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Allgemeine Zeitung. Nr. 17. Augsburg, 17. Januar 1840.

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und Preußen gefallenen Landgebieten. Nach ziemlich zuverlässigen Schätzungen befinden sich also auf polnischem Grunde zwei Drittheile aller europäischen Juden, so wie ein Drittheil der jüdischen Bevölkerung des ganzen Erdballs. Das Verhältniß zu den Christen in Polen ist etwa wie 1 zu 8 1/2, in den Städten aber oft ein ganz anderes. In Wilna ist der zweite, in Krakau der dritte, in Warschau und Lemberg der vierte, in Polen der fünfte Mensch ein Jude; in den kleinen polnischen Städten verschwinden die Christen unter den Juden fast ganz.

(Schles. Z.)

Oesterreich.

Se. königl. Hoh. der Erzherzog Maximilian von Este ist bereits wieder in Wien. - Nun ergibt sich mit größerer Verläßlichkeit, daß der französische Gesandte, Graf St. Aulaire, nächsten Monat doch die Reise nach Paris antreten werde. Man vermuthet, daß der Frhr. v. Neumann, wenn gleich in außerordentlicher Mission nach London abgegangen, nicht so bald zurückkehren werde; es ist selbst möglich, daß er für beständig auf diesem Posten verbleibt. Im diplomatischen Geschäftskreise herrscht viele Stille. Mittlerweile entwickeln die Bestrebungen für die Interessen des Innern, mit vorherrschendem Walten der industriellen, zusehends mehr Leben und Thätigkeit. Der Unternehmungsgeist ist geweckt und erwacht wie nie zuvor; man kann sagen, daß er erst jetzt anfange, sich selbst recht zu fühlen und die Sphäre zu erkennen, in der er sich gedeihlich für das individuelle Beste, so wie für das Staatsinteresse bewegen könne. Es ist nicht zu verkennen, daß die gesteigerte Tendenz für die Industrie Oesterreichs Macht erhöht, um so mehr als sie vereint ist mit einer jetzt schon begonnenen bessern Finanzgebahrung und einem erfreulichen Aufschwung des Creditwesens, was denn wieder die ganze moralische Macht erhebt, und dem Staat einen erhöhten Einfluß, andern Staaten gegenüber, gibt. Für Deutschland zunächst ist dieser Entwickelungsgang der innern Politik Oesterreichs ein erfreulicher, denn inwiefern Deutschland von Oesterreich nach außen repräsentirt wird, liegen beiderseits gleiche Interessen in der Wagschale; und ist Oesterreich groß und mächtig, so können die Garantien für Deutschlands Sicherheit wohl nur dabei gewinnen. - Ich glaube Ihnen eine der großartigsten Wohlthätigkeitsstiftungen erwähnen zu sollen, welche die neueste Zeit aufzuweisen hat. Graf Stanislaus Skarbek in Lemberg hat sein ganzes Vermögen, beinahe eine Million Gulden in Silber, der Gründung eines Waisenhaüses und einer Armenanstalt, nebst der Separaterrichtung eines Nationaltheaters in Lemberg, gewidmet. Diese Stiftung ist bereits nach den verbürgenden vorschriftsmäßigen Formen vor sich gegangen und erwartet nur noch die kaiserliche Sanction. Sie ist die Eingebung und das Werk einer anspruchslosen edlen Gesinnung, von welcher getrieben, Graf Skarbek Reisen in mehrere Theile Europa's unternahm, um die besten Einrichtungen ähnlicher Wohlthätigkeitsanstalten kennen zu lernen, und das erworbene Zweckmäßige auf vaterländischen Boden zu verpflanzen. - In Prag entstand im vergangenen Jahre eine Privatbesserungsanstalt für entlassene Sträflinge. Diese ist die erste der Art in der Monarchie und wird sicherlich nicht ohne Nachahmung des guten Beispiels bleiben, da der Sinn dafür auch hier sehr rege ist. Die Prager Anstalt erfreut sich eines guten Fortgangs; in ganz kurzer Zeit hat sie 122 Mitglieder erworben. - Eine Privatmittheilung aus Wien vom 11 Dec. in einer Leipziger Zeitung spricht von der Urlaubsreise des Commandirenden von Mähren, Feldmarschalllieutenants Grafen Nugent, in einer so mysteriösen Weise, daß die Redaction der Hamburger Börsenhalle bei Aufnahme dieses Artikels sich am Schlusse bewogen fand zu bemerken: es scheine, daß dieser Artikel zu den in deutschen Blättern häufig vorkommenden gehöre, deren Verständniß zwischen den Zeilen zu suchen sey. Mit dieser Urlaubsreise hat es dem Vernehmen nach keine andere Bewandtniß, als daß Graf Nugent seine Güter bereist.

Türkei.

Die Revolte der albanesischen Truppen, die sich im Dienste des Pascha's von Janina befinden, hatte bereits einen gefährlichen Charakter angenommen. Mehr durch friedliche Mittel als durch Waffen (obwohl auch von der Gewalt Gebrauch gemacht wurde, um die Ordnung wieder herzustellen) gelang es endlich doch die Gemüther für den Augenblick zu beruhigen und die Bestrebungen Mehemed Ali's zur Insurrection der mohammedanischen sowohl, als auch der christlichen Bevölkerung zu vereiteln. Mehemed Ali kennt die Gesinnungen der christlichen Bevölkerung Albaniens, Thessaliens, Macedoniens, wenn er vorzüglich auf sie einzuwirken sucht; zwar ist sie gegenwärtig nicht übel gegen die Regierung zu Konstantinopel gestimmt, deren Bemühungen, die Bekenner aller Religionen so viel als möglich gleichzustellen, vollkommene Anerkennung finden, doch ist sie von den Erinnerungen an frühere Bedrückung so beherrscht, und mit solchem Verlangen nach Befreiung von dem zum Sprüchwort gewordenen türkischen Joch sich sehnend, daß demjenigen eine große Rolle in der europäischen Türkei vorbehalten scheint, der jene christliche Bevölkerung zu gewinnen wissen sollte. Selbst der Hattischerif machte nur geringen Eindruck, da, wie man glaubt, die schönen Hoffnungen, die er weckt, nicht so bald in Erfüllung gehen werden. Indeß scheint das Benehmen des Vicekönigs, der es nicht verschmäht sich an Ungläubige zu halten, um der Pforte Verlegenheiten zu bereiten, ziemlich den Zweck verfehlen zu müssen, da er dadurch die Moslems sich entfremden, die Zuneigung der Christen aber nicht gewinnen kann. Sollte Mehemed auch augenblickliche Vortheile aus diesen Umtrieben und aus den Verlegenheiten, die er dadurch der Pforte bereitet, zu ziehen wissen, so ist doch gewiß, daß seine Handlungsweise dem Islam Gefahren bereitet, die zu beschwören er und seine Nachfolger nicht leicht im Stande seyn werden. - Der französische Consul in Janina, Hr. Grasset, ist hier durchgereist. Nach seinen Aeußerungen zu urtheilen, scheint er von der Ueberzeugung durchdrungen, daß binnen kurzem insurrectionelle Bewegungen unter den Christen in den macedonischen und griechischen Provinzen der europäischen Türkei erfolgen und daß die letztern vor Verlauf eines Jahrzehents ihre Unabhängigkeit errungen haben dürften.

Obrist Hodges, der neuernannte großbritannische Generalconsul für Alexandria, der auf seiner Reise nach Aegypten sich einige Tage hier aufhielt, hat uns bereits verlassen, und ist nach dem Ort seiner Bestimmung abgegangen. *)*) Die Mission dieses englischen Agenten scheint von der höchsten Wichtigkeit, denn nach seinen eigenen Aeußerungen zu urtheilen, ist Hodges von seiner Regierung beauftragt, dem Vicekönig kund zu thun, daß England entschlossen sey, die ägyptische und syrische Küste der strengsten Blokade zu unterwerfen, falls er in seiner Renitenz gegen seinen Souverän und gegen den erklärten Willen der Großmächte beharren sollte; daß überdieß dieß nur als der erste Schritt der gegen ihn anzuwendenden Maaßregeln anzusehen wäre, indem England gesonnen sey, stufenweise bis zu den stärksten Coercitivmitteln zu

*) Er traf am 14 Dec. in Alexandria ein, und wurde am 16 von Mehemed Ali mit großer Auszeichnung empfangen.

und Preußen gefallenen Landgebieten. Nach ziemlich zuverlässigen Schätzungen befinden sich also auf polnischem Grunde zwei Drittheile aller europäischen Juden, so wie ein Drittheil der jüdischen Bevölkerung des ganzen Erdballs. Das Verhältniß zu den Christen in Polen ist etwa wie 1 zu 8 1/2, in den Städten aber oft ein ganz anderes. In Wilna ist der zweite, in Krakau der dritte, in Warschau und Lemberg der vierte, in Polen der fünfte Mensch ein Jude; in den kleinen polnischen Städten verschwinden die Christen unter den Juden fast ganz.

(Schles. Z.)

Oesterreich.

Se. königl. Hoh. der Erzherzog Maximilian von Este ist bereits wieder in Wien. – Nun ergibt sich mit größerer Verläßlichkeit, daß der französische Gesandte, Graf St. Aulaire, nächsten Monat doch die Reise nach Paris antreten werde. Man vermuthet, daß der Frhr. v. Neumann, wenn gleich in außerordentlicher Mission nach London abgegangen, nicht so bald zurückkehren werde; es ist selbst möglich, daß er für beständig auf diesem Posten verbleibt. Im diplomatischen Geschäftskreise herrscht viele Stille. Mittlerweile entwickeln die Bestrebungen für die Interessen des Innern, mit vorherrschendem Walten der industriellen, zusehends mehr Leben und Thätigkeit. Der Unternehmungsgeist ist geweckt und erwacht wie nie zuvor; man kann sagen, daß er erst jetzt anfange, sich selbst recht zu fühlen und die Sphäre zu erkennen, in der er sich gedeihlich für das individuelle Beste, so wie für das Staatsinteresse bewegen könne. Es ist nicht zu verkennen, daß die gesteigerte Tendenz für die Industrie Oesterreichs Macht erhöht, um so mehr als sie vereint ist mit einer jetzt schon begonnenen bessern Finanzgebahrung und einem erfreulichen Aufschwung des Creditwesens, was denn wieder die ganze moralische Macht erhebt, und dem Staat einen erhöhten Einfluß, andern Staaten gegenüber, gibt. Für Deutschland zunächst ist dieser Entwickelungsgang der innern Politik Oesterreichs ein erfreulicher, denn inwiefern Deutschland von Oesterreich nach außen repräsentirt wird, liegen beiderseits gleiche Interessen in der Wagschale; und ist Oesterreich groß und mächtig, so können die Garantien für Deutschlands Sicherheit wohl nur dabei gewinnen. – Ich glaube Ihnen eine der großartigsten Wohlthätigkeitsstiftungen erwähnen zu sollen, welche die neueste Zeit aufzuweisen hat. Graf Stanislaus Skarbek in Lemberg hat sein ganzes Vermögen, beinahe eine Million Gulden in Silber, der Gründung eines Waisenhaüses und einer Armenanstalt, nebst der Separaterrichtung eines Nationaltheaters in Lemberg, gewidmet. Diese Stiftung ist bereits nach den verbürgenden vorschriftsmäßigen Formen vor sich gegangen und erwartet nur noch die kaiserliche Sanction. Sie ist die Eingebung und das Werk einer anspruchslosen edlen Gesinnung, von welcher getrieben, Graf Skarbek Reisen in mehrere Theile Europa's unternahm, um die besten Einrichtungen ähnlicher Wohlthätigkeitsanstalten kennen zu lernen, und das erworbene Zweckmäßige auf vaterländischen Boden zu verpflanzen. – In Prag entstand im vergangenen Jahre eine Privatbesserungsanstalt für entlassene Sträflinge. Diese ist die erste der Art in der Monarchie und wird sicherlich nicht ohne Nachahmung des guten Beispiels bleiben, da der Sinn dafür auch hier sehr rege ist. Die Prager Anstalt erfreut sich eines guten Fortgangs; in ganz kurzer Zeit hat sie 122 Mitglieder erworben. – Eine Privatmittheilung aus Wien vom 11 Dec. in einer Leipziger Zeitung spricht von der Urlaubsreise des Commandirenden von Mähren, Feldmarschalllieutenants Grafen Nugent, in einer so mysteriösen Weise, daß die Redaction der Hamburger Börsenhalle bei Aufnahme dieses Artikels sich am Schlusse bewogen fand zu bemerken: es scheine, daß dieser Artikel zu den in deutschen Blättern häufig vorkommenden gehöre, deren Verständniß zwischen den Zeilen zu suchen sey. Mit dieser Urlaubsreise hat es dem Vernehmen nach keine andere Bewandtniß, als daß Graf Nugent seine Güter bereist.

Türkei.

Die Revolte der albanesischen Truppen, die sich im Dienste des Pascha's von Janina befinden, hatte bereits einen gefährlichen Charakter angenommen. Mehr durch friedliche Mittel als durch Waffen (obwohl auch von der Gewalt Gebrauch gemacht wurde, um die Ordnung wieder herzustellen) gelang es endlich doch die Gemüther für den Augenblick zu beruhigen und die Bestrebungen Mehemed Ali's zur Insurrection der mohammedanischen sowohl, als auch der christlichen Bevölkerung zu vereiteln. Mehemed Ali kennt die Gesinnungen der christlichen Bevölkerung Albaniens, Thessaliens, Macedoniens, wenn er vorzüglich auf sie einzuwirken sucht; zwar ist sie gegenwärtig nicht übel gegen die Regierung zu Konstantinopel gestimmt, deren Bemühungen, die Bekenner aller Religionen so viel als möglich gleichzustellen, vollkommene Anerkennung finden, doch ist sie von den Erinnerungen an frühere Bedrückung so beherrscht, und mit solchem Verlangen nach Befreiung von dem zum Sprüchwort gewordenen türkischen Joch sich sehnend, daß demjenigen eine große Rolle in der europäischen Türkei vorbehalten scheint, der jene christliche Bevölkerung zu gewinnen wissen sollte. Selbst der Hattischerif machte nur geringen Eindruck, da, wie man glaubt, die schönen Hoffnungen, die er weckt, nicht so bald in Erfüllung gehen werden. Indeß scheint das Benehmen des Vicekönigs, der es nicht verschmäht sich an Ungläubige zu halten, um der Pforte Verlegenheiten zu bereiten, ziemlich den Zweck verfehlen zu müssen, da er dadurch die Moslems sich entfremden, die Zuneigung der Christen aber nicht gewinnen kann. Sollte Mehemed auch augenblickliche Vortheile aus diesen Umtrieben und aus den Verlegenheiten, die er dadurch der Pforte bereitet, zu ziehen wissen, so ist doch gewiß, daß seine Handlungsweise dem Islam Gefahren bereitet, die zu beschwören er und seine Nachfolger nicht leicht im Stande seyn werden. – Der französische Consul in Janina, Hr. Grasset, ist hier durchgereist. Nach seinen Aeußerungen zu urtheilen, scheint er von der Ueberzeugung durchdrungen, daß binnen kurzem insurrectionelle Bewegungen unter den Christen in den macedonischen und griechischen Provinzen der europäischen Türkei erfolgen und daß die letztern vor Verlauf eines Jahrzehents ihre Unabhängigkeit errungen haben dürften.

Obrist Hodges, der neuernannte großbritannische Generalconsul für Alexandria, der auf seiner Reise nach Aegypten sich einige Tage hier aufhielt, hat uns bereits verlassen, und ist nach dem Ort seiner Bestimmung abgegangen. *)*) Die Mission dieses englischen Agenten scheint von der höchsten Wichtigkeit, denn nach seinen eigenen Aeußerungen zu urtheilen, ist Hodges von seiner Regierung beauftragt, dem Vicekönig kund zu thun, daß England entschlossen sey, die ägyptische und syrische Küste der strengsten Blokade zu unterwerfen, falls er in seiner Renitenz gegen seinen Souverän und gegen den erklärten Willen der Großmächte beharren sollte; daß überdieß dieß nur als der erste Schritt der gegen ihn anzuwendenden Maaßregeln anzusehen wäre, indem England gesonnen sey, stufenweise bis zu den stärksten Coërcitivmitteln zu

*) Er traf am 14 Dec. in Alexandria ein, und wurde am 16 von Mehemed Ali mit großer Auszeichnung empfangen.
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[0135/0007] und Preußen gefallenen Landgebieten. Nach ziemlich zuverlässigen Schätzungen befinden sich also auf polnischem Grunde zwei Drittheile aller europäischen Juden, so wie ein Drittheil der jüdischen Bevölkerung des ganzen Erdballs. Das Verhältniß zu den Christen in Polen ist etwa wie 1 zu 8 1/2, in den Städten aber oft ein ganz anderes. In Wilna ist der zweite, in Krakau der dritte, in Warschau und Lemberg der vierte, in Polen der fünfte Mensch ein Jude; in den kleinen polnischen Städten verschwinden die Christen unter den Juden fast ganz. (Schles. Z.) Oesterreich. Wien, 10 Jan. Se. königl. Hoh. der Erzherzog Maximilian von Este ist bereits wieder in Wien. – Nun ergibt sich mit größerer Verläßlichkeit, daß der französische Gesandte, Graf St. Aulaire, nächsten Monat doch die Reise nach Paris antreten werde. Man vermuthet, daß der Frhr. v. Neumann, wenn gleich in außerordentlicher Mission nach London abgegangen, nicht so bald zurückkehren werde; es ist selbst möglich, daß er für beständig auf diesem Posten verbleibt. Im diplomatischen Geschäftskreise herrscht viele Stille. Mittlerweile entwickeln die Bestrebungen für die Interessen des Innern, mit vorherrschendem Walten der industriellen, zusehends mehr Leben und Thätigkeit. Der Unternehmungsgeist ist geweckt und erwacht wie nie zuvor; man kann sagen, daß er erst jetzt anfange, sich selbst recht zu fühlen und die Sphäre zu erkennen, in der er sich gedeihlich für das individuelle Beste, so wie für das Staatsinteresse bewegen könne. Es ist nicht zu verkennen, daß die gesteigerte Tendenz für die Industrie Oesterreichs Macht erhöht, um so mehr als sie vereint ist mit einer jetzt schon begonnenen bessern Finanzgebahrung und einem erfreulichen Aufschwung des Creditwesens, was denn wieder die ganze moralische Macht erhebt, und dem Staat einen erhöhten Einfluß, andern Staaten gegenüber, gibt. Für Deutschland zunächst ist dieser Entwickelungsgang der innern Politik Oesterreichs ein erfreulicher, denn inwiefern Deutschland von Oesterreich nach außen repräsentirt wird, liegen beiderseits gleiche Interessen in der Wagschale; und ist Oesterreich groß und mächtig, so können die Garantien für Deutschlands Sicherheit wohl nur dabei gewinnen. – Ich glaube Ihnen eine der großartigsten Wohlthätigkeitsstiftungen erwähnen zu sollen, welche die neueste Zeit aufzuweisen hat. Graf Stanislaus Skarbek in Lemberg hat sein ganzes Vermögen, beinahe eine Million Gulden in Silber, der Gründung eines Waisenhaüses und einer Armenanstalt, nebst der Separaterrichtung eines Nationaltheaters in Lemberg, gewidmet. Diese Stiftung ist bereits nach den verbürgenden vorschriftsmäßigen Formen vor sich gegangen und erwartet nur noch die kaiserliche Sanction. Sie ist die Eingebung und das Werk einer anspruchslosen edlen Gesinnung, von welcher getrieben, Graf Skarbek Reisen in mehrere Theile Europa's unternahm, um die besten Einrichtungen ähnlicher Wohlthätigkeitsanstalten kennen zu lernen, und das erworbene Zweckmäßige auf vaterländischen Boden zu verpflanzen. – In Prag entstand im vergangenen Jahre eine Privatbesserungsanstalt für entlassene Sträflinge. Diese ist die erste der Art in der Monarchie und wird sicherlich nicht ohne Nachahmung des guten Beispiels bleiben, da der Sinn dafür auch hier sehr rege ist. Die Prager Anstalt erfreut sich eines guten Fortgangs; in ganz kurzer Zeit hat sie 122 Mitglieder erworben. – Eine Privatmittheilung aus Wien vom 11 Dec. in einer Leipziger Zeitung spricht von der Urlaubsreise des Commandirenden von Mähren, Feldmarschalllieutenants Grafen Nugent, in einer so mysteriösen Weise, daß die Redaction der Hamburger Börsenhalle bei Aufnahme dieses Artikels sich am Schlusse bewogen fand zu bemerken: es scheine, daß dieser Artikel zu den in deutschen Blättern häufig vorkommenden gehöre, deren Verständniß zwischen den Zeilen zu suchen sey. Mit dieser Urlaubsreise hat es dem Vernehmen nach keine andere Bewandtniß, als daß Graf Nugent seine Güter bereist. Türkei. Athen, 27 Dec. Die Revolte der albanesischen Truppen, die sich im Dienste des Pascha's von Janina befinden, hatte bereits einen gefährlichen Charakter angenommen. Mehr durch friedliche Mittel als durch Waffen (obwohl auch von der Gewalt Gebrauch gemacht wurde, um die Ordnung wieder herzustellen) gelang es endlich doch die Gemüther für den Augenblick zu beruhigen und die Bestrebungen Mehemed Ali's zur Insurrection der mohammedanischen sowohl, als auch der christlichen Bevölkerung zu vereiteln. Mehemed Ali kennt die Gesinnungen der christlichen Bevölkerung Albaniens, Thessaliens, Macedoniens, wenn er vorzüglich auf sie einzuwirken sucht; zwar ist sie gegenwärtig nicht übel gegen die Regierung zu Konstantinopel gestimmt, deren Bemühungen, die Bekenner aller Religionen so viel als möglich gleichzustellen, vollkommene Anerkennung finden, doch ist sie von den Erinnerungen an frühere Bedrückung so beherrscht, und mit solchem Verlangen nach Befreiung von dem zum Sprüchwort gewordenen türkischen Joch sich sehnend, daß demjenigen eine große Rolle in der europäischen Türkei vorbehalten scheint, der jene christliche Bevölkerung zu gewinnen wissen sollte. Selbst der Hattischerif machte nur geringen Eindruck, da, wie man glaubt, die schönen Hoffnungen, die er weckt, nicht so bald in Erfüllung gehen werden. Indeß scheint das Benehmen des Vicekönigs, der es nicht verschmäht sich an Ungläubige zu halten, um der Pforte Verlegenheiten zu bereiten, ziemlich den Zweck verfehlen zu müssen, da er dadurch die Moslems sich entfremden, die Zuneigung der Christen aber nicht gewinnen kann. Sollte Mehemed auch augenblickliche Vortheile aus diesen Umtrieben und aus den Verlegenheiten, die er dadurch der Pforte bereitet, zu ziehen wissen, so ist doch gewiß, daß seine Handlungsweise dem Islam Gefahren bereitet, die zu beschwören er und seine Nachfolger nicht leicht im Stande seyn werden. – Der französische Consul in Janina, Hr. Grasset, ist hier durchgereist. Nach seinen Aeußerungen zu urtheilen, scheint er von der Ueberzeugung durchdrungen, daß binnen kurzem insurrectionelle Bewegungen unter den Christen in den macedonischen und griechischen Provinzen der europäischen Türkei erfolgen und daß die letztern vor Verlauf eines Jahrzehents ihre Unabhängigkeit errungen haben dürften. _ Athen, 27 Dec. Obrist Hodges, der neuernannte großbritannische Generalconsul für Alexandria, der auf seiner Reise nach Aegypten sich einige Tage hier aufhielt, hat uns bereits verlassen, und ist nach dem Ort seiner Bestimmung abgegangen. *) *) Die Mission dieses englischen Agenten scheint von der höchsten Wichtigkeit, denn nach seinen eigenen Aeußerungen zu urtheilen, ist Hodges von seiner Regierung beauftragt, dem Vicekönig kund zu thun, daß England entschlossen sey, die ägyptische und syrische Küste der strengsten Blokade zu unterwerfen, falls er in seiner Renitenz gegen seinen Souverän und gegen den erklärten Willen der Großmächte beharren sollte; daß überdieß dieß nur als der erste Schritt der gegen ihn anzuwendenden Maaßregeln anzusehen wäre, indem England gesonnen sey, stufenweise bis zu den stärksten Coërcitivmitteln zu *) Er traf am 14 Dec. in Alexandria ein, und wurde am 16 von Mehemed Ali mit großer Auszeichnung empfangen.

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 17. Augsburg, 17. Januar 1840, S. 0135. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_017_18400117/7>, abgerufen am 28.03.2024.