Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Arnim, Achim von; Brentano, Clemens: Des Knaben Wunderhorn. Bd. 2. Heidelberg, 1808.

Bild:
<< vorherige Seite
Hör auf, hör auf, grober Bruder mein,
Es ist ja genug, das Kind ist nicht dein.
Es gehört ja dem König in Engeland zu!
"Ach hättst du es bälder gesaget nur!
Hätt ich fürwahr einen Schwager gehabt,
Ist dir noch zu helfen, mein Schwesterlein sags?
Warum wird es mir zu helfen seyn,
Man sieht auf Lung und Leber hinein!
Es stand nicht länger an als dritthalbe Tag,
Da war der König von England selber da.
"Willkommen, willkommen junger Markgraf mein,
Wo hast du dein adelich Schwesterlein klein.
Es liegt im kühlen Grab und da liegts,
Daß du es nimmermehr hier wiedersiehst.
Was zog der König? Sein glitzeriges Schwerdt,
Und stach es dem jungen Markgrafen durchs Herz.
Er stach es ins Herz, so tief als er kann;
"Sieh an das hast du deiner Schwester gethan.
Er nahm sein Kind froh in den Arm:
"Jezt hast keine Mutter mehr, daß Gott erbarm!"


Die wiedergefundene Königstochter.

(v. Seckendorfs Musenalmanach s. 1808, S. 29.)

Es hat ein König ein Töchterlein,
Mit Namen hieß es Annelein;
Es saß an einem Rainelein,
Las auf die kleinen Steinelein.

Hoͤr auf, hoͤr auf, grober Bruder mein,
Es iſt ja genug, das Kind iſt nicht dein.
Es gehoͤrt ja dem Koͤnig in Engeland zu!
„Ach haͤttſt du es baͤlder geſaget nur!
Haͤtt ich fuͤrwahr einen Schwager gehabt,
Iſt dir noch zu helfen, mein Schweſterlein ſags?
Warum wird es mir zu helfen ſeyn,
Man ſieht auf Lung und Leber hinein!
Es ſtand nicht laͤnger an als dritthalbe Tag,
Da war der Koͤnig von England ſelber da.
„Willkommen, willkommen junger Markgraf mein,
Wo haſt du dein adelich Schweſterlein klein.
Es liegt im kuͤhlen Grab und da liegts,
Daß du es nimmermehr hier wiederſiehſt.
Was zog der Koͤnig? Sein glitzeriges Schwerdt,
Und ſtach es dem jungen Markgrafen durchs Herz.
Er ſtach es ins Herz, ſo tief als er kann;
„Sieh an das haſt du deiner Schweſter gethan.
Er nahm ſein Kind froh in den Arm:
„Jezt haſt keine Mutter mehr, daß Gott erbarm!“


Die wiedergefundene Koͤnigstochter.

(v. Seckendorfs Muſenalmanach ſ. 1808, S. 29.)

Es hat ein Koͤnig ein Toͤchterlein,
Mit Namen hieß es Annelein;
Es ſaß an einem Rainelein,
Las auf die kleinen Steinelein.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <pb facs="#f0286" n="274"/>
            <lg n="17">
              <l>Ho&#x0364;r auf, ho&#x0364;r auf, grober Bruder mein,</l><lb/>
              <l>Es i&#x017F;t ja genug, das Kind i&#x017F;t nicht dein.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="18">
              <l>Es geho&#x0364;rt ja dem Ko&#x0364;nig in Engeland zu!</l><lb/>
              <l>&#x201E;Ach ha&#x0364;tt&#x017F;t du es ba&#x0364;lder ge&#x017F;aget nur!</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="19">
              <l>Ha&#x0364;tt ich fu&#x0364;rwahr einen Schwager gehabt,</l><lb/>
              <l>I&#x017F;t dir noch zu helfen, mein Schwe&#x017F;terlein &#x017F;ags?</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="20">
              <l>Warum wird es mir zu helfen &#x017F;eyn,</l><lb/>
              <l>Man &#x017F;ieht auf Lung und Leber hinein!</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="21">
              <l>Es &#x017F;tand nicht la&#x0364;nger an als dritthalbe Tag,</l><lb/>
              <l>Da war der Ko&#x0364;nig von England &#x017F;elber da.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="22">
              <l>&#x201E;Willkommen, willkommen junger Markgraf mein,</l><lb/>
              <l>Wo ha&#x017F;t du dein adelich Schwe&#x017F;terlein klein.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="23">
              <l>Es liegt im ku&#x0364;hlen Grab und da liegts,</l><lb/>
              <l>Daß du es nimmermehr hier wieder&#x017F;ieh&#x017F;t.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="24">
              <l>Was zog der Ko&#x0364;nig? Sein glitzeriges Schwerdt,</l><lb/>
              <l>Und &#x017F;tach es dem jungen Markgrafen durchs Herz.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="25">
              <l>Er &#x017F;tach es ins Herz, &#x017F;o tief als er kann;</l><lb/>
              <l>&#x201E;Sieh an das ha&#x017F;t du deiner Schwe&#x017F;ter gethan.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="26">
              <l>Er nahm &#x017F;ein Kind froh in den Arm:</l><lb/>
              <l>&#x201E;Jezt ha&#x017F;t keine Mutter mehr, daß Gott erbarm!&#x201C;</l>
            </lg>
          </lg>
        </div><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        <div n="2">
          <head>Die wiedergefundene Ko&#x0364;nigstochter.</head><lb/>
          <p rendition="#c">(v. Seckendorfs Mu&#x017F;enalmanach &#x017F;. 1808, S. 29.)</p><lb/>
          <lg type="poem">
            <lg n="1">
              <l><hi rendition="#in">E</hi>s hat ein Ko&#x0364;nig ein To&#x0364;chterlein,</l><lb/>
              <l>Mit Namen hieß es Annelein;</l><lb/>
              <l>Es &#x017F;aß an einem Rainelein,</l><lb/>
              <l>Las auf die kleinen Steinelein.</l>
            </lg><lb/>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[274/0286] Hoͤr auf, hoͤr auf, grober Bruder mein, Es iſt ja genug, das Kind iſt nicht dein. Es gehoͤrt ja dem Koͤnig in Engeland zu! „Ach haͤttſt du es baͤlder geſaget nur! Haͤtt ich fuͤrwahr einen Schwager gehabt, Iſt dir noch zu helfen, mein Schweſterlein ſags? Warum wird es mir zu helfen ſeyn, Man ſieht auf Lung und Leber hinein! Es ſtand nicht laͤnger an als dritthalbe Tag, Da war der Koͤnig von England ſelber da. „Willkommen, willkommen junger Markgraf mein, Wo haſt du dein adelich Schweſterlein klein. Es liegt im kuͤhlen Grab und da liegts, Daß du es nimmermehr hier wiederſiehſt. Was zog der Koͤnig? Sein glitzeriges Schwerdt, Und ſtach es dem jungen Markgrafen durchs Herz. Er ſtach es ins Herz, ſo tief als er kann; „Sieh an das haſt du deiner Schweſter gethan. Er nahm ſein Kind froh in den Arm: „Jezt haſt keine Mutter mehr, daß Gott erbarm!“ Die wiedergefundene Koͤnigstochter. (v. Seckendorfs Muſenalmanach ſ. 1808, S. 29.) Es hat ein Koͤnig ein Toͤchterlein, Mit Namen hieß es Annelein; Es ſaß an einem Rainelein, Las auf die kleinen Steinelein.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/arnim_wunderhorn02_1808
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/arnim_wunderhorn02_1808/286
Zitationshilfe: Arnim, Achim von; Brentano, Clemens: Des Knaben Wunderhorn. Bd. 2. Heidelberg, 1808, S. 274. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnim_wunderhorn02_1808/286>, abgerufen am 25.04.2024.