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Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 1. Grünberg u. a., 1840.

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An die Günderode.

Ich hab mirs nicht gedacht, daß ich so sein könnt
in diesen schönen Tagen. In Deinem Brief, Zeile für
Zeile, lese ich nichts Trauriges und doch macht er mich
schwer. -- Du redest von Dir als seist Du anders wie
ich, ganz anders, ach und stehst mir doch allein unter
allen Menschen gegenüber, und alles was wir mit einan¬
der besprachen, da waren wir nicht eins, Du warst an¬
ders gesinnt und ich anders, und doch hast Du mich
immer vertreten, ja gewißlich ich bin anders wie Du,
ich fühls auch heut aus jeder Zeile Deines Briefs, die
mir doch so wahr sind und den tiefen Grund Deiner
Seele beleuchten. Wie ist doch jeder Mensch ein groß
Geheimniß, und bis alles ins Himmlische sich verwan¬
delt, wie viel bleibt da unverstanden. Aber ganz ver¬
standen sein, das deucht mir die wahre alleinige Meta¬
morphose, die einzige Himmelfahrt. -- Im Gartenhäus¬
chen, wo wir vorm Jahr um die Zeit uns zum ersten¬
mal gesehen haben -- also ein ganz Jahr sind wir
schon gut Freund mit einander ? ? ? ! ! ! -- -- -- und
so könnt ich fortfahren Zeichen zu machen der Verwun¬
derung, des Stummseins, des Denkens -- Seufzens, ja

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An die Günderode.

Ich hab mirs nicht gedacht, daß ich ſo ſein könnt
in dieſen ſchönen Tagen. In Deinem Brief, Zeile für
Zeile, leſe ich nichts Trauriges und doch macht er mich
ſchwer. — Du redeſt von Dir als ſeiſt Du anders wie
ich, ganz anders, ach und ſtehſt mir doch allein unter
allen Menſchen gegenüber, und alles was wir mit einan¬
der beſprachen, da waren wir nicht eins, Du warſt an¬
ders geſinnt und ich anders, und doch haſt Du mich
immer vertreten, ja gewißlich ich bin anders wie Du,
ich fühls auch heut aus jeder Zeile Deines Briefs, die
mir doch ſo wahr ſind und den tiefen Grund Deiner
Seele beleuchten. Wie iſt doch jeder Menſch ein groß
Geheimniß, und bis alles ins Himmliſche ſich verwan¬
delt, wie viel bleibt da unverſtanden. Aber ganz ver¬
ſtanden ſein, das deucht mir die wahre alleinige Meta¬
morphoſe, die einzige Himmelfahrt. — Im Gartenhäus¬
chen, wo wir vorm Jahr um die Zeit uns zum erſten¬
mal geſehen haben — alſo ein ganz Jahr ſind wir
ſchon gut Freund mit einander ? ? ? ! ! ! — — — und
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derung, des Stummſeins, des Denkens — Seufzens, ja

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[243/0259] An die Günderode. Ich hab mirs nicht gedacht, daß ich ſo ſein könnt in dieſen ſchönen Tagen. In Deinem Brief, Zeile für Zeile, leſe ich nichts Trauriges und doch macht er mich ſchwer. — Du redeſt von Dir als ſeiſt Du anders wie ich, ganz anders, ach und ſtehſt mir doch allein unter allen Menſchen gegenüber, und alles was wir mit einan¬ der beſprachen, da waren wir nicht eins, Du warſt an¬ ders geſinnt und ich anders, und doch haſt Du mich immer vertreten, ja gewißlich ich bin anders wie Du, ich fühls auch heut aus jeder Zeile Deines Briefs, die mir doch ſo wahr ſind und den tiefen Grund Deiner Seele beleuchten. Wie iſt doch jeder Menſch ein groß Geheimniß, und bis alles ins Himmliſche ſich verwan¬ delt, wie viel bleibt da unverſtanden. Aber ganz ver¬ ſtanden ſein, das deucht mir die wahre alleinige Meta¬ morphoſe, die einzige Himmelfahrt. — Im Gartenhäus¬ chen, wo wir vorm Jahr um die Zeit uns zum erſten¬ mal geſehen haben — alſo ein ganz Jahr ſind wir ſchon gut Freund mit einander ? ? ? ! ! ! — — — und ſo könnt ich fortfahren Zeichen zu machen der Verwun¬ derung, des Stummſeins, des Denkens — Seufzens, ja 11*

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Zitationshilfe: Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 1. Grünberg u. a., 1840, S. 243. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode01_1840/259>, abgerufen am 28.03.2024.