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Allgemeine Zeitung. Nr. 30. Augsburg, 30. Januar 1840.

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des weisen Agathangelos, die Geschicke der Nation zu erfüllen. Man hatte einen andern orthodoxen König im Sinne. Aber wie weit sich die Keckheit der Plane verstieg, und bis zu welchem Grade des Verraths einer der ersten Diener des Königs sich hatte gewinnen lassen: das ahneten damals selbst die Sehenden noch nicht in seinem ganzen Umfange. Fortwährend aber summten im Publicum geheimnißvolle Andeutungen über das, was das Jahr 1840 bringen solle. Erst vor etwa vierzehn Tagen, heißt es, wurden Sr. Maj. selbst, so wie dem General v. Schmaltz und dem Minister Paikos Eröffnungen über den Bestand einer geheimen Gesellschaft unter dem Namen Orthodoxie gemacht. Arglos und vertrauensvoll sollen der König, so wie Hr. v. Schmaltz dieß dem Minister Glarakis mitgetheilt haben, der sich unbefangen bemühte, alle Besorgnisse zu zerstreuen oder wenigstens auf eine falsche Spur zu lenken, indem er den französischen Geschäftsträger und die Liberalgesinnten in Verdacht zu bringen suchte. Inzwischen hatten er und die Seinigen Zeit gewonnen, verdächtige Papiere hier und in den Provinzen auf die Seite zu bringen. Da unterdessen noch bestimmtere Anzeigen von dem Vorhandenseyn einer Verschwörung und einer nahen Gefahr gemacht wurden, so wurde, leider nicht die energische Gendarmerie, sondern Hr. Paikos mit der Untersuchung beauftragt. Dieser Minister hat früher, wenigstens im Allgemeinen, auch die Farbe jener Partei getragen; und wenn er gleich mit Hrn. Glarakis über die grassen Gesetzverletzungen desselben in der Sache des Priesters Kairis persönlich zerfallen war, so mochte er doch für seine früheren Freunde noch einige Schonung fühlen. So glaubt ein Theil des Publicums sich die unbegreifliche Halbheit seiner Maaßregeln erklären zu müssen. Warum ließ er nicht zu derselben Stunde, wo bei Nikitas und Kapodistrias Haussuchung gehalten wurde, auch die Papiere des Hrn. Oekonomos und eines halben Duzend anderer Leute, die jedes Kind auf der Gasse zu nennen weiß, in Beschlag nehmen? Jene beiden sind an sich einfältige beschränkte Leute, bei denen höchstens Bosheit und Ränke den Abgang des Verstandes ersetzen; Jedermann begreift, daß sie nur die vorgeschobenen Werkzeuge ganz anderer Personen sind, wozu ihre persönlichen Verhältnisse sie geeignet machten. Hr. Nikitas ist unter Anderm auch Gevatter des Hrn. K.......s. Doch wie sich dieß auch verhalten möge, so muß man froh seyn, daß wenigstens bei Kapodistrias noch einige beweisende Actenstücke, und namentlich die Organisation oder Constitution der Verschwörung gefunden wurden. Aus dieser ersieht man, daß die Gesellschaft sehr klug den Namen der Orthodoxie und den Vorwand einer Eroberung Thessaliens zum Aushängschild gebraucht hatte, um auch wohlgesinnte, aber wenig scharfsichtige Leute für ihre Zwecke verlocken zu können. Die wahre Tendenz aber zeigt die eidliche Verpflichtung im Namen des künftigen orthodoxen Herrschers. Die Theilnehmer der Verschwörung waren zur Anschaffung von Kriegsbedürfnissen verpflichtet, und es heißt, daß in den benachbarten Ortschaften um Athen gegen dreitausend Mann in Bereitschaft gehalten wurden. Der morgende Tag, als der erste Januar, oder nach andern Angaben der sechste des Monats, an welchem sich der König zur Wasserweihe in den Piräeus zu begeben pflegt, soll zum Ausbruch bestimmt, und außer einer hohen Person auch viele Andere der Partei bezeichnet gewesen seyn. Eine Regierungsjunta von drei Personen war schon designirt. Zaudernd und zweifelnd schreiben wir diese Dinge nieder; wir mögen selbst nicht daran glauben, aber kaum läßt sich für das ganze bisher aufgeführte Gebäude von Verrath und künstlich erregtem Fanatismus ein anderer Schlußstein denken. Dieß ungefähr ist es, was man bis jetzt von der Sache weiß... Was die letzten Tage enthüllt haben, wirft ein unheimliches Licht auf manches Frühere. Wozu ließ Hr. Glarakis in den letztverflossenen Monaten die ihm ergebenen Gouverneure einen nach dem andern in die Hauptstadt kommen, und behielt sie Wochen lang hier? War es ein bloßer Zufall, daß vor etwa sechs Monaten der Obrist Kolokotroni, Adjutant des Königs, den Engländer Masson, der 1834 die Untersuchung gegen dessen Vater geführt hatte, im Beseyn mehrerer Personen bedrohte, man werde sich binnen kurzem ihn und alle seinesgleichen, namentlich die englischen und amerikanischen Geistlichen, vom Halse zu schaffen wissen? Sowohl Hr. Masson als der amerikanische Consul sollen sich damals bei Sr. Maj. persönlich beklagt, und der Obrist einen mündlichen Verweis erhalten haben. Hing es nicht mit den Zwecken der Verschwörung zusammen, daß Glarakis und seine Anhänger diesen Sommer die dem König treu ergebene Familie Mavromichalis auf jede Weise zu verdächtigen suchten, und selbst einige deutsche Oberofficiere über ihre Absichten zu täuschen gewußt hatten? Wir könnten noch viele ähnliche vereinzelte Facta aufführen, aber sie fallen Jedem, der hier dem Gange der Begebenheiten mit Aufmerksamkeit gefolgt ist, von selbst ein. Auch wollen wir lieber in unsern Vermuthungen nicht zu weit gehen; wir wollen die geheimnißvolle Ankunft eines gewissen Dampfschiffes im Piräeus nicht mit den jetzigen Vorgängen in Verbindung bringen, wie einige Politiker hier thun zu müssen glauben; eine solche Combination wäre gewiß viel zu gewagt. Uebrigens liegt in der ganzen Sache eine große Lehre für unsere, wie für jede andere Regierung. Der von einem fremden Einfluß empfohlene, dem Staat vereidigte Minister, und der vom Staat bezahlte "Griechische Courier" waren unablässig bemüht, ihre eigene Loyalität und ihren Royalismus anzupreisen, und die sogenannte liberale Opposition als Feinde der Ordnung und Freunde der Anarchie darzustellen; und jetzt ergibt sich, daß jene selbst gegen die Person des Königs conspirirten, während diese durch Wachsamkeit schon zum viertenmale den Thron und Staat gerettet haben.

Gestern Nachmittag ist endlich die Enthebung des Hrn. Glarakis von seinem bisherigen Posten erfolgt. An seine Stelle ist provisorisch der Staasrath Theocharis, Cabinetsrath Sr. Maj., zum Minister des Innern und des Cultus ernannt worden - ein rechtlicher Ehrenmann, der aber unter den gegenwärtigen Umständen schwerlich die nöthige Energie besitzen möchte. Es heißt, daß Hr. Theocharis nur mit großem Widerstreben die Ernennung angenommen, und daß die beiden wichtigen Portefeuilles definitiv dem Hrn. Christides (bis jetzt Gouverneur von Syra) übertragen werden dürften. Glarakis soll zum Gouverneur von Böotien ernannt seyn - eine befremdliche Sache, die sich hoffentlich nur daraus erklärt, daß man ihn in der Nähe und unter Augen zu behalten wünscht. Sonst gibt es heute früh nichts Neues. In Stadt und Umgegend herrscht freilich Spannung, aber vollkommene Ruhe.

Schwedische Zustände.

II. Beamtenbildung.

Es ist nicht zu läugnen, daß auch Schweden die Bahn des Fortschritts betreten hat, nur scheint man hier im Schneckengang sich vorwärts geschleppt zu haben, während anderwärts Riesenschritte gemacht wurden. Dieß ist um so auffallender, als Schweden seit dreißig Jahren eine freie Presse besaß, die nicht aufhörte auf Reformen zu dringen, während das Reich fast eben so lange eines ununterbrochenen Friedens genoß. Wenn aber die Geburtswehen, wovon jede neue Entwicklung in dem geistigen, wie in dem körperlichen

des weisen Agathangelos, die Geschicke der Nation zu erfüllen. Man hatte einen andern orthodoxen König im Sinne. Aber wie weit sich die Keckheit der Plane verstieg, und bis zu welchem Grade des Verraths einer der ersten Diener des Königs sich hatte gewinnen lassen: das ahneten damals selbst die Sehenden noch nicht in seinem ganzen Umfange. Fortwährend aber summten im Publicum geheimnißvolle Andeutungen über das, was das Jahr 1840 bringen solle. Erst vor etwa vierzehn Tagen, heißt es, wurden Sr. Maj. selbst, so wie dem General v. Schmaltz und dem Minister Païkos Eröffnungen über den Bestand einer geheimen Gesellschaft unter dem Namen Orthodoxie gemacht. Arglos und vertrauensvoll sollen der König, so wie Hr. v. Schmaltz dieß dem Minister Glarakis mitgetheilt haben, der sich unbefangen bemühte, alle Besorgnisse zu zerstreuen oder wenigstens auf eine falsche Spur zu lenken, indem er den französischen Geschäftsträger und die Liberalgesinnten in Verdacht zu bringen suchte. Inzwischen hatten er und die Seinigen Zeit gewonnen, verdächtige Papiere hier und in den Provinzen auf die Seite zu bringen. Da unterdessen noch bestimmtere Anzeigen von dem Vorhandenseyn einer Verschwörung und einer nahen Gefahr gemacht wurden, so wurde, leider nicht die energische Gendarmerie, sondern Hr. Païkos mit der Untersuchung beauftragt. Dieser Minister hat früher, wenigstens im Allgemeinen, auch die Farbe jener Partei getragen; und wenn er gleich mit Hrn. Glarakis über die grassen Gesetzverletzungen desselben in der Sache des Priesters Kaïris persönlich zerfallen war, so mochte er doch für seine früheren Freunde noch einige Schonung fühlen. So glaubt ein Theil des Publicums sich die unbegreifliche Halbheit seiner Maaßregeln erklären zu müssen. Warum ließ er nicht zu derselben Stunde, wo bei Nikitas und Kapodistrias Haussuchung gehalten wurde, auch die Papiere des Hrn. Oekonomos und eines halben Duzend anderer Leute, die jedes Kind auf der Gasse zu nennen weiß, in Beschlag nehmen? Jene beiden sind an sich einfältige beschränkte Leute, bei denen höchstens Bosheit und Ränke den Abgang des Verstandes ersetzen; Jedermann begreift, daß sie nur die vorgeschobenen Werkzeuge ganz anderer Personen sind, wozu ihre persönlichen Verhältnisse sie geeignet machten. Hr. Nikitas ist unter Anderm auch Gevatter des Hrn. K.......s. Doch wie sich dieß auch verhalten möge, so muß man froh seyn, daß wenigstens bei Kapodistrias noch einige beweisende Actenstücke, und namentlich die Organisation oder Constitution der Verschwörung gefunden wurden. Aus dieser ersieht man, daß die Gesellschaft sehr klug den Namen der Orthodoxie und den Vorwand einer Eroberung Thessaliens zum Aushängschild gebraucht hatte, um auch wohlgesinnte, aber wenig scharfsichtige Leute für ihre Zwecke verlocken zu können. Die wahre Tendenz aber zeigt die eidliche Verpflichtung im Namen des künftigen orthodoxen Herrschers. Die Theilnehmer der Verschwörung waren zur Anschaffung von Kriegsbedürfnissen verpflichtet, und es heißt, daß in den benachbarten Ortschaften um Athen gegen dreitausend Mann in Bereitschaft gehalten wurden. Der morgende Tag, als der erste Januar, oder nach andern Angaben der sechste des Monats, an welchem sich der König zur Wasserweihe in den Piräeus zu begeben pflegt, soll zum Ausbruch bestimmt, und außer einer hohen Person auch viele Andere der Partei bezeichnet gewesen seyn. Eine Regierungsjunta von drei Personen war schon designirt. Zaudernd und zweifelnd schreiben wir diese Dinge nieder; wir mögen selbst nicht daran glauben, aber kaum läßt sich für das ganze bisher aufgeführte Gebäude von Verrath und künstlich erregtem Fanatismus ein anderer Schlußstein denken. Dieß ungefähr ist es, was man bis jetzt von der Sache weiß... Was die letzten Tage enthüllt haben, wirft ein unheimliches Licht auf manches Frühere. Wozu ließ Hr. Glarakis in den letztverflossenen Monaten die ihm ergebenen Gouverneure einen nach dem andern in die Hauptstadt kommen, und behielt sie Wochen lang hier? War es ein bloßer Zufall, daß vor etwa sechs Monaten der Obrist Kolokotroni, Adjutant des Königs, den Engländer Masson, der 1834 die Untersuchung gegen dessen Vater geführt hatte, im Beseyn mehrerer Personen bedrohte, man werde sich binnen kurzem ihn und alle seinesgleichen, namentlich die englischen und amerikanischen Geistlichen, vom Halse zu schaffen wissen? Sowohl Hr. Masson als der amerikanische Consul sollen sich damals bei Sr. Maj. persönlich beklagt, und der Obrist einen mündlichen Verweis erhalten haben. Hing es nicht mit den Zwecken der Verschwörung zusammen, daß Glarakis und seine Anhänger diesen Sommer die dem König treu ergebene Familie Mavromichalis auf jede Weise zu verdächtigen suchten, und selbst einige deutsche Oberofficiere über ihre Absichten zu täuschen gewußt hatten? Wir könnten noch viele ähnliche vereinzelte Facta aufführen, aber sie fallen Jedem, der hier dem Gange der Begebenheiten mit Aufmerksamkeit gefolgt ist, von selbst ein. Auch wollen wir lieber in unsern Vermuthungen nicht zu weit gehen; wir wollen die geheimnißvolle Ankunft eines gewissen Dampfschiffes im Piräeus nicht mit den jetzigen Vorgängen in Verbindung bringen, wie einige Politiker hier thun zu müssen glauben; eine solche Combination wäre gewiß viel zu gewagt. Uebrigens liegt in der ganzen Sache eine große Lehre für unsere, wie für jede andere Regierung. Der von einem fremden Einfluß empfohlene, dem Staat vereidigte Minister, und der vom Staat bezahlte „Griechische Courier“ waren unablässig bemüht, ihre eigene Loyalität und ihren Royalismus anzupreisen, und die sogenannte liberale Opposition als Feinde der Ordnung und Freunde der Anarchie darzustellen; und jetzt ergibt sich, daß jene selbst gegen die Person des Königs conspirirten, während diese durch Wachsamkeit schon zum viertenmale den Thron und Staat gerettet haben.

Gestern Nachmittag ist endlich die Enthebung des Hrn. Glarakis von seinem bisherigen Posten erfolgt. An seine Stelle ist provisorisch der Staasrath Theocharis, Cabinetsrath Sr. Maj., zum Minister des Innern und des Cultus ernannt worden – ein rechtlicher Ehrenmann, der aber unter den gegenwärtigen Umständen schwerlich die nöthige Energie besitzen möchte. Es heißt, daß Hr. Theocharis nur mit großem Widerstreben die Ernennung angenommen, und daß die beiden wichtigen Portefeuilles definitiv dem Hrn. Christides (bis jetzt Gouverneur von Syra) übertragen werden dürften. Glarakis soll zum Gouverneur von Böotien ernannt seyn – eine befremdliche Sache, die sich hoffentlich nur daraus erklärt, daß man ihn in der Nähe und unter Augen zu behalten wünscht. Sonst gibt es heute früh nichts Neues. In Stadt und Umgegend herrscht freilich Spannung, aber vollkommene Ruhe.

Schwedische Zustände.

II. Beamtenbildung.

Es ist nicht zu läugnen, daß auch Schweden die Bahn des Fortschritts betreten hat, nur scheint man hier im Schneckengang sich vorwärts geschleppt zu haben, während anderwärts Riesenschritte gemacht wurden. Dieß ist um so auffallender, als Schweden seit dreißig Jahren eine freie Presse besaß, die nicht aufhörte auf Reformen zu dringen, während das Reich fast eben so lange eines ununterbrochenen Friedens genoß. Wenn aber die Geburtswehen, wovon jede neue Entwicklung in dem geistigen, wie in dem körperlichen

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Inzwischen hatten er und die Seinigen Zeit gewonnen, verdächtige Papiere hier und in den Provinzen auf die Seite zu bringen. Da unterdessen noch bestimmtere Anzeigen von dem Vorhandenseyn einer Verschwörung und einer nahen Gefahr gemacht wurden, so wurde, leider nicht die energische Gendarmerie, sondern Hr. Païkos mit der Untersuchung beauftragt. Dieser Minister hat früher, wenigstens im Allgemeinen, auch die Farbe jener Partei getragen; und wenn er gleich mit Hrn. Glarakis über die grassen Gesetzverletzungen desselben in der Sache des Priesters Kaïris persönlich zerfallen war, so mochte er doch für seine früheren Freunde noch einige Schonung fühlen. So glaubt ein Theil des Publicums sich die unbegreifliche Halbheit seiner Maaßregeln erklären zu müssen. Warum ließ er nicht zu derselben Stunde, wo bei Nikitas und Kapodistrias Haussuchung gehalten wurde, auch die Papiere des Hrn. Oekonomos und eines halben Duzend anderer Leute, die jedes Kind auf der Gasse zu nennen weiß, in Beschlag nehmen? Jene beiden sind an sich einfältige beschränkte Leute, bei denen höchstens Bosheit und Ränke den Abgang des Verstandes ersetzen; Jedermann begreift, daß sie nur die vorgeschobenen Werkzeuge ganz anderer Personen sind, wozu ihre persönlichen Verhältnisse sie geeignet machten. Hr. Nikitas ist unter Anderm auch Gevatter des Hrn. K.......s. Doch wie sich dieß auch verhalten möge, so muß man froh seyn, daß wenigstens bei Kapodistrias noch einige beweisende Actenstücke, und namentlich die Organisation oder Constitution der Verschwörung gefunden wurden. Aus dieser ersieht man, daß die Gesellschaft sehr klug den Namen der Orthodoxie und den Vorwand einer Eroberung Thessaliens zum Aushängschild gebraucht hatte, um auch wohlgesinnte, aber wenig scharfsichtige Leute für ihre Zwecke verlocken zu können. 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Was die letzten Tage enthüllt haben, wirft ein unheimliches Licht auf manches Frühere. Wozu ließ Hr. Glarakis in den letztverflossenen Monaten die ihm ergebenen Gouverneure einen nach dem andern in die Hauptstadt kommen, und behielt sie Wochen lang hier? War es ein bloßer Zufall, daß vor etwa sechs Monaten der Obrist Kolokotroni, Adjutant des Königs, den Engländer Masson, der 1834 die Untersuchung gegen dessen Vater geführt hatte, im Beseyn mehrerer Personen bedrohte, man werde sich binnen kurzem ihn und alle seinesgleichen, namentlich die englischen und amerikanischen Geistlichen, vom Halse zu schaffen wissen? Sowohl Hr. Masson als der amerikanische Consul sollen sich damals bei Sr. Maj. persönlich beklagt, und der Obrist einen mündlichen Verweis erhalten haben. Hing es nicht mit den Zwecken der Verschwörung zusammen, daß Glarakis und seine Anhänger diesen Sommer die dem König treu ergebene Familie Mavromichalis auf jede Weise zu verdächtigen suchten, und selbst einige deutsche Oberofficiere über ihre Absichten zu täuschen gewußt hatten? Wir könnten noch viele ähnliche vereinzelte Facta aufführen, aber sie fallen Jedem, der hier dem Gange der Begebenheiten mit Aufmerksamkeit gefolgt ist, von selbst ein. Auch wollen wir lieber in unsern Vermuthungen nicht zu weit gehen; wir wollen die geheimnißvolle Ankunft eines gewissen Dampfschiffes im Piräeus nicht mit den jetzigen Vorgängen in Verbindung bringen, wie einige Politiker hier thun zu müssen glauben; eine solche Combination wäre gewiß viel zu gewagt. Uebrigens liegt in der ganzen Sache eine große Lehre für unsere, wie für jede andere Regierung. Der von einem fremden Einfluß empfohlene, dem Staat vereidigte Minister, und der vom Staat bezahlte &#x201E;Griechische Courier&#x201C; waren unablässig bemüht, ihre eigene Loyalität und ihren Royalismus anzupreisen, und die sogenannte liberale Opposition als Feinde der Ordnung und Freunde der Anarchie darzustellen; und jetzt ergibt sich, daß jene selbst gegen die Person des Königs conspirirten, während diese durch Wachsamkeit schon zum viertenmale den Thron und Staat gerettet haben.</p>
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[0234/0010] des weisen Agathangelos, die Geschicke der Nation zu erfüllen. Man hatte einen andern orthodoxen König im Sinne. Aber wie weit sich die Keckheit der Plane verstieg, und bis zu welchem Grade des Verraths einer der ersten Diener des Königs sich hatte gewinnen lassen: das ahneten damals selbst die Sehenden noch nicht in seinem ganzen Umfange. Fortwährend aber summten im Publicum geheimnißvolle Andeutungen über das, was das Jahr 1840 bringen solle. Erst vor etwa vierzehn Tagen, heißt es, wurden Sr. Maj. selbst, so wie dem General v. Schmaltz und dem Minister Païkos Eröffnungen über den Bestand einer geheimen Gesellschaft unter dem Namen Orthodoxie gemacht. Arglos und vertrauensvoll sollen der König, so wie Hr. v. Schmaltz dieß dem Minister Glarakis mitgetheilt haben, der sich unbefangen bemühte, alle Besorgnisse zu zerstreuen oder wenigstens auf eine falsche Spur zu lenken, indem er den französischen Geschäftsträger und die Liberalgesinnten in Verdacht zu bringen suchte. Inzwischen hatten er und die Seinigen Zeit gewonnen, verdächtige Papiere hier und in den Provinzen auf die Seite zu bringen. Da unterdessen noch bestimmtere Anzeigen von dem Vorhandenseyn einer Verschwörung und einer nahen Gefahr gemacht wurden, so wurde, leider nicht die energische Gendarmerie, sondern Hr. Païkos mit der Untersuchung beauftragt. Dieser Minister hat früher, wenigstens im Allgemeinen, auch die Farbe jener Partei getragen; und wenn er gleich mit Hrn. Glarakis über die grassen Gesetzverletzungen desselben in der Sache des Priesters Kaïris persönlich zerfallen war, so mochte er doch für seine früheren Freunde noch einige Schonung fühlen. So glaubt ein Theil des Publicums sich die unbegreifliche Halbheit seiner Maaßregeln erklären zu müssen. Warum ließ er nicht zu derselben Stunde, wo bei Nikitas und Kapodistrias Haussuchung gehalten wurde, auch die Papiere des Hrn. Oekonomos und eines halben Duzend anderer Leute, die jedes Kind auf der Gasse zu nennen weiß, in Beschlag nehmen? Jene beiden sind an sich einfältige beschränkte Leute, bei denen höchstens Bosheit und Ränke den Abgang des Verstandes ersetzen; Jedermann begreift, daß sie nur die vorgeschobenen Werkzeuge ganz anderer Personen sind, wozu ihre persönlichen Verhältnisse sie geeignet machten. Hr. Nikitas ist unter Anderm auch Gevatter des Hrn. K.......s. Doch wie sich dieß auch verhalten möge, so muß man froh seyn, daß wenigstens bei Kapodistrias noch einige beweisende Actenstücke, und namentlich die Organisation oder Constitution der Verschwörung gefunden wurden. Aus dieser ersieht man, daß die Gesellschaft sehr klug den Namen der Orthodoxie und den Vorwand einer Eroberung Thessaliens zum Aushängschild gebraucht hatte, um auch wohlgesinnte, aber wenig scharfsichtige Leute für ihre Zwecke verlocken zu können. Die wahre Tendenz aber zeigt die eidliche Verpflichtung im Namen des künftigen orthodoxen Herrschers. Die Theilnehmer der Verschwörung waren zur Anschaffung von Kriegsbedürfnissen verpflichtet, und es heißt, daß in den benachbarten Ortschaften um Athen gegen dreitausend Mann in Bereitschaft gehalten wurden. Der morgende Tag, als der erste Januar, oder nach andern Angaben der sechste des Monats, an welchem sich der König zur Wasserweihe in den Piräeus zu begeben pflegt, soll zum Ausbruch bestimmt, und außer einer hohen Person auch viele Andere der Partei bezeichnet gewesen seyn. Eine Regierungsjunta von drei Personen war schon designirt. Zaudernd und zweifelnd schreiben wir diese Dinge nieder; wir mögen selbst nicht daran glauben, aber kaum läßt sich für das ganze bisher aufgeführte Gebäude von Verrath und künstlich erregtem Fanatismus ein anderer Schlußstein denken. Dieß ungefähr ist es, was man bis jetzt von der Sache weiß... Was die letzten Tage enthüllt haben, wirft ein unheimliches Licht auf manches Frühere. Wozu ließ Hr. Glarakis in den letztverflossenen Monaten die ihm ergebenen Gouverneure einen nach dem andern in die Hauptstadt kommen, und behielt sie Wochen lang hier? War es ein bloßer Zufall, daß vor etwa sechs Monaten der Obrist Kolokotroni, Adjutant des Königs, den Engländer Masson, der 1834 die Untersuchung gegen dessen Vater geführt hatte, im Beseyn mehrerer Personen bedrohte, man werde sich binnen kurzem ihn und alle seinesgleichen, namentlich die englischen und amerikanischen Geistlichen, vom Halse zu schaffen wissen? Sowohl Hr. Masson als der amerikanische Consul sollen sich damals bei Sr. Maj. persönlich beklagt, und der Obrist einen mündlichen Verweis erhalten haben. Hing es nicht mit den Zwecken der Verschwörung zusammen, daß Glarakis und seine Anhänger diesen Sommer die dem König treu ergebene Familie Mavromichalis auf jede Weise zu verdächtigen suchten, und selbst einige deutsche Oberofficiere über ihre Absichten zu täuschen gewußt hatten? Wir könnten noch viele ähnliche vereinzelte Facta aufführen, aber sie fallen Jedem, der hier dem Gange der Begebenheiten mit Aufmerksamkeit gefolgt ist, von selbst ein. Auch wollen wir lieber in unsern Vermuthungen nicht zu weit gehen; wir wollen die geheimnißvolle Ankunft eines gewissen Dampfschiffes im Piräeus nicht mit den jetzigen Vorgängen in Verbindung bringen, wie einige Politiker hier thun zu müssen glauben; eine solche Combination wäre gewiß viel zu gewagt. Uebrigens liegt in der ganzen Sache eine große Lehre für unsere, wie für jede andere Regierung. Der von einem fremden Einfluß empfohlene, dem Staat vereidigte Minister, und der vom Staat bezahlte „Griechische Courier“ waren unablässig bemüht, ihre eigene Loyalität und ihren Royalismus anzupreisen, und die sogenannte liberale Opposition als Feinde der Ordnung und Freunde der Anarchie darzustellen; und jetzt ergibt sich, daß jene selbst gegen die Person des Königs conspirirten, während diese durch Wachsamkeit schon zum viertenmale den Thron und Staat gerettet haben. _ Athen, 12 Jan. Gestern Nachmittag ist endlich die Enthebung des Hrn. Glarakis von seinem bisherigen Posten erfolgt. An seine Stelle ist provisorisch der Staasrath Theocharis, Cabinetsrath Sr. Maj., zum Minister des Innern und des Cultus ernannt worden – ein rechtlicher Ehrenmann, der aber unter den gegenwärtigen Umständen schwerlich die nöthige Energie besitzen möchte. Es heißt, daß Hr. Theocharis nur mit großem Widerstreben die Ernennung angenommen, und daß die beiden wichtigen Portefeuilles definitiv dem Hrn. Christides (bis jetzt Gouverneur von Syra) übertragen werden dürften. Glarakis soll zum Gouverneur von Böotien ernannt seyn – eine befremdliche Sache, die sich hoffentlich nur daraus erklärt, daß man ihn in der Nähe und unter Augen zu behalten wünscht. Sonst gibt es heute früh nichts Neues. In Stadt und Umgegend herrscht freilich Spannung, aber vollkommene Ruhe. Schwedische Zustände. II. Beamtenbildung. _ Stockholm, Januar. Es ist nicht zu läugnen, daß auch Schweden die Bahn des Fortschritts betreten hat, nur scheint man hier im Schneckengang sich vorwärts geschleppt zu haben, während anderwärts Riesenschritte gemacht wurden. Dieß ist um so auffallender, als Schweden seit dreißig Jahren eine freie Presse besaß, die nicht aufhörte auf Reformen zu dringen, während das Reich fast eben so lange eines ununterbrochenen Friedens genoß. Wenn aber die Geburtswehen, wovon jede neue Entwicklung in dem geistigen, wie in dem körperlichen

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 30. Augsburg, 30. Januar 1840, S. 0234. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_030_18400130/10>, abgerufen am 29.03.2024.