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[Arnim, Bettina von]: Tagebuch. Berlin, 1835.

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Unendlich schön ist Eros, und seine Schönheit durchleuch-
tet Psyche, wie das Licht die Rose. -- Und ich, die da
wähnt von Deiner Schönheit eben so durchleuchtet zu
sein, trete vor den Spiegel ob es mich auch wie sie
verschönt.

Der Strahl ist dem Abend gewichen, die Rose liegt
im Schatten ich durchstreife Wald und Flur, und auf
einsamen Wegen denk' ich an Dich, daß Du auch wie
Licht mich durchdringst.


Sehnsucht und Ahnung liegen in einander, eins treibt
das andre hervor.

Der Geist will sich vermählen mit dem Begriff: ich
will geliebt sein, oder ich will begriffen sein, das ist eins.

Darum thut der Geist wohl, weil wir fühlen, wie
aus dem irdischen Leben das geistige in's himmlische
übergeht und unsterblich wird.

Die Liebe ist das geistige Auge, sie erkennt das
Himmlische, es sind Ahnungen höherer Wahrheiten die
uns der Liebe begehren machen.

In Dir seh ich tausend Keime die der Unsterblich-
keit aufblühen, ich mein' ich müsse sie alle anhauchen. --

Unendlich ſchön iſt Eros, und ſeine Schönheit durchleuch-
tet Pſyche, wie das Licht die Roſe. — Und ich, die da
wähnt von Deiner Schönheit eben ſo durchleuchtet zu
ſein, trete vor den Spiegel ob es mich auch wie ſie
verſchönt.

Der Strahl iſt dem Abend gewichen, die Roſe liegt
im Schatten ich durchſtreife Wald und Flur, und auf
einſamen Wegen denk' ich an Dich, daß Du auch wie
Licht mich durchdringſt.


Sehnſucht und Ahnung liegen in einander, eins treibt
das andre hervor.

Der Geiſt will ſich vermählen mit dem Begriff: ich
will geliebt ſein, oder ich will begriffen ſein, das iſt eins.

Darum thut der Geiſt wohl, weil wir fühlen, wie
aus dem irdiſchen Leben das geiſtige in's himmliſche
übergeht und unſterblich wird.

Die Liebe iſt das geiſtige Auge, ſie erkennt das
Himmliſche, es ſind Ahnungen höherer Wahrheiten die
uns der Liebe begehren machen.

In Dir ſeh ich tauſend Keime die der Unſterblich-
keit aufblühen, ich mein' ich müſſe ſie alle anhauchen. —

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[36/0046] Unendlich ſchön iſt Eros, und ſeine Schönheit durchleuch- tet Pſyche, wie das Licht die Roſe. — Und ich, die da wähnt von Deiner Schönheit eben ſo durchleuchtet zu ſein, trete vor den Spiegel ob es mich auch wie ſie verſchönt. Der Strahl iſt dem Abend gewichen, die Roſe liegt im Schatten ich durchſtreife Wald und Flur, und auf einſamen Wegen denk' ich an Dich, daß Du auch wie Licht mich durchdringſt. Sehnſucht und Ahnung liegen in einander, eins treibt das andre hervor. Der Geiſt will ſich vermählen mit dem Begriff: ich will geliebt ſein, oder ich will begriffen ſein, das iſt eins. Darum thut der Geiſt wohl, weil wir fühlen, wie aus dem irdiſchen Leben das geiſtige in's himmliſche übergeht und unſterblich wird. Die Liebe iſt das geiſtige Auge, ſie erkennt das Himmliſche, es ſind Ahnungen höherer Wahrheiten die uns der Liebe begehren machen. In Dir ſeh ich tauſend Keime die der Unſterblich- keit aufblühen, ich mein' ich müſſe ſie alle anhauchen. —

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Zitationshilfe: [Arnim, Bettina von]: Tagebuch. Berlin, 1835, S. 36. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe03_1835/46>, abgerufen am 29.03.2024.