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Auerbach, Berthold: Die Geschichte des Diethelm von Buchenberg. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 7. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 45–268. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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der Vetter wunderte sich wieder über die so innige Liebe Diethelm's zu seiner Stieftochter; er hieß nicht umsonst der Familienfürst.

Wir kriegen wieder kalt, der Mond geht heute roth auf, sagte der Vetter, als man auf der kalten Herberge angekommen war -- seht, dort, Buchenberg zu.

Diethelm spie das Blut aus, das er sich aus den Lippen gebissen.

Was ist denn das? fuhr der Vetter nach einer Weile fort, ich höre die alt' Kathrin' brummen, und es riecht in der Luft so gräulich.

Diethelm erwiderte nichts.

Als man Buchenberg nahe war, schrie der Vetter: Herr im Himmel, Euer Haus brennt! -- aber Diethelm hörte es nicht, und mit Mühe erweckte ihn der Vetter mit Schneereiben aus dem Schlage, der ihn getroffen zu haben schien.

Sechzehntes Kapitel.

Lautlos und regungslos, weiß überschneit stand die Menschenmasse am Berge versammelt, und wie sie vom rothen Glutschein übergossen war, erschien sie wie von einem Zauber festgebannt. Keine Menschenstimme ward hörbar, nur vom Thurme dröhnte die Sturm- und Sterbeglocke, die sogenannte alte Kathrin', und aus der Flamme, die breit und still, von keinem Winde bewegt, hochauf schlug, tönte ein tausendstimmiges Wehklagen, so dumpf und tief und wiederum so gräßlich röchelnd, als hätten die auflodernden Flammenzungen markerschütternde Stimmen gewonnen, und über der Flamme

der Vetter wunderte sich wieder über die so innige Liebe Diethelm's zu seiner Stieftochter; er hieß nicht umsonst der Familienfürst.

Wir kriegen wieder kalt, der Mond geht heute roth auf, sagte der Vetter, als man auf der kalten Herberge angekommen war — seht, dort, Buchenberg zu.

Diethelm spie das Blut aus, das er sich aus den Lippen gebissen.

Was ist denn das? fuhr der Vetter nach einer Weile fort, ich höre die alt' Kathrin' brummen, und es riecht in der Luft so gräulich.

Diethelm erwiderte nichts.

Als man Buchenberg nahe war, schrie der Vetter: Herr im Himmel, Euer Haus brennt! — aber Diethelm hörte es nicht, und mit Mühe erweckte ihn der Vetter mit Schneereiben aus dem Schlage, der ihn getroffen zu haben schien.

Sechzehntes Kapitel.

Lautlos und regungslos, weiß überschneit stand die Menschenmasse am Berge versammelt, und wie sie vom rothen Glutschein übergossen war, erschien sie wie von einem Zauber festgebannt. Keine Menschenstimme ward hörbar, nur vom Thurme dröhnte die Sturm- und Sterbeglocke, die sogenannte alte Kathrin', und aus der Flamme, die breit und still, von keinem Winde bewegt, hochauf schlug, tönte ein tausendstimmiges Wehklagen, so dumpf und tief und wiederum so gräßlich röchelnd, als hätten die auflodernden Flammenzungen markerschütternde Stimmen gewonnen, und über der Flamme

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[0111] der Vetter wunderte sich wieder über die so innige Liebe Diethelm's zu seiner Stieftochter; er hieß nicht umsonst der Familienfürst. Wir kriegen wieder kalt, der Mond geht heute roth auf, sagte der Vetter, als man auf der kalten Herberge angekommen war — seht, dort, Buchenberg zu. Diethelm spie das Blut aus, das er sich aus den Lippen gebissen. Was ist denn das? fuhr der Vetter nach einer Weile fort, ich höre die alt' Kathrin' brummen, und es riecht in der Luft so gräulich. Diethelm erwiderte nichts. Als man Buchenberg nahe war, schrie der Vetter: Herr im Himmel, Euer Haus brennt! — aber Diethelm hörte es nicht, und mit Mühe erweckte ihn der Vetter mit Schneereiben aus dem Schlage, der ihn getroffen zu haben schien. Sechzehntes Kapitel. Lautlos und regungslos, weiß überschneit stand die Menschenmasse am Berge versammelt, und wie sie vom rothen Glutschein übergossen war, erschien sie wie von einem Zauber festgebannt. Keine Menschenstimme ward hörbar, nur vom Thurme dröhnte die Sturm- und Sterbeglocke, die sogenannte alte Kathrin', und aus der Flamme, die breit und still, von keinem Winde bewegt, hochauf schlug, tönte ein tausendstimmiges Wehklagen, so dumpf und tief und wiederum so gräßlich röchelnd, als hätten die auflodernden Flammenzungen markerschütternde Stimmen gewonnen, und über der Flamme

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Zitationshilfe: Auerbach, Berthold: Die Geschichte des Diethelm von Buchenberg. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 7. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 45–268. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/auerbach_diethelm_1910/111>, abgerufen am 29.03.2024.