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Auerbach, Berthold: Die Geschichte des Diethelm von Buchenberg. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 7. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 45–268. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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Martha gerade an der wunden Stelle, daß er laut aufschrie, sie aber sagte:

Gesteh ehrlich, beichte, nur mir sag's, nur mir, woher du das hast. Der Doctor hat immer gesagt, das säh' aus wie ein Biß von einem Menschen. Wer hat dich gebissen?

Diethelm hatte Geistesgegenwart genug, seine Frau tapfer auszuzanken, mit dem Zusatz, daß wenn sie noch ein einzig Mal von todten Schwurfingern rede, er sie auf immer verlasse, möge daraus werden, was da wolle.

Martha schwieg, aber ihre schweigend trauervollen Mienen, ihr stilles, stundenlanges Betrachten der abgestorbenen Finger sagte Diethelm, was sie für sich sinne und was sie von ihm denken möge.

Als das Haus gerichtet war und der bänderverzierte Tannenbaum vom Giebel prangte, machte sich Diethelm mit den Seinen auf nach dem Wildbad, die warme Quelle sollte Diethelm von seinem Frost und der Wunde heilen und sollte die todte Hand Martha's neu beleben. Am hoffnungsreichsten aber war Fränz, sie bedurfte der warmen Quelle nicht: ihrer harrte dort der Rautenkranzsohn und, nicht zu vergessen, auch der Amtsverweser.

Sechsundzwanzigstes Kapitel.

Der stattliche reiche Bauer von Buchenberg mit seiner Familie und seinem eigenen Gefährte war wochenlang eine der bemerktesten Erscheinungen im Wildbad. Schon der frappante Gegensatz, den man sich von ihm erzählte, daß er sich beim Brande eine schwer zu heilende Erkältung zugezogen, machte ihn zum Gegenstand des Gespräches, dazu sein ge-

Martha gerade an der wunden Stelle, daß er laut aufschrie, sie aber sagte:

Gesteh ehrlich, beichte, nur mir sag's, nur mir, woher du das hast. Der Doctor hat immer gesagt, das säh' aus wie ein Biß von einem Menschen. Wer hat dich gebissen?

Diethelm hatte Geistesgegenwart genug, seine Frau tapfer auszuzanken, mit dem Zusatz, daß wenn sie noch ein einzig Mal von todten Schwurfingern rede, er sie auf immer verlasse, möge daraus werden, was da wolle.

Martha schwieg, aber ihre schweigend trauervollen Mienen, ihr stilles, stundenlanges Betrachten der abgestorbenen Finger sagte Diethelm, was sie für sich sinne und was sie von ihm denken möge.

Als das Haus gerichtet war und der bänderverzierte Tannenbaum vom Giebel prangte, machte sich Diethelm mit den Seinen auf nach dem Wildbad, die warme Quelle sollte Diethelm von seinem Frost und der Wunde heilen und sollte die todte Hand Martha's neu beleben. Am hoffnungsreichsten aber war Fränz, sie bedurfte der warmen Quelle nicht: ihrer harrte dort der Rautenkranzsohn und, nicht zu vergessen, auch der Amtsverweser.

Sechsundzwanzigstes Kapitel.

Der stattliche reiche Bauer von Buchenberg mit seiner Familie und seinem eigenen Gefährte war wochenlang eine der bemerktesten Erscheinungen im Wildbad. Schon der frappante Gegensatz, den man sich von ihm erzählte, daß er sich beim Brande eine schwer zu heilende Erkältung zugezogen, machte ihn zum Gegenstand des Gespräches, dazu sein ge-

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Zitationshilfe: Auerbach, Berthold: Die Geschichte des Diethelm von Buchenberg. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 7. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 45–268. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/auerbach_diethelm_1910/190>, abgerufen am 18.04.2024.