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Allgemeine Zeitung. Nr. 87. Augsburg, 27. März 1840.

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mich, denn ich brauche eure Stimmen, um meine Majorität vollzählig zu machen. Wenn ihr mir eure Stimmen verweigert, so falle ich zwar, aber ich hindere euch dann meinerseits, zu regieren. Nach mir ist keine Regierung möglich." In England hat, so viel wir uns erinnern, Pitt nie seinen Gegner Fox aufgefordert, ihm seine Stimmen zu leihen. Gewöhnlich hat die Opposition ihre eigenen Principien, so gut wie die Majorität, und wenn die Opposition ans Ruder kommt, sucht sie nach ihren Principien zu regieren und bettelt nicht um Stimmen in der besiegten ehemaligen Majorität. Wie kommt es nun, daß wir aus allen Regeln, aus allen Gesetzen der Repräsentativregierung getreten sind? Oeffnet die Augen, ihr arroganten oder spitzfindigen Doctoren der parlamentarischen Regierung, die ihr Alles verworren und vermengt habt. Eure Coalition ist die Ursache des Uebels, das euch nun eurerseits verzehrt, die Quelle der Verlegenheiten, die ihr empfindet. Das Geschehene sollte der Gegenwart und Zukunft als Lehre dienen. Der Erfolg der Coalition hat die extremen Parteien eine verderbliche Taktik gelehrt - die Taktik, sich stets den andern Parteien zur Bildung einer Majorität anzuschließen, so oft es sich ums Zerstören handelt. Auf diese Weise dominiren die extremen Fractionen die ganze Kammer. Wenn wir das Uebel hier bezeichnen, so geschieht es nicht, um es zu vergrößern, sondern damit Frankreich den Ursprung der jetzigen Verlegenheiten kenne. Durch eine kluge Nachgiebigkeit, welche die Leidenschaften beruhigt, ohne die Principien zu opfern, stärkt man am leichtesten die Gewalt, macht ehrenwerthe und zuverlässige Eroberungen unter den Parteien, und erweitert allmählich die Reihen der Majorität. Die Coalitionen zwischen entgegengesetzten Principien aber dauern nur so lange als die Leidenschaften, aus denen sie hervorgegangen, und nichts von ihnen bleibt, als was wir gegenwärtig sehen, nämlich Zwietracht ohne Ende, zerrissene Parteien, Fahnen ohne Wahlspruch und ohne Farbe, Männer, die sich einander nähern, sich trennen, sich bekämpfen oder unterstützen, nicht nach ihren Principien, sondern nur nach ihren persönlichen Interessen und ihrer augenblicklichen Laune."

Wir heben aus dem Commissionsbericht des Hrn. Berville über die geheimen Fonds noch folgende Stellen aus: "Man verlangt ein Vertrauensvotum von Ihnen. Dürfen Sie durch Abweisung desselben erklären, daß die Verwaltung Ihr Vertrauen nicht hat? Ueber diesen Punkt haben sich zwei Meinungen in Ihrer Commission kund gegeben. Die Minorität vertraut dem neuen Ministerium nicht. "Das Ministerium stellt (sagt die Minorität) sich als Vermittler hin: unter welchem Titel? Die Vermittlung setzt die Neutralität voraus. Noch gestern aber gehörte es zu der kriegführenden Partei. Welche Garantien bietet es? Die der Personen? Es läßt sie außer dem Spiele. Die der Principien? Es nähert sich der Opposition. Ohne von geheimen Verpflichtungen zu sprechen, die man doch mit Recht vermuthen darf, ist es nicht in Abhängigkeit von der Opposition, weil es einer Majorität bedarf? Wird es wohl deren Forderungen widerstehen können?" ... Solchergestalt motivirt die Minorität der Commission ihr Mißtrauen in Bezug auf das Ministerium, nicht als ob sie die nöthigen Fonds für die Staatssicherheit verweigern möchte; aber sie glaubt, daß die Meinung, deren Organ sie ist, sie nicht zum Beitritt verpflichte, und behält sich für die Zukunft ganz freie Hand und Abstimmung vor. (Stimmen aus dem Centrum: so ist es!) Die Majorität der Commission, meine Herren, war weit davon entfernt, diesen Beweggründen beizustimmen und jenes Mißtrauen zu theilen. Die Zusammensetzung des Ministeriums erscheint ihr als eine erste Garantie guter und weiser Verwaltung. ... Das Ministerium erklärt (wir führen seine Worte an), "es wolle weder mit dem rechten Centrum gegen die Linke, noch mit der Linken gegen das rechte Centrum regieren." Dieser Gedanke entspricht, wie uns scheint, den Wünschen des Landes, hauptsächlich aber den Nothwendigkeiten, welche der gegenwärtige Zustand der Wahlkammer auflegt. Ein Umstand ist seit einigen Jahren Jedermann aufgefallen: die fortschreitende Zersplitterung der Kammer, die allmähliche Abnahme der Majorität. Unter dem Ministerium des 22 Febr. noch mächtig, ist sie unter dessen Nachfolgern immer schwächer und zweifelhafter geworden. Sie entschlüpfte gar bald dem Ministerium vom 6 Sept., wie denen vom 15 April und vom 12 Mai. Zwei fast aufeinanderfolgende Auflösungen haben, weit entfernt die Majorität wieder herzustellen, sie nur noch geringer gemacht. Jetzt existirt die vormalige Majorität nicht mehr; sie ist nur noch die stärkste der Minoritäten: die neue Majorität wird erst gesucht; noch hat sie Niemand gefunden. (Lachen im rechten Centrum.) Daraus entspringt die Unmöglichkeit für jeden, wer es auch sey, durch Ausschließung zu regieren; jedes Ministerium, will es nicht untergehen, muß sich auf die Vereinigung, nicht auf die Spaltung der Parteien stützen. Dieß ist, unserer Ansicht nach, eine glückliche Nothwendigkeit; denn durch die Epuration schwächen sich die Staatsgewalten, und die Regierungen gehen unter. ... "Die Meinungen, hat das Ministerium mit Recht gesagt, sind jetzt mehr zersplittert als glühend." Im Innern Ruhe; an der Tagesordnung nichts Ernstes außer der auswärtigen Frage, die zwar sehr ernst, aber geeignet ist, die Meinungen eher zu vereinigen als zu trennen; denn die noch über die Punkte der innern Politik gespaltene Kammer wird wohl nicht über die Punkte gespalten seyn, welche die Sicherheit, die Würde des Landes berühren. ... Was jene geheimen Verträge (des Ministeriums mit der Linken), die man vermuthet, betrifft, so glaubt die Majorität der Commission nicht daran. Man wundert sich, die alte Opposition zum erstenmal geheime Fonds votiren zu sehen: die Opposition erklärt sich über ihre Ansicht. Sie votirt nicht für einen Credit, sondern für ein Cabinet. Indem sie ein Ministerium unterstützt, das ihr weniger widerstrebt als die früheren Cabinette, thut die alte Opposition etwas ganz Einfaches und zugleich Zeitgemäßes, dem Lande Nützliches. (Verworrenes Geräusch im rechten Centrum.) Früher war ihr die Staatsgewalt feindlich, jetzt verspricht man ihr eine unparteiische. Man denuncirte sie als jeder Regierung widerstrebend (ingouvernable); sie zeigt sich als conservativ und gemäßigt. (Neues Geräusch auf den Bänken des rechten Centrums.) Ja, sie zeigt sich als conservativ und gemäßigt, indem sie beiträgt zur Lösung einer besorglichen Krise, und ein ganz außerhalb ihrer Reihen genommenes Ministerium unterstützt." ... (Zeichen der Zustimmung von Seite des Hrn. Odilon-Barrot und mehrerer anderer Mitglieder der dynastischen Linken.)

(Echo francais.) Man versichert, die Pairskammer werde sich versammeln, um zu entscheiden, ob sie die Autorisation geben werde, zwei ihrer in ein Duell verwickelten Mitglieder, wobei der eine mithandelnd, der andere Zeuge war, gerichtlich verfolgen zu lassen. Diese Versammlung soll auf Verlangen der Staatsanwaltschaft stattfinden.

(Commerce.) Man sprach gestern in der Oper viel von einem Duell zwischen dem Gatten einer berühmten Sängerin und Hrn. G ..., der nahe an der Pairie steht. Der junge Patricier ward an der Hand mit einem Degenstich verwundet.

(Gazette.) Es heißt, der Kaiser von Marokko habe der französischen Regierung den Krieg erklärt, und mache gemeinschaftliche

mich, denn ich brauche eure Stimmen, um meine Majorität vollzählig zu machen. Wenn ihr mir eure Stimmen verweigert, so falle ich zwar, aber ich hindere euch dann meinerseits, zu regieren. Nach mir ist keine Regierung möglich.“ In England hat, so viel wir uns erinnern, Pitt nie seinen Gegner Fox aufgefordert, ihm seine Stimmen zu leihen. Gewöhnlich hat die Opposition ihre eigenen Principien, so gut wie die Majorität, und wenn die Opposition ans Ruder kommt, sucht sie nach ihren Principien zu regieren und bettelt nicht um Stimmen in der besiegten ehemaligen Majorität. Wie kommt es nun, daß wir aus allen Regeln, aus allen Gesetzen der Repräsentativregierung getreten sind? Oeffnet die Augen, ihr arroganten oder spitzfindigen Doctoren der parlamentarischen Regierung, die ihr Alles verworren und vermengt habt. Eure Coalition ist die Ursache des Uebels, das euch nun eurerseits verzehrt, die Quelle der Verlegenheiten, die ihr empfindet. Das Geschehene sollte der Gegenwart und Zukunft als Lehre dienen. Der Erfolg der Coalition hat die extremen Parteien eine verderbliche Taktik gelehrt – die Taktik, sich stets den andern Parteien zur Bildung einer Majorität anzuschließen, so oft es sich ums Zerstören handelt. Auf diese Weise dominiren die extremen Fractionen die ganze Kammer. Wenn wir das Uebel hier bezeichnen, so geschieht es nicht, um es zu vergrößern, sondern damit Frankreich den Ursprung der jetzigen Verlegenheiten kenne. Durch eine kluge Nachgiebigkeit, welche die Leidenschaften beruhigt, ohne die Principien zu opfern, stärkt man am leichtesten die Gewalt, macht ehrenwerthe und zuverlässige Eroberungen unter den Parteien, und erweitert allmählich die Reihen der Majorität. Die Coalitionen zwischen entgegengesetzten Principien aber dauern nur so lange als die Leidenschaften, aus denen sie hervorgegangen, und nichts von ihnen bleibt, als was wir gegenwärtig sehen, nämlich Zwietracht ohne Ende, zerrissene Parteien, Fahnen ohne Wahlspruch und ohne Farbe, Männer, die sich einander nähern, sich trennen, sich bekämpfen oder unterstützen, nicht nach ihren Principien, sondern nur nach ihren persönlichen Interessen und ihrer augenblicklichen Laune.“

Wir heben aus dem Commissionsbericht des Hrn. Berville über die geheimen Fonds noch folgende Stellen aus: „Man verlangt ein Vertrauensvotum von Ihnen. Dürfen Sie durch Abweisung desselben erklären, daß die Verwaltung Ihr Vertrauen nicht hat? Ueber diesen Punkt haben sich zwei Meinungen in Ihrer Commission kund gegeben. Die Minorität vertraut dem neuen Ministerium nicht. „Das Ministerium stellt (sagt die Minorität) sich als Vermittler hin: unter welchem Titel? Die Vermittlung setzt die Neutralität voraus. Noch gestern aber gehörte es zu der kriegführenden Partei. Welche Garantien bietet es? Die der Personen? Es läßt sie außer dem Spiele. Die der Principien? Es nähert sich der Opposition. Ohne von geheimen Verpflichtungen zu sprechen, die man doch mit Recht vermuthen darf, ist es nicht in Abhängigkeit von der Opposition, weil es einer Majorität bedarf? Wird es wohl deren Forderungen widerstehen können?“ ... Solchergestalt motivirt die Minorität der Commission ihr Mißtrauen in Bezug auf das Ministerium, nicht als ob sie die nöthigen Fonds für die Staatssicherheit verweigern möchte; aber sie glaubt, daß die Meinung, deren Organ sie ist, sie nicht zum Beitritt verpflichte, und behält sich für die Zukunft ganz freie Hand und Abstimmung vor. (Stimmen aus dem Centrum: so ist es!) Die Majorität der Commission, meine Herren, war weit davon entfernt, diesen Beweggründen beizustimmen und jenes Mißtrauen zu theilen. Die Zusammensetzung des Ministeriums erscheint ihr als eine erste Garantie guter und weiser Verwaltung. ... Das Ministerium erklärt (wir führen seine Worte an), „es wolle weder mit dem rechten Centrum gegen die Linke, noch mit der Linken gegen das rechte Centrum regieren.“ Dieser Gedanke entspricht, wie uns scheint, den Wünschen des Landes, hauptsächlich aber den Nothwendigkeiten, welche der gegenwärtige Zustand der Wahlkammer auflegt. Ein Umstand ist seit einigen Jahren Jedermann aufgefallen: die fortschreitende Zersplitterung der Kammer, die allmähliche Abnahme der Majorität. Unter dem Ministerium des 22 Febr. noch mächtig, ist sie unter dessen Nachfolgern immer schwächer und zweifelhafter geworden. Sie entschlüpfte gar bald dem Ministerium vom 6 Sept., wie denen vom 15 April und vom 12 Mai. Zwei fast aufeinanderfolgende Auflösungen haben, weit entfernt die Majorität wieder herzustellen, sie nur noch geringer gemacht. Jetzt existirt die vormalige Majorität nicht mehr; sie ist nur noch die stärkste der Minoritäten: die neue Majorität wird erst gesucht; noch hat sie Niemand gefunden. (Lachen im rechten Centrum.) Daraus entspringt die Unmöglichkeit für jeden, wer es auch sey, durch Ausschließung zu regieren; jedes Ministerium, will es nicht untergehen, muß sich auf die Vereinigung, nicht auf die Spaltung der Parteien stützen. Dieß ist, unserer Ansicht nach, eine glückliche Nothwendigkeit; denn durch die Epuration schwächen sich die Staatsgewalten, und die Regierungen gehen unter. ... „Die Meinungen, hat das Ministerium mit Recht gesagt, sind jetzt mehr zersplittert als glühend.“ Im Innern Ruhe; an der Tagesordnung nichts Ernstes außer der auswärtigen Frage, die zwar sehr ernst, aber geeignet ist, die Meinungen eher zu vereinigen als zu trennen; denn die noch über die Punkte der innern Politik gespaltene Kammer wird wohl nicht über die Punkte gespalten seyn, welche die Sicherheit, die Würde des Landes berühren. ... Was jene geheimen Verträge (des Ministeriums mit der Linken), die man vermuthet, betrifft, so glaubt die Majorität der Commission nicht daran. Man wundert sich, die alte Opposition zum erstenmal geheime Fonds votiren zu sehen: die Opposition erklärt sich über ihre Ansicht. Sie votirt nicht für einen Credit, sondern für ein Cabinet. Indem sie ein Ministerium unterstützt, das ihr weniger widerstrebt als die früheren Cabinette, thut die alte Opposition etwas ganz Einfaches und zugleich Zeitgemäßes, dem Lande Nützliches. (Verworrenes Geräusch im rechten Centrum.) Früher war ihr die Staatsgewalt feindlich, jetzt verspricht man ihr eine unparteiische. Man denuncirte sie als jeder Regierung widerstrebend (ingouvernable); sie zeigt sich als conservativ und gemäßigt. (Neues Geräusch auf den Bänken des rechten Centrums.) Ja, sie zeigt sich als conservativ und gemäßigt, indem sie beiträgt zur Lösung einer besorglichen Krise, und ein ganz außerhalb ihrer Reihen genommenes Ministerium unterstützt.“ ... (Zeichen der Zustimmung von Seite des Hrn. Odilon-Barrot und mehrerer anderer Mitglieder der dynastischen Linken.)

(Echo français.) Man versichert, die Pairskammer werde sich versammeln, um zu entscheiden, ob sie die Autorisation geben werde, zwei ihrer in ein Duell verwickelten Mitglieder, wobei der eine mithandelnd, der andere Zeuge war, gerichtlich verfolgen zu lassen. Diese Versammlung soll auf Verlangen der Staatsanwaltschaft stattfinden.

(Commerce.) Man sprach gestern in der Oper viel von einem Duell zwischen dem Gatten einer berühmten Sängerin und Hrn. G ..., der nahe an der Pairie steht. Der junge Patricier ward an der Hand mit einem Degenstich verwundet.

(Gazette.) Es heißt, der Kaiser von Marokko habe der französischen Regierung den Krieg erklärt, und mache gemeinschaftliche

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mich, denn ich brauche eure Stimmen, um meine Majorität vollzählig zu machen. Wenn ihr mir eure Stimmen verweigert, so falle ich zwar, aber ich hindere euch dann meinerseits, zu regieren. Nach mir ist keine Regierung möglich.&#x201C; In England hat, so viel wir uns erinnern, Pitt nie seinen Gegner Fox aufgefordert, ihm seine Stimmen zu leihen. Gewöhnlich hat die Opposition ihre eigenen Principien, so gut wie die Majorität, und wenn die Opposition ans Ruder kommt, sucht sie nach ihren Principien zu regieren und bettelt nicht um Stimmen in der besiegten ehemaligen Majorität. Wie kommt es nun, daß wir aus allen Regeln, aus allen Gesetzen der Repräsentativregierung getreten sind? Oeffnet die Augen, ihr arroganten oder spitzfindigen Doctoren der parlamentarischen Regierung, die ihr Alles verworren und vermengt habt. Eure Coalition ist die Ursache des Uebels, das euch nun eurerseits verzehrt, die Quelle der Verlegenheiten, die ihr empfindet. Das Geschehene sollte der Gegenwart und Zukunft als Lehre dienen. Der Erfolg der Coalition hat die extremen Parteien eine verderbliche Taktik gelehrt &#x2013; die Taktik, sich stets den andern Parteien zur Bildung einer Majorität anzuschließen, so oft es sich ums Zerstören handelt. Auf diese Weise dominiren die extremen Fractionen die ganze Kammer. Wenn wir das Uebel hier bezeichnen, so geschieht es nicht, um es zu vergrößern, sondern damit Frankreich den Ursprung der jetzigen Verlegenheiten kenne. Durch eine kluge Nachgiebigkeit, welche die Leidenschaften beruhigt, ohne die Principien zu opfern, stärkt man am leichtesten die Gewalt, macht ehrenwerthe und zuverlässige Eroberungen unter den Parteien, und erweitert allmählich die Reihen der Majorität. Die Coalitionen zwischen entgegengesetzten Principien aber dauern nur so lange als die Leidenschaften, aus denen sie hervorgegangen, und nichts von ihnen bleibt, als was wir gegenwärtig sehen, nämlich Zwietracht ohne Ende, zerrissene Parteien, Fahnen ohne Wahlspruch und ohne Farbe, Männer, die sich einander nähern, sich trennen, sich bekämpfen oder unterstützen, nicht nach ihren Principien, sondern nur nach ihren persönlichen Interessen und ihrer augenblicklichen Laune.&#x201C;</p><lb/>
          <p>Wir heben aus dem Commissionsbericht des Hrn. Berville über die geheimen Fonds noch folgende Stellen aus: &#x201E;Man verlangt ein Vertrauensvotum von Ihnen. Dürfen Sie durch Abweisung desselben erklären, daß die Verwaltung Ihr Vertrauen nicht hat? Ueber diesen Punkt haben sich zwei Meinungen in Ihrer Commission kund gegeben. Die Minorität vertraut dem neuen Ministerium nicht. &#x201E;Das Ministerium stellt (sagt die Minorität) sich als Vermittler hin: unter welchem Titel? Die Vermittlung setzt die Neutralität voraus. Noch gestern aber gehörte es zu der kriegführenden Partei. Welche Garantien bietet es? Die der Personen? Es läßt sie außer dem Spiele. Die der Principien? Es nähert sich der Opposition. Ohne von geheimen Verpflichtungen zu sprechen, die man doch mit Recht vermuthen darf, ist es nicht in Abhängigkeit von der Opposition, weil es einer Majorität bedarf? Wird es wohl deren Forderungen widerstehen können?&#x201C; ... Solchergestalt motivirt die Minorität der Commission ihr Mißtrauen in Bezug auf das Ministerium, nicht als ob sie die nöthigen Fonds für die Staatssicherheit verweigern möchte; aber sie glaubt, daß die Meinung, deren Organ sie ist, sie nicht zum Beitritt verpflichte, und behält sich für die Zukunft ganz freie Hand und Abstimmung vor. (Stimmen aus dem Centrum: so ist es!) Die Majorität der Commission, meine Herren, war weit davon entfernt, diesen Beweggründen beizustimmen und jenes Mißtrauen zu theilen. Die Zusammensetzung des Ministeriums erscheint ihr als eine erste Garantie guter und weiser Verwaltung. ... Das Ministerium erklärt (wir führen seine Worte an), &#x201E;es wolle weder mit dem rechten Centrum gegen die Linke, noch mit der Linken gegen das rechte Centrum regieren.&#x201C; Dieser Gedanke entspricht, wie uns scheint, den Wünschen des Landes, hauptsächlich aber den Nothwendigkeiten, welche der gegenwärtige Zustand der Wahlkammer auflegt. Ein Umstand ist seit einigen Jahren Jedermann aufgefallen: die fortschreitende Zersplitterung der Kammer, die allmähliche Abnahme der Majorität. Unter dem Ministerium des 22 Febr. noch mächtig, ist sie unter dessen Nachfolgern immer schwächer und zweifelhafter geworden. Sie entschlüpfte gar bald dem Ministerium vom 6 Sept., wie denen vom 15 April und vom 12 Mai. Zwei fast aufeinanderfolgende Auflösungen haben, weit entfernt die Majorität wieder herzustellen, sie nur noch geringer gemacht. Jetzt existirt die vormalige Majorität nicht mehr; sie ist nur noch die stärkste der Minoritäten: die neue Majorität wird erst gesucht; noch hat sie Niemand gefunden. (Lachen im rechten Centrum.) Daraus entspringt die Unmöglichkeit für jeden, wer es auch sey, durch Ausschließung zu regieren; jedes Ministerium, will es nicht untergehen, muß sich auf die Vereinigung, nicht auf die Spaltung der Parteien stützen. Dieß ist, unserer Ansicht nach, eine glückliche Nothwendigkeit; denn durch die Epuration schwächen sich die Staatsgewalten, und die Regierungen gehen unter. ... &#x201E;Die Meinungen, hat das Ministerium mit Recht gesagt, sind jetzt mehr zersplittert als glühend.&#x201C; Im Innern Ruhe; an der Tagesordnung nichts Ernstes außer der auswärtigen Frage, die zwar sehr ernst, aber geeignet ist, die Meinungen eher zu vereinigen als zu trennen; denn die noch über die Punkte der innern Politik gespaltene Kammer wird wohl nicht über die Punkte gespalten seyn, welche die Sicherheit, die Würde des Landes berühren. ... Was jene geheimen Verträge (des Ministeriums mit der Linken), die man vermuthet, betrifft, so glaubt die Majorität der Commission nicht daran. Man wundert sich, die alte Opposition zum erstenmal geheime Fonds votiren zu sehen: die Opposition erklärt sich über ihre Ansicht. Sie votirt nicht für einen Credit, sondern für ein Cabinet. Indem sie ein Ministerium unterstützt, das ihr weniger widerstrebt als die früheren Cabinette, thut die alte Opposition etwas ganz Einfaches und zugleich Zeitgemäßes, dem Lande Nützliches. (Verworrenes Geräusch im rechten Centrum.) Früher war ihr die Staatsgewalt feindlich, jetzt verspricht man ihr eine unparteiische. Man denuncirte sie als jeder Regierung widerstrebend (ingouvernable); sie zeigt sich als conservativ und gemäßigt. (Neues Geräusch auf den Bänken des rechten Centrums.) Ja, sie zeigt sich als conservativ und gemäßigt, indem sie beiträgt zur Lösung einer besorglichen Krise, und ein ganz außerhalb ihrer Reihen genommenes Ministerium unterstützt.&#x201C; ... (Zeichen der Zustimmung von Seite des Hrn. Odilon-Barrot und mehrerer anderer Mitglieder der dynastischen Linken.)</p><lb/>
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[0691/0003] mich, denn ich brauche eure Stimmen, um meine Majorität vollzählig zu machen. Wenn ihr mir eure Stimmen verweigert, so falle ich zwar, aber ich hindere euch dann meinerseits, zu regieren. Nach mir ist keine Regierung möglich.“ In England hat, so viel wir uns erinnern, Pitt nie seinen Gegner Fox aufgefordert, ihm seine Stimmen zu leihen. Gewöhnlich hat die Opposition ihre eigenen Principien, so gut wie die Majorität, und wenn die Opposition ans Ruder kommt, sucht sie nach ihren Principien zu regieren und bettelt nicht um Stimmen in der besiegten ehemaligen Majorität. Wie kommt es nun, daß wir aus allen Regeln, aus allen Gesetzen der Repräsentativregierung getreten sind? Oeffnet die Augen, ihr arroganten oder spitzfindigen Doctoren der parlamentarischen Regierung, die ihr Alles verworren und vermengt habt. Eure Coalition ist die Ursache des Uebels, das euch nun eurerseits verzehrt, die Quelle der Verlegenheiten, die ihr empfindet. Das Geschehene sollte der Gegenwart und Zukunft als Lehre dienen. Der Erfolg der Coalition hat die extremen Parteien eine verderbliche Taktik gelehrt – die Taktik, sich stets den andern Parteien zur Bildung einer Majorität anzuschließen, so oft es sich ums Zerstören handelt. Auf diese Weise dominiren die extremen Fractionen die ganze Kammer. Wenn wir das Uebel hier bezeichnen, so geschieht es nicht, um es zu vergrößern, sondern damit Frankreich den Ursprung der jetzigen Verlegenheiten kenne. Durch eine kluge Nachgiebigkeit, welche die Leidenschaften beruhigt, ohne die Principien zu opfern, stärkt man am leichtesten die Gewalt, macht ehrenwerthe und zuverlässige Eroberungen unter den Parteien, und erweitert allmählich die Reihen der Majorität. Die Coalitionen zwischen entgegengesetzten Principien aber dauern nur so lange als die Leidenschaften, aus denen sie hervorgegangen, und nichts von ihnen bleibt, als was wir gegenwärtig sehen, nämlich Zwietracht ohne Ende, zerrissene Parteien, Fahnen ohne Wahlspruch und ohne Farbe, Männer, die sich einander nähern, sich trennen, sich bekämpfen oder unterstützen, nicht nach ihren Principien, sondern nur nach ihren persönlichen Interessen und ihrer augenblicklichen Laune.“ Wir heben aus dem Commissionsbericht des Hrn. Berville über die geheimen Fonds noch folgende Stellen aus: „Man verlangt ein Vertrauensvotum von Ihnen. Dürfen Sie durch Abweisung desselben erklären, daß die Verwaltung Ihr Vertrauen nicht hat? Ueber diesen Punkt haben sich zwei Meinungen in Ihrer Commission kund gegeben. Die Minorität vertraut dem neuen Ministerium nicht. „Das Ministerium stellt (sagt die Minorität) sich als Vermittler hin: unter welchem Titel? Die Vermittlung setzt die Neutralität voraus. Noch gestern aber gehörte es zu der kriegführenden Partei. Welche Garantien bietet es? Die der Personen? Es läßt sie außer dem Spiele. Die der Principien? Es nähert sich der Opposition. Ohne von geheimen Verpflichtungen zu sprechen, die man doch mit Recht vermuthen darf, ist es nicht in Abhängigkeit von der Opposition, weil es einer Majorität bedarf? Wird es wohl deren Forderungen widerstehen können?“ ... Solchergestalt motivirt die Minorität der Commission ihr Mißtrauen in Bezug auf das Ministerium, nicht als ob sie die nöthigen Fonds für die Staatssicherheit verweigern möchte; aber sie glaubt, daß die Meinung, deren Organ sie ist, sie nicht zum Beitritt verpflichte, und behält sich für die Zukunft ganz freie Hand und Abstimmung vor. (Stimmen aus dem Centrum: so ist es!) Die Majorität der Commission, meine Herren, war weit davon entfernt, diesen Beweggründen beizustimmen und jenes Mißtrauen zu theilen. Die Zusammensetzung des Ministeriums erscheint ihr als eine erste Garantie guter und weiser Verwaltung. ... Das Ministerium erklärt (wir führen seine Worte an), „es wolle weder mit dem rechten Centrum gegen die Linke, noch mit der Linken gegen das rechte Centrum regieren.“ Dieser Gedanke entspricht, wie uns scheint, den Wünschen des Landes, hauptsächlich aber den Nothwendigkeiten, welche der gegenwärtige Zustand der Wahlkammer auflegt. Ein Umstand ist seit einigen Jahren Jedermann aufgefallen: die fortschreitende Zersplitterung der Kammer, die allmähliche Abnahme der Majorität. Unter dem Ministerium des 22 Febr. noch mächtig, ist sie unter dessen Nachfolgern immer schwächer und zweifelhafter geworden. Sie entschlüpfte gar bald dem Ministerium vom 6 Sept., wie denen vom 15 April und vom 12 Mai. Zwei fast aufeinanderfolgende Auflösungen haben, weit entfernt die Majorität wieder herzustellen, sie nur noch geringer gemacht. Jetzt existirt die vormalige Majorität nicht mehr; sie ist nur noch die stärkste der Minoritäten: die neue Majorität wird erst gesucht; noch hat sie Niemand gefunden. (Lachen im rechten Centrum.) Daraus entspringt die Unmöglichkeit für jeden, wer es auch sey, durch Ausschließung zu regieren; jedes Ministerium, will es nicht untergehen, muß sich auf die Vereinigung, nicht auf die Spaltung der Parteien stützen. Dieß ist, unserer Ansicht nach, eine glückliche Nothwendigkeit; denn durch die Epuration schwächen sich die Staatsgewalten, und die Regierungen gehen unter. ... „Die Meinungen, hat das Ministerium mit Recht gesagt, sind jetzt mehr zersplittert als glühend.“ Im Innern Ruhe; an der Tagesordnung nichts Ernstes außer der auswärtigen Frage, die zwar sehr ernst, aber geeignet ist, die Meinungen eher zu vereinigen als zu trennen; denn die noch über die Punkte der innern Politik gespaltene Kammer wird wohl nicht über die Punkte gespalten seyn, welche die Sicherheit, die Würde des Landes berühren. ... Was jene geheimen Verträge (des Ministeriums mit der Linken), die man vermuthet, betrifft, so glaubt die Majorität der Commission nicht daran. Man wundert sich, die alte Opposition zum erstenmal geheime Fonds votiren zu sehen: die Opposition erklärt sich über ihre Ansicht. Sie votirt nicht für einen Credit, sondern für ein Cabinet. Indem sie ein Ministerium unterstützt, das ihr weniger widerstrebt als die früheren Cabinette, thut die alte Opposition etwas ganz Einfaches und zugleich Zeitgemäßes, dem Lande Nützliches. (Verworrenes Geräusch im rechten Centrum.) Früher war ihr die Staatsgewalt feindlich, jetzt verspricht man ihr eine unparteiische. Man denuncirte sie als jeder Regierung widerstrebend (ingouvernable); sie zeigt sich als conservativ und gemäßigt. (Neues Geräusch auf den Bänken des rechten Centrums.) Ja, sie zeigt sich als conservativ und gemäßigt, indem sie beiträgt zur Lösung einer besorglichen Krise, und ein ganz außerhalb ihrer Reihen genommenes Ministerium unterstützt.“ ... (Zeichen der Zustimmung von Seite des Hrn. Odilon-Barrot und mehrerer anderer Mitglieder der dynastischen Linken.) (Echo français.) Man versichert, die Pairskammer werde sich versammeln, um zu entscheiden, ob sie die Autorisation geben werde, zwei ihrer in ein Duell verwickelten Mitglieder, wobei der eine mithandelnd, der andere Zeuge war, gerichtlich verfolgen zu lassen. Diese Versammlung soll auf Verlangen der Staatsanwaltschaft stattfinden. (Commerce.) Man sprach gestern in der Oper viel von einem Duell zwischen dem Gatten einer berühmten Sängerin und Hrn. G ..., der nahe an der Pairie steht. Der junge Patricier ward an der Hand mit einem Degenstich verwundet. (Gazette.) Es heißt, der Kaiser von Marokko habe der französischen Regierung den Krieg erklärt, und mache gemeinschaftliche

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 87. Augsburg, 27. März 1840, S. 0691. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_087_18400327/3>, abgerufen am 20.04.2024.