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Allgemeine Zeitung. Nr. 70. Augsburg, 10. März 1840.

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dem noch hinzu, daß die Regierung geglaubt hat, es liege nicht sowohl in ihrem eigenen Interesse, sondern besonders in dem der Kammer selbst, sich bei der gegenwärtigen Discussion innerhalb der Gränzen zu halten, die man mit Recht von einer sächsischen Ständeversammlung erwarten kann. In der That, meine Herren, ich habe die Ueberzeugung bisher gehabt, daß die sächsische Ständeversammlung zeither als ein Muster dagestanden habe, in Beziehung auf die Rücksichten, welche sie der Regierung jederzeit gewährt hat. Ich bekenne aber auch, daß dieser Vorgang der Ständeversammlung auch in der öffentlichen Meinung Nachtheil bringen wird. Ich nehme keinen Anstand, das öffentlich auszusprechen, es mag dieß getadelt oder gelobt werden - ich bin stets aufrichtig gewesen - ich habe es auch bei der Berathung mit der Deputation und in dieser Discussion bewiesen, - daher gestatten Sie mir auch, meine Herren, daß ich meine Meinung auch dießmal öffentlich ausspreche."

v. Thielau stellte hierauf den Antrag, die Frage an die Kammer zu richten: "ob dieselbe hinsichtlich derjenigen Ausdrücke, welche einer der Sprecher heute in der Kammer sich erlaubt, und welche von den königlichen Commissarien gemißbilligt worden sind, gleichfalls ihre Mißbilligung ausspreche?" Worauf der Präsident, Dr. Haase, äußerte, er hoffe, die Kammer werde darin einverstanden seyn, daß eine weitere Discussion darüber weder zuträglich noch überhaupt wünschenswerth sey.

Nachdem mehrere Redner für und wider den Antrag gesprochen, äußerte v. Thielau: "Hätte der Referent nicht das Verfahren der Regierung und des Directoriums getadelt, so würde ich ebenfalls nicht gesprochen haben. Er hat aber beklagt, daß der Redner unterbrochen worden ist, und zwar einen Tadel dabei ausgesprochen. Es ist die Unterbrechung geschehen von Seite des Staatsministeriums und von Seite des Präsidenten. Es ist das Verfahren Beider getadelt worden, und ich für meinen Theil glaube, daß man bei dem Verfahren, welches die Staatsregierung der Kammer gegenüber in dieser Angelegenheit eingeschlagen hat, unmöglich zugeben kann, daß sie oder das Directorium getadelt werde, ohne daß die Kammer sich darüber erkläre, ob sie die Ansichten des Referenten theile. Ich habe geglaubt, daß eine Frage deßhalb gestellt werden müsse, und bin überzeugt, daß die Majorität der Kammer die Ansicht des Referenten nicht theilt."

Braun: "Wenn die Ausdrücke nicht einmal bezeichnet werden können, über welche das Mißfallen der Kammer auszusprechen seyn soll, so kann sich die Kammer nicht entschließen, ob sie dem Antrage beitreten kann oder nicht. Daher finde ich, daß dem vermittelnden Vorschlage des Präsidenten, daß dem Antrage keine Folge zu geben, sondern derselbe als unverträglich mit der guten Sache angesehen werde, beizutreten ist, und hoffe, daß dadurch die leidige Sache abgemacht wird."

Eisenstuck erhob sich hierauf und bemerkte: "Ich theile die Aeußerungen des Mitgliedes nicht, welche hier in der Kammer erschallt sind, und welche die Veranlassung waren, daß der Präsident den Redner aufmerksam machte und dieser nun seine Rede schloß. Das scheint der Landtagsordnung ganz gemäß, und dadurch, daß die Kammer dem Präsidenten nicht widersprochen hat, indem er den Redner von der Weiterrede abhielt und ihn zu einem andern Ton ermahnte, durch dieses Nichtwidersprechen, glaube ich, hat sich die Kammer deutlich dahin erklärt, daß sie auch derselben Ansicht sey wie der Hr. Präsident und der Hr. Staatsminister. Ich glaube also, es wird durch eine solche Erörterung nichts erreicht, und es scheint mir auch, ein solches Censurcollegium in der Kammer über die Kammer zu errichten, nicht sachgemäß. Der berufene und erwählte Kammercensor ist der Präsident, der mag censiren, und dessen Censur muß jedes Mitglied dankbar empfangen. Wenn die Kammer findet, daß er ein ungerechter Censor ist, so mag sie sich dagegen erklären, wenn sie sich nicht censiren lassen will; wenn sie aber nichts dagegen sagt, so hat sie die Censur genehmigt, und Allen ist Genüge geschehen." Auf die Frage des Präsidenten, ob die Kammer mit seinem Verfahren, welches er bei dem Unterbrechen des Redners beobachtet habe, einverstanden sey, erhob sich eine große Mehrheit dafür. Nachdem hierauf der Präsident über den ersten Antrag der Deputation *) die Frage an die Kammer gerichtet, erklärte
Staatsminister v. Zeschau: "Ich halte, wie ich bereits früher auf einen ähnlichen Antrag erklärt habe, einen solchen Antrag nicht für gut. Ich kann nur wiederholen, was die Regierung bereits früher gesagt hat: sie wird thun, was ihrer Pflicht gemäß ist," worauf der Antrag einstimmig angenommen wurde. Als der Präsident den zweiten Antrag **)**) gestellt, äußerte
Staatsminister v. Zeschau: "Muß ich auch nach den Ansichten und Meinungen, welche sich in der Kammer über die vorliegende Angelegenheit ausgesprochen haben, besorgen, daß die Bedenken, welche die Regierung gegen diesen oder jenen Antrag ausstellen wird, keinen Anklang in der Kammer finden werden, so liegt es mir doch ob, die Kammer darauf aufmerksam zu machen, wenn der Regierung gegen einen Antrag so wesentliche Bedenken beigehen, als hier. Es ist von einem Bundesbeschlusse die Rede, welcher die Angelegenheiten eines fremden Staates betrifft. Es geht in der That daher über das Befugniß der geehrten Kammer, es geht sogar über die Berechtigung der Staatsregierung hinaus, hier eine authentische Interpretation des Beschlusses zu beantragen. Ich enthalte mich übrigens die Gründe hervorzuheben, welche politischer Natur seyn könnten, um eine solche Interpretation nicht zu beantragen."

Abg. v. Thielau entgegnete: "Die Deputation hat auf diesen Antrag die größte Wichtigkeit legen müssen. Es ist sehr natürlich, daß das Vertrauen zu der Regierung des Landes, welche in Frage steht, nur dann wiederhergestellt werden kann, wenn mit denjenigen Vertretern verhandelt wird, welche nach der frühern Verfassung als allein legitimirt angesehen werden können. Was soll die Folge von Verhandlungen mit andern Ständen seyn, als dieselben Zweifel über die Gültigkeit der Verhandlungen hervorzurufen, welche jeder Ständeversammlung entgegenstanden, die man bis jetzt versucht hat, in diesem Lande zusammenzuberufen. Das ist eben der große Uebelstand, daß das Vertrauen, einmal vernichtet, sich so schwer wiederherstellen läßt. Es ist der Zwischenact der Jahre lang rechtskräftig bestandenen, von König und Volk anerkannten Verfassung von 1833 nie zu verlöschen, und man wird nie auf ein anderes Fundament recurriren können, um eine neue Verfassung zu begründen, als auf eben diese einseitig aufgehobene Verfassung. Die Einwürfe gegen die Beschlüsse einer solchen Ständeversammlung, die nach der Verfassung von 1819 einberufen wird, müssen unbedingt dieselben seyn, welche jeder frühern Ständeversammlung entgegenstanden, und die Zweifel über die Gültigkeit einer auf diese Weise zu Stande gebrachten neuen Verfassung müssen noch größer seyn, als die irgend gegen die Gültigkeit

*) Daß die Regierung sich in Frankfurt für Wiederherstellung des zerstörten Rechtszustandes in Hannover auch fernerhin kräftigst verwenden solle.
**) Eine authentische Erklärung der letzten Entscheidung des Bundestags, und des Ausdrucks "dermalige Stände."

dem noch hinzu, daß die Regierung geglaubt hat, es liege nicht sowohl in ihrem eigenen Interesse, sondern besonders in dem der Kammer selbst, sich bei der gegenwärtigen Discussion innerhalb der Gränzen zu halten, die man mit Recht von einer sächsischen Ständeversammlung erwarten kann. In der That, meine Herren, ich habe die Ueberzeugung bisher gehabt, daß die sächsische Ständeversammlung zeither als ein Muster dagestanden habe, in Beziehung auf die Rücksichten, welche sie der Regierung jederzeit gewährt hat. Ich bekenne aber auch, daß dieser Vorgang der Ständeversammlung auch in der öffentlichen Meinung Nachtheil bringen wird. Ich nehme keinen Anstand, das öffentlich auszusprechen, es mag dieß getadelt oder gelobt werden – ich bin stets aufrichtig gewesen – ich habe es auch bei der Berathung mit der Deputation und in dieser Discussion bewiesen, – daher gestatten Sie mir auch, meine Herren, daß ich meine Meinung auch dießmal öffentlich ausspreche.“

v. Thielau stellte hierauf den Antrag, die Frage an die Kammer zu richten: „ob dieselbe hinsichtlich derjenigen Ausdrücke, welche einer der Sprecher heute in der Kammer sich erlaubt, und welche von den königlichen Commissarien gemißbilligt worden sind, gleichfalls ihre Mißbilligung ausspreche?“ Worauf der Präsident, Dr. Haase, äußerte, er hoffe, die Kammer werde darin einverstanden seyn, daß eine weitere Discussion darüber weder zuträglich noch überhaupt wünschenswerth sey.

Nachdem mehrere Redner für und wider den Antrag gesprochen, äußerte v. Thielau: „Hätte der Referent nicht das Verfahren der Regierung und des Directoriums getadelt, so würde ich ebenfalls nicht gesprochen haben. Er hat aber beklagt, daß der Redner unterbrochen worden ist, und zwar einen Tadel dabei ausgesprochen. Es ist die Unterbrechung geschehen von Seite des Staatsministeriums und von Seite des Präsidenten. Es ist das Verfahren Beider getadelt worden, und ich für meinen Theil glaube, daß man bei dem Verfahren, welches die Staatsregierung der Kammer gegenüber in dieser Angelegenheit eingeschlagen hat, unmöglich zugeben kann, daß sie oder das Directorium getadelt werde, ohne daß die Kammer sich darüber erkläre, ob sie die Ansichten des Referenten theile. Ich habe geglaubt, daß eine Frage deßhalb gestellt werden müsse, und bin überzeugt, daß die Majorität der Kammer die Ansicht des Referenten nicht theilt.“

Braun: „Wenn die Ausdrücke nicht einmal bezeichnet werden können, über welche das Mißfallen der Kammer auszusprechen seyn soll, so kann sich die Kammer nicht entschließen, ob sie dem Antrage beitreten kann oder nicht. Daher finde ich, daß dem vermittelnden Vorschlage des Präsidenten, daß dem Antrage keine Folge zu geben, sondern derselbe als unverträglich mit der guten Sache angesehen werde, beizutreten ist, und hoffe, daß dadurch die leidige Sache abgemacht wird.“

Eisenstuck erhob sich hierauf und bemerkte: „Ich theile die Aeußerungen des Mitgliedes nicht, welche hier in der Kammer erschallt sind, und welche die Veranlassung waren, daß der Präsident den Redner aufmerksam machte und dieser nun seine Rede schloß. Das scheint der Landtagsordnung ganz gemäß, und dadurch, daß die Kammer dem Präsidenten nicht widersprochen hat, indem er den Redner von der Weiterrede abhielt und ihn zu einem andern Ton ermahnte, durch dieses Nichtwidersprechen, glaube ich, hat sich die Kammer deutlich dahin erklärt, daß sie auch derselben Ansicht sey wie der Hr. Präsident und der Hr. Staatsminister. Ich glaube also, es wird durch eine solche Erörterung nichts erreicht, und es scheint mir auch, ein solches Censurcollegium in der Kammer über die Kammer zu errichten, nicht sachgemäß. Der berufene und erwählte Kammercensor ist der Präsident, der mag censiren, und dessen Censur muß jedes Mitglied dankbar empfangen. Wenn die Kammer findet, daß er ein ungerechter Censor ist, so mag sie sich dagegen erklären, wenn sie sich nicht censiren lassen will; wenn sie aber nichts dagegen sagt, so hat sie die Censur genehmigt, und Allen ist Genüge geschehen.“ Auf die Frage des Präsidenten, ob die Kammer mit seinem Verfahren, welches er bei dem Unterbrechen des Redners beobachtet habe, einverstanden sey, erhob sich eine große Mehrheit dafür. Nachdem hierauf der Präsident über den ersten Antrag der Deputation *) die Frage an die Kammer gerichtet, erklärte
Staatsminister v. Zeschau: „Ich halte, wie ich bereits früher auf einen ähnlichen Antrag erklärt habe, einen solchen Antrag nicht für gut. Ich kann nur wiederholen, was die Regierung bereits früher gesagt hat: sie wird thun, was ihrer Pflicht gemäß ist,“ worauf der Antrag einstimmig angenommen wurde. Als der Präsident den zweiten Antrag **)**) gestellt, äußerte
Staatsminister v. Zeschau: „Muß ich auch nach den Ansichten und Meinungen, welche sich in der Kammer über die vorliegende Angelegenheit ausgesprochen haben, besorgen, daß die Bedenken, welche die Regierung gegen diesen oder jenen Antrag ausstellen wird, keinen Anklang in der Kammer finden werden, so liegt es mir doch ob, die Kammer darauf aufmerksam zu machen, wenn der Regierung gegen einen Antrag so wesentliche Bedenken beigehen, als hier. Es ist von einem Bundesbeschlusse die Rede, welcher die Angelegenheiten eines fremden Staates betrifft. Es geht in der That daher über das Befugniß der geehrten Kammer, es geht sogar über die Berechtigung der Staatsregierung hinaus, hier eine authentische Interpretation des Beschlusses zu beantragen. Ich enthalte mich übrigens die Gründe hervorzuheben, welche politischer Natur seyn könnten, um eine solche Interpretation nicht zu beantragen.“

Abg. v. Thielau entgegnete: „Die Deputation hat auf diesen Antrag die größte Wichtigkeit legen müssen. Es ist sehr natürlich, daß das Vertrauen zu der Regierung des Landes, welche in Frage steht, nur dann wiederhergestellt werden kann, wenn mit denjenigen Vertretern verhandelt wird, welche nach der frühern Verfassung als allein legitimirt angesehen werden können. Was soll die Folge von Verhandlungen mit andern Ständen seyn, als dieselben Zweifel über die Gültigkeit der Verhandlungen hervorzurufen, welche jeder Ständeversammlung entgegenstanden, die man bis jetzt versucht hat, in diesem Lande zusammenzuberufen. Das ist eben der große Uebelstand, daß das Vertrauen, einmal vernichtet, sich so schwer wiederherstellen läßt. Es ist der Zwischenact der Jahre lang rechtskräftig bestandenen, von König und Volk anerkannten Verfassung von 1833 nie zu verlöschen, und man wird nie auf ein anderes Fundament recurriren können, um eine neue Verfassung zu begründen, als auf eben diese einseitig aufgehobene Verfassung. Die Einwürfe gegen die Beschlüsse einer solchen Ständeversammlung, die nach der Verfassung von 1819 einberufen wird, müssen unbedingt dieselben seyn, welche jeder frühern Ständeversammlung entgegenstanden, und die Zweifel über die Gültigkeit einer auf diese Weise zu Stande gebrachten neuen Verfassung müssen noch größer seyn, als die irgend gegen die Gültigkeit

*) Daß die Regierung sich in Frankfurt für Wiederherstellung des zerstörten Rechtszustandes in Hannover auch fernerhin kräftigst verwenden solle.
**) Eine authentische Erklärung der letzten Entscheidung des Bundestags, und des Ausdrucks „dermalige Stände.“
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[0555/0011] dem noch hinzu, daß die Regierung geglaubt hat, es liege nicht sowohl in ihrem eigenen Interesse, sondern besonders in dem der Kammer selbst, sich bei der gegenwärtigen Discussion innerhalb der Gränzen zu halten, die man mit Recht von einer sächsischen Ständeversammlung erwarten kann. In der That, meine Herren, ich habe die Ueberzeugung bisher gehabt, daß die sächsische Ständeversammlung zeither als ein Muster dagestanden habe, in Beziehung auf die Rücksichten, welche sie der Regierung jederzeit gewährt hat. Ich bekenne aber auch, daß dieser Vorgang der Ständeversammlung auch in der öffentlichen Meinung Nachtheil bringen wird. Ich nehme keinen Anstand, das öffentlich auszusprechen, es mag dieß getadelt oder gelobt werden – ich bin stets aufrichtig gewesen – ich habe es auch bei der Berathung mit der Deputation und in dieser Discussion bewiesen, – daher gestatten Sie mir auch, meine Herren, daß ich meine Meinung auch dießmal öffentlich ausspreche.“ v. Thielau stellte hierauf den Antrag, die Frage an die Kammer zu richten: „ob dieselbe hinsichtlich derjenigen Ausdrücke, welche einer der Sprecher heute in der Kammer sich erlaubt, und welche von den königlichen Commissarien gemißbilligt worden sind, gleichfalls ihre Mißbilligung ausspreche?“ Worauf der Präsident, Dr. Haase, äußerte, er hoffe, die Kammer werde darin einverstanden seyn, daß eine weitere Discussion darüber weder zuträglich noch überhaupt wünschenswerth sey. Nachdem mehrere Redner für und wider den Antrag gesprochen, äußerte v. Thielau: „Hätte der Referent nicht das Verfahren der Regierung und des Directoriums getadelt, so würde ich ebenfalls nicht gesprochen haben. Er hat aber beklagt, daß der Redner unterbrochen worden ist, und zwar einen Tadel dabei ausgesprochen. Es ist die Unterbrechung geschehen von Seite des Staatsministeriums und von Seite des Präsidenten. Es ist das Verfahren Beider getadelt worden, und ich für meinen Theil glaube, daß man bei dem Verfahren, welches die Staatsregierung der Kammer gegenüber in dieser Angelegenheit eingeschlagen hat, unmöglich zugeben kann, daß sie oder das Directorium getadelt werde, ohne daß die Kammer sich darüber erkläre, ob sie die Ansichten des Referenten theile. Ich habe geglaubt, daß eine Frage deßhalb gestellt werden müsse, und bin überzeugt, daß die Majorität der Kammer die Ansicht des Referenten nicht theilt.“ Braun: „Wenn die Ausdrücke nicht einmal bezeichnet werden können, über welche das Mißfallen der Kammer auszusprechen seyn soll, so kann sich die Kammer nicht entschließen, ob sie dem Antrage beitreten kann oder nicht. Daher finde ich, daß dem vermittelnden Vorschlage des Präsidenten, daß dem Antrage keine Folge zu geben, sondern derselbe als unverträglich mit der guten Sache angesehen werde, beizutreten ist, und hoffe, daß dadurch die leidige Sache abgemacht wird.“ Eisenstuck erhob sich hierauf und bemerkte: „Ich theile die Aeußerungen des Mitgliedes nicht, welche hier in der Kammer erschallt sind, und welche die Veranlassung waren, daß der Präsident den Redner aufmerksam machte und dieser nun seine Rede schloß. Das scheint der Landtagsordnung ganz gemäß, und dadurch, daß die Kammer dem Präsidenten nicht widersprochen hat, indem er den Redner von der Weiterrede abhielt und ihn zu einem andern Ton ermahnte, durch dieses Nichtwidersprechen, glaube ich, hat sich die Kammer deutlich dahin erklärt, daß sie auch derselben Ansicht sey wie der Hr. Präsident und der Hr. Staatsminister. Ich glaube also, es wird durch eine solche Erörterung nichts erreicht, und es scheint mir auch, ein solches Censurcollegium in der Kammer über die Kammer zu errichten, nicht sachgemäß. Der berufene und erwählte Kammercensor ist der Präsident, der mag censiren, und dessen Censur muß jedes Mitglied dankbar empfangen. Wenn die Kammer findet, daß er ein ungerechter Censor ist, so mag sie sich dagegen erklären, wenn sie sich nicht censiren lassen will; wenn sie aber nichts dagegen sagt, so hat sie die Censur genehmigt, und Allen ist Genüge geschehen.“ Auf die Frage des Präsidenten, ob die Kammer mit seinem Verfahren, welches er bei dem Unterbrechen des Redners beobachtet habe, einverstanden sey, erhob sich eine große Mehrheit dafür. Nachdem hierauf der Präsident über den ersten Antrag der Deputation *) die Frage an die Kammer gerichtet, erklärte Staatsminister v. Zeschau: „Ich halte, wie ich bereits früher auf einen ähnlichen Antrag erklärt habe, einen solchen Antrag nicht für gut. Ich kann nur wiederholen, was die Regierung bereits früher gesagt hat: sie wird thun, was ihrer Pflicht gemäß ist,“ worauf der Antrag einstimmig angenommen wurde. Als der Präsident den zweiten Antrag **) **) gestellt, äußerte Staatsminister v. Zeschau: „Muß ich auch nach den Ansichten und Meinungen, welche sich in der Kammer über die vorliegende Angelegenheit ausgesprochen haben, besorgen, daß die Bedenken, welche die Regierung gegen diesen oder jenen Antrag ausstellen wird, keinen Anklang in der Kammer finden werden, so liegt es mir doch ob, die Kammer darauf aufmerksam zu machen, wenn der Regierung gegen einen Antrag so wesentliche Bedenken beigehen, als hier. Es ist von einem Bundesbeschlusse die Rede, welcher die Angelegenheiten eines fremden Staates betrifft. Es geht in der That daher über das Befugniß der geehrten Kammer, es geht sogar über die Berechtigung der Staatsregierung hinaus, hier eine authentische Interpretation des Beschlusses zu beantragen. Ich enthalte mich übrigens die Gründe hervorzuheben, welche politischer Natur seyn könnten, um eine solche Interpretation nicht zu beantragen.“ Abg. v. Thielau entgegnete: „Die Deputation hat auf diesen Antrag die größte Wichtigkeit legen müssen. Es ist sehr natürlich, daß das Vertrauen zu der Regierung des Landes, welche in Frage steht, nur dann wiederhergestellt werden kann, wenn mit denjenigen Vertretern verhandelt wird, welche nach der frühern Verfassung als allein legitimirt angesehen werden können. Was soll die Folge von Verhandlungen mit andern Ständen seyn, als dieselben Zweifel über die Gültigkeit der Verhandlungen hervorzurufen, welche jeder Ständeversammlung entgegenstanden, die man bis jetzt versucht hat, in diesem Lande zusammenzuberufen. Das ist eben der große Uebelstand, daß das Vertrauen, einmal vernichtet, sich so schwer wiederherstellen läßt. Es ist der Zwischenact der Jahre lang rechtskräftig bestandenen, von König und Volk anerkannten Verfassung von 1833 nie zu verlöschen, und man wird nie auf ein anderes Fundament recurriren können, um eine neue Verfassung zu begründen, als auf eben diese einseitig aufgehobene Verfassung. Die Einwürfe gegen die Beschlüsse einer solchen Ständeversammlung, die nach der Verfassung von 1819 einberufen wird, müssen unbedingt dieselben seyn, welche jeder frühern Ständeversammlung entgegenstanden, und die Zweifel über die Gültigkeit einer auf diese Weise zu Stande gebrachten neuen Verfassung müssen noch größer seyn, als die irgend gegen die Gültigkeit *) Daß die Regierung sich in Frankfurt für Wiederherstellung des zerstörten Rechtszustandes in Hannover auch fernerhin kräftigst verwenden solle. **) Eine authentische Erklärung der letzten Entscheidung des Bundestags, und des Ausdrucks „dermalige Stände.“

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 70. Augsburg, 10. März 1840, S. 0555. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_070_18400310/11>, abgerufen am 16.04.2024.