Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Arnim, Achim von; Brentano, Clemens: Des Knaben Wunderhorn. Bd. 2. Heidelberg, 1808.

Bild:
<< vorherige Seite

Mit leichter und mit ringer Gemüth
Laß ih dahinde mein uschuldig Geblüt,
Ich fahr us dieser Welt dahi
Us aller Noth erlediget bi." --



Der Färber. *)

(Mitgetheilt von H. v. Westenberg.)

Kummet her! kummet her ihr jungi Leut',
Und still und stille 'ne kleini Zeit,
Und höret was will i eu singe! --
Was dieß Johr sich begebe hat
Zu Miltau in der werthe Stadt,
So gar viel traurige Dinge.
Ein kunstreicher Mahler in dieser Stadt
Mit seiner Frauen erzoge hat
Ei' Tochter und die ist schö' bestellt,
Und sie ist billig zu lobe,
Es lobet sie nu jederma,
Ma' bhalt sie sehr in Ehre,
Sie schicket sie ind' Schul und Lehre,
Ka' schriben und lese nach Begehre,
Man brucht sie nit lang zu weise.
Jeztunter e' braune Färber kam,
Thät sie zur Eh' begehre.
Der Mahler sprach: "Es hat no' Zeit,
*) Der Dialekt, in der diese Romanzen gesungen wurden, ist nicht ganz
die ländliche Volkssprache -- des hauensteinischen Schwarzwalds;
sondern es ist die Volkssprache, die das Hochdeutsche zu sprechen affektirt.

Mit leichter und mit ringer Gemuͤth
Laß ih dahinde mein uſchuldig Gebluͤt,
Ich fahr us dieſer Welt dahi
Us aller Noth erlediget bi.“ —



Der Faͤrber. *)

(Mitgetheilt von H. v. Weſtenberg.)

Kummet her! kummet her ihr jungi Leut',
Und ſtill und ſtille 'ne kleini Zeit,
Und hoͤret was will i eu ſinge! —
Was dieß Johr ſich begebe hat
Zu Miltau in der werthe Stadt,
So gar viel traurige Dinge.
Ein kunſtreicher Mahler in dieſer Stadt
Mit ſeiner Frauen erzoge hat
Ei' Tochter und die iſt ſchoͤ' beſtellt,
Und ſie iſt billig zu lobe,
Es lobet ſie nu jederma,
Ma' bhalt ſie ſehr in Ehre,
Sie ſchicket ſie ind' Schul und Lehre,
Ka' ſchriben und leſe nach Begehre,
Man brucht ſie nit lang zu weiſe.
Jeztunter e' braune Faͤrber kam,
Thaͤt ſie zur Eh' begehre.
Der Mahler ſprach: „Es hat no' Zeit,
*) Der Dialekt, in der dieſe Romanzen geſungen wurden, iſt nicht ganz
die laͤndliche Volksſprache — des hauenſteiniſchen Schwarzwalds;
ſondern es iſt die Volksſprache, die das Hochdeutſche zu ſprechen affektirt.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <lg n="1">
              <pb facs="#f0310" n="298"/>
              <l>Mit leichter und mit ringer Gemu&#x0364;th</l><lb/>
              <l>Laß ih dahinde mein u&#x017F;chuldig Geblu&#x0364;t,</l><lb/>
              <l>Ich fahr us die&#x017F;er Welt dahi</l><lb/>
              <l>Us aller Noth erlediget bi.&#x201C; &#x2014;</l>
            </lg>
          </lg>
        </div><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        <div n="2">
          <head><hi rendition="#g">Der Fa&#x0364;rber</hi>. <note place="foot" n="*)">Der Dialekt, in der die&#x017F;e Romanzen ge&#x017F;ungen wurden, i&#x017F;t nicht ganz<lb/>
die la&#x0364;ndliche Volks&#x017F;prache &#x2014; des <hi rendition="#g">hauen&#x017F;teini&#x017F;chen</hi> Schwarzwalds;<lb/>
&#x017F;ondern es i&#x017F;t die Volks&#x017F;prache, die das Hochdeut&#x017F;che zu &#x017F;prechen affektirt.</note></head><lb/>
          <p rendition="#c">(Mitgetheilt von H. v. We&#x017F;tenberg.)</p><lb/>
          <lg type="poem">
            <lg n="1">
              <l><hi rendition="#in">K</hi>ummet her! kummet her ihr jungi Leut',</l><lb/>
              <l>Und &#x017F;till und &#x017F;tille 'ne kleini Zeit,</l><lb/>
              <l>Und ho&#x0364;ret was will i eu &#x017F;inge! &#x2014;</l><lb/>
              <l>Was dieß Johr &#x017F;ich begebe hat</l><lb/>
              <l>Zu Miltau in der werthe Stadt,</l><lb/>
              <l>So gar viel traurige Dinge.</l><lb/>
              <l>Ein kun&#x017F;treicher Mahler in die&#x017F;er Stadt</l><lb/>
              <l>Mit &#x017F;einer Frauen erzoge hat</l><lb/>
              <l>Ei' Tochter und die i&#x017F;t &#x017F;cho&#x0364;' be&#x017F;tellt,</l><lb/>
              <l>Und &#x017F;ie i&#x017F;t billig zu lobe,</l><lb/>
              <l>Es lobet &#x017F;ie nu jederma,</l><lb/>
              <l>Ma' bhalt &#x017F;ie &#x017F;ehr in Ehre,</l><lb/>
              <l>Sie &#x017F;chicket &#x017F;ie ind' Schul und Lehre,</l><lb/>
              <l>Ka' &#x017F;chriben und le&#x017F;e nach Begehre,</l><lb/>
              <l>Man brucht &#x017F;ie nit lang zu wei&#x017F;e.</l><lb/>
              <l>Jeztunter e' braune Fa&#x0364;rber kam,</l><lb/>
              <l>Tha&#x0364;t &#x017F;ie zur Eh' begehre.</l><lb/>
              <l>Der Mahler &#x017F;prach: &#x201E;Es hat no' Zeit,</l><lb/>
            </lg>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[298/0310] Mit leichter und mit ringer Gemuͤth Laß ih dahinde mein uſchuldig Gebluͤt, Ich fahr us dieſer Welt dahi Us aller Noth erlediget bi.“ — Der Faͤrber. *) (Mitgetheilt von H. v. Weſtenberg.) Kummet her! kummet her ihr jungi Leut', Und ſtill und ſtille 'ne kleini Zeit, Und hoͤret was will i eu ſinge! — Was dieß Johr ſich begebe hat Zu Miltau in der werthe Stadt, So gar viel traurige Dinge. Ein kunſtreicher Mahler in dieſer Stadt Mit ſeiner Frauen erzoge hat Ei' Tochter und die iſt ſchoͤ' beſtellt, Und ſie iſt billig zu lobe, Es lobet ſie nu jederma, Ma' bhalt ſie ſehr in Ehre, Sie ſchicket ſie ind' Schul und Lehre, Ka' ſchriben und leſe nach Begehre, Man brucht ſie nit lang zu weiſe. Jeztunter e' braune Faͤrber kam, Thaͤt ſie zur Eh' begehre. Der Mahler ſprach: „Es hat no' Zeit, *) Der Dialekt, in der dieſe Romanzen geſungen wurden, iſt nicht ganz die laͤndliche Volksſprache — des hauenſteiniſchen Schwarzwalds; ſondern es iſt die Volksſprache, die das Hochdeutſche zu ſprechen affektirt.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/arnim_wunderhorn02_1808
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/arnim_wunderhorn02_1808/310
Zitationshilfe: Arnim, Achim von; Brentano, Clemens: Des Knaben Wunderhorn. Bd. 2. Heidelberg, 1808, S. 298. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnim_wunderhorn02_1808/310>, abgerufen am 28.03.2024.