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

so weit, um die leuchtenden Wahrzeichen dort oben auszulöschen! O gütiger Gott, wenn auch mein Herz einst kälter schlagen und für Vieles absterben wird, erhalte mir wenigstens bis zum letzten Athemzuge diese reine, erfrischende Freude an Deinen Werken!

Der Wald lichtete sich; wir fuhren durch ein Thor, dann durch eine Allee, an deren Ende sich einige erleuchtete Fenster zeigten. In einigen Secunden hielt der Wagen vor einem weiten, schloßartigen Gebäude. Eine Hünengestalt von Diener öffnete den Schlag. Ich ordnete so gut als möglich im Dunklen meine Toilette und stieg aus. Ich betrat eine weite mit Hirschköpfen und anderen Jagdemblemen geschmückte Hausflur; der Hüne ergriff einen schweren messingenen Armleuchter und schritt mir schweigend voraus eine breite Treppe hinauf, dann durch einen Corridor, an dessen Ende sich eine Thür öffnete, aus der mir ein Mann entgegentrat.

Es war eben ein Mann: sein Gesicht, seine Gestalt, Alles an ihm sprach Kraft und Entschiedenheit aus; er trug einen kurzen grünen Sammetrock und schwarze Unterkleider.

Seien Sie mir willkommen! sagte er mit ernster Herzlichkeit, indem er mich durch eine Bewegung einlud, in das Cabinet zu treten, während der Diener sich entfernte.

In dem kleinen Zimmer, dessen einziges hohes Fenster mit schweren blausammtnen Gardinen verhangen war, verbreitete eine in einem großen Kamin lodernde Flamme behagliche Wärme. Ein in der Ecke befindlicher Schreibtisch war mit Briefen und Papierstößen bedeckt; einige Reihen Bücher ragten darüber empor und über diesen auf einer Console die broncene Büste Friedrich's des Großen. Ueber dem Kamin hing ein altes Gemälde, das Brustbild eines Ritters darstellend. Eine halb geöffnete Seitenthür führte in ein anderes Zimmer.

Glückliche Reise gehabt?

so weit, um die leuchtenden Wahrzeichen dort oben auszulöschen! O gütiger Gott, wenn auch mein Herz einst kälter schlagen und für Vieles absterben wird, erhalte mir wenigstens bis zum letzten Athemzuge diese reine, erfrischende Freude an Deinen Werken!

Der Wald lichtete sich; wir fuhren durch ein Thor, dann durch eine Allee, an deren Ende sich einige erleuchtete Fenster zeigten. In einigen Secunden hielt der Wagen vor einem weiten, schloßartigen Gebäude. Eine Hünengestalt von Diener öffnete den Schlag. Ich ordnete so gut als möglich im Dunklen meine Toilette und stieg aus. Ich betrat eine weite mit Hirschköpfen und anderen Jagdemblemen geschmückte Hausflur; der Hüne ergriff einen schweren messingenen Armleuchter und schritt mir schweigend voraus eine breite Treppe hinauf, dann durch einen Corridor, an dessen Ende sich eine Thür öffnete, aus der mir ein Mann entgegentrat.

Es war eben ein Mann: sein Gesicht, seine Gestalt, Alles an ihm sprach Kraft und Entschiedenheit aus; er trug einen kurzen grünen Sammetrock und schwarze Unterkleider.

Seien Sie mir willkommen! sagte er mit ernster Herzlichkeit, indem er mich durch eine Bewegung einlud, in das Cabinet zu treten, während der Diener sich entfernte.

In dem kleinen Zimmer, dessen einziges hohes Fenster mit schweren blausammtnen Gardinen verhangen war, verbreitete eine in einem großen Kamin lodernde Flamme behagliche Wärme. Ein in der Ecke befindlicher Schreibtisch war mit Briefen und Papierstößen bedeckt; einige Reihen Bücher ragten darüber empor und über diesen auf einer Console die broncene Büste Friedrich's des Großen. Ueber dem Kamin hing ein altes Gemälde, das Brustbild eines Ritters darstellend. Eine halb geöffnete Seitenthür führte in ein anderes Zimmer.

Glückliche Reise gehabt?

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0022"/>
so weit, um die leuchtenden Wahrzeichen dort oben      auszulöschen! O gütiger Gott, wenn auch mein Herz einst kälter schlagen und für Vieles      absterben wird, erhalte mir wenigstens bis zum letzten Athemzuge diese reine, erfrischende      Freude an Deinen Werken!</p><lb/>
        <p>Der Wald lichtete sich; wir fuhren durch ein Thor, dann durch eine Allee, an deren Ende sich      einige erleuchtete Fenster zeigten. In einigen Secunden hielt der Wagen vor einem weiten,      schloßartigen Gebäude. Eine Hünengestalt von Diener öffnete den Schlag. Ich ordnete so gut als      möglich im Dunklen meine Toilette und stieg aus. Ich betrat eine weite mit Hirschköpfen und      anderen Jagdemblemen geschmückte Hausflur; der Hüne ergriff einen schweren messingenen      Armleuchter und schritt mir schweigend voraus eine breite Treppe hinauf, dann durch einen      Corridor, an dessen Ende sich eine Thür öffnete, aus der mir ein Mann entgegentrat.</p><lb/>
        <p>Es war eben ein <hi rendition="#g">Mann</hi>: sein Gesicht, seine Gestalt, Alles an ihm sprach Kraft und      Entschiedenheit aus; er trug einen kurzen grünen Sammetrock und schwarze Unterkleider.</p><lb/>
        <p>Seien Sie mir willkommen! sagte er mit ernster Herzlichkeit, indem er mich durch eine      Bewegung einlud, in das Cabinet zu treten, während der Diener sich entfernte.</p><lb/>
        <p>In dem kleinen Zimmer, dessen einziges hohes Fenster mit schweren blausammtnen Gardinen      verhangen war, verbreitete eine in einem großen Kamin lodernde Flamme behagliche Wärme. Ein in      der Ecke befindlicher Schreibtisch war mit Briefen und Papierstößen bedeckt; einige Reihen      Bücher ragten darüber empor und über diesen auf einer Console die broncene Büste Friedrich's      des Großen. Ueber dem Kamin hing ein altes Gemälde, das Brustbild eines Ritters darstellend.      Eine halb geöffnete Seitenthür führte in ein anderes Zimmer.</p><lb/>
        <p>Glückliche Reise gehabt?</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0022] so weit, um die leuchtenden Wahrzeichen dort oben auszulöschen! O gütiger Gott, wenn auch mein Herz einst kälter schlagen und für Vieles absterben wird, erhalte mir wenigstens bis zum letzten Athemzuge diese reine, erfrischende Freude an Deinen Werken! Der Wald lichtete sich; wir fuhren durch ein Thor, dann durch eine Allee, an deren Ende sich einige erleuchtete Fenster zeigten. In einigen Secunden hielt der Wagen vor einem weiten, schloßartigen Gebäude. Eine Hünengestalt von Diener öffnete den Schlag. Ich ordnete so gut als möglich im Dunklen meine Toilette und stieg aus. Ich betrat eine weite mit Hirschköpfen und anderen Jagdemblemen geschmückte Hausflur; der Hüne ergriff einen schweren messingenen Armleuchter und schritt mir schweigend voraus eine breite Treppe hinauf, dann durch einen Corridor, an dessen Ende sich eine Thür öffnete, aus der mir ein Mann entgegentrat. Es war eben ein Mann: sein Gesicht, seine Gestalt, Alles an ihm sprach Kraft und Entschiedenheit aus; er trug einen kurzen grünen Sammetrock und schwarze Unterkleider. Seien Sie mir willkommen! sagte er mit ernster Herzlichkeit, indem er mich durch eine Bewegung einlud, in das Cabinet zu treten, während der Diener sich entfernte. In dem kleinen Zimmer, dessen einziges hohes Fenster mit schweren blausammtnen Gardinen verhangen war, verbreitete eine in einem großen Kamin lodernde Flamme behagliche Wärme. Ein in der Ecke befindlicher Schreibtisch war mit Briefen und Papierstößen bedeckt; einige Reihen Bücher ragten darüber empor und über diesen auf einer Console die broncene Büste Friedrich's des Großen. Ueber dem Kamin hing ein altes Gemälde, das Brustbild eines Ritters darstellend. Eine halb geöffnete Seitenthür führte in ein anderes Zimmer. Glückliche Reise gehabt?

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-14T12:28:07Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-14T12:28:07Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: nicht gekennzeichnet; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/andolt_nacht_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/andolt_nacht_1910/22
Zitationshilfe: Andolt, Ernst [d. i. Bernhard Abeken]: Eine Nacht. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 22. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 211–287. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/andolt_nacht_1910/22>, abgerufen am 28.03.2024.