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Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 1. Grünberg u. a., 1840.

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An die Günderode.

Vor ein paar Jahren wohnte hier neben an in
dem jetzt leerstehenden Haus ein Mann der war aus der
Fremde gekommen, ich glaub es war die Schweiz, der that
Wunder mit seiner Willenskraft, bei Tisch war viel die
Rede, er könne mit seinem Blick die kranken Menschen
zum Schlafen bringen, daß die ihm dann über ihre
Krankheit im Schlaf mittheilen, wie man sie heilen
könne, und daß sie auch hellsehen in die Zukunft
und in die Vergangenheit, beim Erwachen aber nichts
mehr davon wissen, -- dieser Mann hatte mir was ge¬
heimnißvolles, da die Leute so unheimlich von ihm spra¬
chen. Auf einer Rasenbank an der Gartenwand konnt
ich in seinen Garten sehen, wo er im Mondschein auf
und ab wandelte, er kam auf mich zu und reichte mir
ein paar Erdbeeren über die Wand und sagte: Esse sie
mit Bedacht und koste sie recht, so hast Du mehr da¬
von als wenn Du einen ganzen Korb voll, unbedacht¬
sam ißt. -- Ich stieg von der Bank mit meinen Erd¬
beeren und aß eine nach der andern, verwundert über
den freundlichen Mann. Und am andern Tag, wie ich
ihn im Garten wandlen sah, ging ich wieder hin, er

An die Günderode.

Vor ein paar Jahren wohnte hier neben an in
dem jetzt leerſtehenden Haus ein Mann der war aus der
Fremde gekommen, ich glaub es war die Schweiz, der that
Wunder mit ſeiner Willenskraft, bei Tiſch war viel die
Rede, er könne mit ſeinem Blick die kranken Menſchen
zum Schlafen bringen, daß die ihm dann über ihre
Krankheit im Schlaf mittheilen, wie man ſie heilen
könne, und daß ſie auch hellſehen in die Zukunft
und in die Vergangenheit, beim Erwachen aber nichts
mehr davon wiſſen, — dieſer Mann hatte mir was ge¬
heimnißvolles, da die Leute ſo unheimlich von ihm ſpra¬
chen. Auf einer Raſenbank an der Gartenwand konnt
ich in ſeinen Garten ſehen, wo er im Mondſchein auf
und ab wandelte, er kam auf mich zu und reichte mir
ein paar Erdbeeren über die Wand und ſagte: Eſſe ſie
mit Bedacht und koſte ſie recht, ſo haſt Du mehr da¬
von als wenn Du einen ganzen Korb voll, unbedacht¬
ſam ißt. — Ich ſtieg von der Bank mit meinen Erd¬
beeren und aß eine nach der andern, verwundert über
den freundlichen Mann. Und am andern Tag, wie ich
ihn im Garten wandlen ſah, ging ich wieder hin, er

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[214/0230] An die Günderode. Vor ein paar Jahren wohnte hier neben an in dem jetzt leerſtehenden Haus ein Mann der war aus der Fremde gekommen, ich glaub es war die Schweiz, der that Wunder mit ſeiner Willenskraft, bei Tiſch war viel die Rede, er könne mit ſeinem Blick die kranken Menſchen zum Schlafen bringen, daß die ihm dann über ihre Krankheit im Schlaf mittheilen, wie man ſie heilen könne, und daß ſie auch hellſehen in die Zukunft und in die Vergangenheit, beim Erwachen aber nichts mehr davon wiſſen, — dieſer Mann hatte mir was ge¬ heimnißvolles, da die Leute ſo unheimlich von ihm ſpra¬ chen. Auf einer Raſenbank an der Gartenwand konnt ich in ſeinen Garten ſehen, wo er im Mondſchein auf und ab wandelte, er kam auf mich zu und reichte mir ein paar Erdbeeren über die Wand und ſagte: Eſſe ſie mit Bedacht und koſte ſie recht, ſo haſt Du mehr da¬ von als wenn Du einen ganzen Korb voll, unbedacht¬ ſam ißt. — Ich ſtieg von der Bank mit meinen Erd¬ beeren und aß eine nach der andern, verwundert über den freundlichen Mann. Und am andern Tag, wie ich ihn im Garten wandlen ſah, ging ich wieder hin, er

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Zitationshilfe: Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 1. Grünberg u. a., 1840, S. 214. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode01_1840/230>, abgerufen am 28.03.2024.