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Auerbach, Berthold: Die Geschichte des Diethelm von Buchenberg. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 7. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 45–268. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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Der Vorsitzende erklärte die Verhandlung aufgelös't, und zwei Angeklagte wurden abgeführt, es waren der Reppenberger und Diethelm.

Dreißigstes Kapitel.

Das Herbstmanöver war zu Ende, und Munde hatte seinen Schäferrock angezogen, ohne daran zu denken, daß ihm sein Vater einst befohlen, in diesen Kleidern des ermordeten Bruders vor Diethelm hinzutreten und ihm das Geständniß abzupressen. Er hatte gehört, daß eben die letzte Gerichtsverhandlung stattfinde, und sich zu derselben gedrängt. Fast unwillkürlich hatte sich sein lang verhaltenes feindliches Grollen in jenen Worten Luft gemacht, die Diethelm so plötzlich zum Geständniß seiner Schuld brachten. Er mußte nun in der Stadt bleiben, um bei der wieder aufgenommenen Untersuchung gegen Diethelm als Zeuge zu dienen. Er machte nur die Angabe von dem, was ihm sein verstorbener Bruder gesagt, von den Mittheilungen der Fränz schwieg er; denn er hatte trotz des sympathetischen Gegenmittels noch Liebe genug zu ihr, um nicht auch sie ins Elend zu stürzen und sie zu zwingen, gegen den Vater Zeugniß abzulegen.

Fränz erhielt noch am Abend einen Besuch von ihrer Schwiegermutter, ihr Bräutigam ließ ihr auf die schonendste Weise, die aber doch nicht minder schmerzte, Lebewohl sagen. Der in Diethelm ertödtete Haß gegen die Welt setzte sich nun in Fränz fest.

Diethelm gestand im ersten Verhöre seine ganze That mit allen ihren wechselnden Stimmungen bis in die Einzelumstände hinein, aber manchmal sprach er doch verworrene

Der Vorsitzende erklärte die Verhandlung aufgelös't, und zwei Angeklagte wurden abgeführt, es waren der Reppenberger und Diethelm.

Dreißigstes Kapitel.

Das Herbstmanöver war zu Ende, und Munde hatte seinen Schäferrock angezogen, ohne daran zu denken, daß ihm sein Vater einst befohlen, in diesen Kleidern des ermordeten Bruders vor Diethelm hinzutreten und ihm das Geständniß abzupressen. Er hatte gehört, daß eben die letzte Gerichtsverhandlung stattfinde, und sich zu derselben gedrängt. Fast unwillkürlich hatte sich sein lang verhaltenes feindliches Grollen in jenen Worten Luft gemacht, die Diethelm so plötzlich zum Geständniß seiner Schuld brachten. Er mußte nun in der Stadt bleiben, um bei der wieder aufgenommenen Untersuchung gegen Diethelm als Zeuge zu dienen. Er machte nur die Angabe von dem, was ihm sein verstorbener Bruder gesagt, von den Mittheilungen der Fränz schwieg er; denn er hatte trotz des sympathetischen Gegenmittels noch Liebe genug zu ihr, um nicht auch sie ins Elend zu stürzen und sie zu zwingen, gegen den Vater Zeugniß abzulegen.

Fränz erhielt noch am Abend einen Besuch von ihrer Schwiegermutter, ihr Bräutigam ließ ihr auf die schonendste Weise, die aber doch nicht minder schmerzte, Lebewohl sagen. Der in Diethelm ertödtete Haß gegen die Welt setzte sich nun in Fränz fest.

Diethelm gestand im ersten Verhöre seine ganze That mit allen ihren wechselnden Stimmungen bis in die Einzelumstände hinein, aber manchmal sprach er doch verworrene

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[0224] Der Vorsitzende erklärte die Verhandlung aufgelös't, und zwei Angeklagte wurden abgeführt, es waren der Reppenberger und Diethelm. Dreißigstes Kapitel. Das Herbstmanöver war zu Ende, und Munde hatte seinen Schäferrock angezogen, ohne daran zu denken, daß ihm sein Vater einst befohlen, in diesen Kleidern des ermordeten Bruders vor Diethelm hinzutreten und ihm das Geständniß abzupressen. Er hatte gehört, daß eben die letzte Gerichtsverhandlung stattfinde, und sich zu derselben gedrängt. Fast unwillkürlich hatte sich sein lang verhaltenes feindliches Grollen in jenen Worten Luft gemacht, die Diethelm so plötzlich zum Geständniß seiner Schuld brachten. Er mußte nun in der Stadt bleiben, um bei der wieder aufgenommenen Untersuchung gegen Diethelm als Zeuge zu dienen. Er machte nur die Angabe von dem, was ihm sein verstorbener Bruder gesagt, von den Mittheilungen der Fränz schwieg er; denn er hatte trotz des sympathetischen Gegenmittels noch Liebe genug zu ihr, um nicht auch sie ins Elend zu stürzen und sie zu zwingen, gegen den Vater Zeugniß abzulegen. Fränz erhielt noch am Abend einen Besuch von ihrer Schwiegermutter, ihr Bräutigam ließ ihr auf die schonendste Weise, die aber doch nicht minder schmerzte, Lebewohl sagen. Der in Diethelm ertödtete Haß gegen die Welt setzte sich nun in Fränz fest. Diethelm gestand im ersten Verhöre seine ganze That mit allen ihren wechselnden Stimmungen bis in die Einzelumstände hinein, aber manchmal sprach er doch verworrene

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Zitationshilfe: Auerbach, Berthold: Die Geschichte des Diethelm von Buchenberg. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 7. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 45–268. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/auerbach_diethelm_1910/224>, abgerufen am 16.04.2024.