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Allgemeine Zeitung. Nr. 130. Augsburg, 9. Mai 1840.

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kommt man, Mann, Weib und Kind, wie man hinaus gegangen war, wieder zurück, um an Musik und Feuerwerk Aug' und Ohr zu weiden. Daß unter diesem friedlichen und gewöhnlichen Volke, das da ein und aus zieht, einige auffallende Figuren zum Vorschein kommen, braucht man kaum zu versichern; keine Stadt ist reicher an originellen Menschengestalten, als Paris, und wer ins Kleine gehende Beobachtungsgabe mit übermäßiger Liebe zur Ausführlichkeit verbände, könnte eine bändereiche Geschichte derselben schreiben. Vor einer Bühne, wo die Heldenthat von Mazagran zur Aufführung kommt, sehen wir einen jungen Invaliden von höchstens dreißig Jahren, der offenbar selbst die Sonne Afrika's gesehen; die beiden Unterbeine hat eine feindliche Kugel abgelöst; zwei Krücken ersetzen die mangelnden Füße, das Ehrenkreuz blinkt auf der Brust in so frischem Glanze, als sey es gestern erst angeheftet worden, sein Auge ist noch so frisch und jugendlich, als hätte er zu neuen Kämpfen Lust, und der ganze Mann so stolz und muthig von Ansehen, als hätte das Schicksal, das ihn verstümmelt, in ihm das Gefühl seines Werths verdoppelt. Nicht weit davon, an einem Biertische, sehen wir einen geschwätzigen Graubart, ein bißchen Gascogner in Art und Sprache, der dem umstehenden Publicum auseinandersetzt, wie das Alles unter dem Kaiserreich viel schöner und festlicher gewesen sey. Prächtiger wohl, geschmackvoller aber schwerlich; der Geschmack war nicht die starke Seite jener starken Epoche. Von den allerdings etwas bescheidenen Herrlichkeiten des gestrigen Festes, von den neuen Fontainen, deren in weißen Schaum emporquellende Fluth durch die Strahlen einer glühenden Mittagssonne magisch verklärt war, von der Beleuchtung, die von den Tuilerien zwischen dicht belaubten Bäumen und Baumgruppen bis zum Triumphbogen hinauf lief, von der bunten Sternenwelt der Raketen und den übrigen Einzelheiten des Feuerwerks will ich nichts Näheres berichten; was schimmert und sich wiegt, mit leichter Grazie leuchtend sich emporhebt und in anmuthigem Fall verlischt, das muß man sehen, und kann es nicht in weitschweifiger Beschreibung kennen lernen. Das Ganze war ein Fest, welches das Volk sich selbst gab; wie viel Centigrade dabei der Barometer der dynastischen Begeisterung anzeigte, das zu bestimmen erlassen Sie mir gütigst.

Es ist die Absicht des Conseilpräsidenten, den Vorschlag des Hrn. Remilly bis zu gelegenerer Zeit beruhen zu lassen. Diejenigen, welche bisher die Brode und die Fische der Schatzkammer unter sich getheilt haben, merken wohl, was er im Schilde führt und sind wüthend darüber. Es sind dieß dieselben Leute, die seit 1830, ja zum größten Theil schon seit den Zeiten der Restauration an den Brüsten des Budgets gelegen, wovon sie so übermäßig conservativ geworden sind. Eine eigentliche Purification des Staatsdienstes im Sinn des Liberalismus hat, wie man weiß, in Frankreich eigentlich gar nie statt gehabt. So hat sich im Lauf der verflossenen fünfundzwanzig Jahre eine Beamtenkaste gebildet, die das Eindringen jedes Mannes von Talent, Kraft, unabhängiger und zumal liberaler Gesinnung in den Staatsdienst als eine Usurpation zu betrachten sich gewöhnte. Das Budget war diesen Leuten der Staat, ihre Gehalte und Emolumente die allgemeine Wohlfahrt, die monatliche präcise Ausbezahlung desselben die öffentliche Ordnung. Bewegung, Unruhstiftung, Umsturz hieß ihnen alles, was sie in ihrer bequemen Existenz störte, und ihre Fleischtöpfe irgend einer Gefahr aussetzte. In die Kammer suchten sie zu kommen, weil sich hier die beste Gelegenheit für sie darbot, sich selbst und die Ihrigen in steter Erinnerung bei den Ministern zu erhalten, und sich ihnen angenehm zu machen. Eine fest zusammengekittete Coterie bildete sie hier, weil ihr Privatinteresse eines und dasselbe war. Jetzt ist dieses Allerheiligste in Gefahr; jetzt ist die furchtbare Linke im Anmarsch; jetzt treten diejenigen aus deren Mitte das Ministerium hervorgegangen ist, Leute, die an Unabhängigkeit der Gesinnung und Talent jene größtentheils weit überragen, in den Vordergrund, und nichts ist natürlicher, als daß das Ministerium die Aemter mit Leuten seiner Farbe besetzt haben will. Die Nothwendigkeit dieser Maaßregel thut sich mit jedem Tage mehr kund. Die Beamtenhierarchie ist fast aufgelöst. Wie die Beamten in der Kammer sich dem Ministerium gegenüberstellen, in der Hoffnung es zu stürzen, und das Eindringen der linken Seite in den Staatsdienst zu verhindern, so sucht in umgekehrter Ordnung jeder Präfect seinem Minister zu imponiren, als sey er ein Mann, mit welchem man zu transigiren habe. Die längere Fortdauer eines solchen Zustandes kann offenbar von dem Ministerium nicht geduldet werden. Soll es für längere Zeit Bestand und die erforderliche Kraft gewinnen, Bedeutendes zu leisten, so muß ihm in der Kammer eine entschiedene Majorität und im Staatsdienst ein gleichgesinntes und ergebenes Personal zu Gebot stehen. Das ist sonnenklar. Die Proposition Remilly konnte allerdings zu diesem Ziel führen, vorausgesetzt, daß das Ministerium für die rechten Maaßregeln einer Majorität vollkommen gewiß wäre. Dieß scheint aber noch nicht der Fall zu seyn. Wenigstens scheint der Conseilpräsident zu glauben, daß sich die Sache in der nächsten Session weit besser in Ordnung bringen lassen würde. Dagegen schreien die conservativen Staatsbeamten: "so bliebe also das Schwert des Damokles noch immer über ihrem Haupte hängen" - freilich wohl - aber das Ministerium denkt, es sey so besser, als wenn das Schwert über seinem eigenen Haupte hinge.

Niederlande.

Das Amsterdam'sche Handelsblad enthält unter der Aufschrift, "der gegenwärtige Augenblick" einen langen Aufsatz über die Antworten der Regierung und die gegenwärtige Stellung der Kammern. Wir entheben aus demselben die interessantesten Stellen, da sie für die nächste Zukunft Hollands nicht ohne Bedeutung sind: "Mit dem größten Interesse haben wir vernommen, daß die zweite Kammer der Generalstaaten ihren Gesinnungen getreu bleibt, und nicht gesinnt scheint, das Budget für 1840 anzunehmen. Wie kann sie auch anders? Dasselbe ist keineswegs wesentlich verändert. Man hat uns freilich versprochen, zugesagt, versichert, daß man für die Zukunft alles Mögliche thun werde. Aber il y a un terme a tout. Zehn Jahre lang hat die Kammer die Regierung auf die Folgen aufmerksam gemacht, und dennoch ist Jahr auf Jahr unser Zustand schlimmer geworden. Die Kammer hat den Versicherungen getraut, sie hat zehn Jahre lang ihre Ansicht dem allgemeinen Interesse, der Erhaltung der Einheit aufgeopfert, und ist an dem Leitband der Regierung gelaufen; somit scheint es uns doch, daß die Regierung, welche so viel Unterstützung und Mitwirkung genossen hat, nun auch den Anfang machen sollte, ihre Versprechungen zu erfüllen. Sie kann dieß um so eher thun, da die Forderungen der Kammer billig und gemäßigt sind, da sie mit allen möglichen Rücksichten zu Werke geht, und alle Uebertreibung von sich weist; solch eine Kammer ist nun doch in ihren schönsten Erwartungen getäuscht. Man ruft uns zu: bedenkt das Ende! Eben weil die Kammer das Ende bedenkt, wird sie das Budget verwerfen, und die Nation, die gleichfalls das Ende bedenkt, ruft ihr Beifall zu. Was heute noch möglich ist, ist es vielleicht morgen nicht mehr. Jetzt oder nimmer! ist das Wort; nicht länger mehr die Zukunft aufgeopfert. Gibt die Kammer jetzt nach

kommt man, Mann, Weib und Kind, wie man hinaus gegangen war, wieder zurück, um an Musik und Feuerwerk Aug' und Ohr zu weiden. Daß unter diesem friedlichen und gewöhnlichen Volke, das da ein und aus zieht, einige auffallende Figuren zum Vorschein kommen, braucht man kaum zu versichern; keine Stadt ist reicher an originellen Menschengestalten, als Paris, und wer ins Kleine gehende Beobachtungsgabe mit übermäßiger Liebe zur Ausführlichkeit verbände, könnte eine bändereiche Geschichte derselben schreiben. Vor einer Bühne, wo die Heldenthat von Mazagran zur Aufführung kommt, sehen wir einen jungen Invaliden von höchstens dreißig Jahren, der offenbar selbst die Sonne Afrika's gesehen; die beiden Unterbeine hat eine feindliche Kugel abgelöst; zwei Krücken ersetzen die mangelnden Füße, das Ehrenkreuz blinkt auf der Brust in so frischem Glanze, als sey es gestern erst angeheftet worden, sein Auge ist noch so frisch und jugendlich, als hätte er zu neuen Kämpfen Lust, und der ganze Mann so stolz und muthig von Ansehen, als hätte das Schicksal, das ihn verstümmelt, in ihm das Gefühl seines Werths verdoppelt. Nicht weit davon, an einem Biertische, sehen wir einen geschwätzigen Graubart, ein bißchen Gascogner in Art und Sprache, der dem umstehenden Publicum auseinandersetzt, wie das Alles unter dem Kaiserreich viel schöner und festlicher gewesen sey. Prächtiger wohl, geschmackvoller aber schwerlich; der Geschmack war nicht die starke Seite jener starken Epoche. Von den allerdings etwas bescheidenen Herrlichkeiten des gestrigen Festes, von den neuen Fontainen, deren in weißen Schaum emporquellende Fluth durch die Strahlen einer glühenden Mittagssonne magisch verklärt war, von der Beleuchtung, die von den Tuilerien zwischen dicht belaubten Bäumen und Baumgruppen bis zum Triumphbogen hinauf lief, von der bunten Sternenwelt der Raketen und den übrigen Einzelheiten des Feuerwerks will ich nichts Näheres berichten; was schimmert und sich wiegt, mit leichter Grazie leuchtend sich emporhebt und in anmuthigem Fall verlischt, das muß man sehen, und kann es nicht in weitschweifiger Beschreibung kennen lernen. Das Ganze war ein Fest, welches das Volk sich selbst gab; wie viel Centigrade dabei der Barometer der dynastischen Begeisterung anzeigte, das zu bestimmen erlassen Sie mir gütigst.

Es ist die Absicht des Conseilpräsidenten, den Vorschlag des Hrn. Rémilly bis zu gelegenerer Zeit beruhen zu lassen. Diejenigen, welche bisher die Brode und die Fische der Schatzkammer unter sich getheilt haben, merken wohl, was er im Schilde führt und sind wüthend darüber. Es sind dieß dieselben Leute, die seit 1830, ja zum größten Theil schon seit den Zeiten der Restauration an den Brüsten des Budgets gelegen, wovon sie so übermäßig conservativ geworden sind. Eine eigentliche Purification des Staatsdienstes im Sinn des Liberalismus hat, wie man weiß, in Frankreich eigentlich gar nie statt gehabt. So hat sich im Lauf der verflossenen fünfundzwanzig Jahre eine Beamtenkaste gebildet, die das Eindringen jedes Mannes von Talent, Kraft, unabhängiger und zumal liberaler Gesinnung in den Staatsdienst als eine Usurpation zu betrachten sich gewöhnte. Das Budget war diesen Leuten der Staat, ihre Gehalte und Emolumente die allgemeine Wohlfahrt, die monatliche präcise Ausbezahlung desselben die öffentliche Ordnung. Bewegung, Unruhstiftung, Umsturz hieß ihnen alles, was sie in ihrer bequemen Existenz störte, und ihre Fleischtöpfe irgend einer Gefahr aussetzte. In die Kammer suchten sie zu kommen, weil sich hier die beste Gelegenheit für sie darbot, sich selbst und die Ihrigen in steter Erinnerung bei den Ministern zu erhalten, und sich ihnen angenehm zu machen. Eine fest zusammengekittete Coterie bildete sie hier, weil ihr Privatinteresse eines und dasselbe war. Jetzt ist dieses Allerheiligste in Gefahr; jetzt ist die furchtbare Linke im Anmarsch; jetzt treten diejenigen aus deren Mitte das Ministerium hervorgegangen ist, Leute, die an Unabhängigkeit der Gesinnung und Talent jene größtentheils weit überragen, in den Vordergrund, und nichts ist natürlicher, als daß das Ministerium die Aemter mit Leuten seiner Farbe besetzt haben will. Die Nothwendigkeit dieser Maaßregel thut sich mit jedem Tage mehr kund. Die Beamtenhierarchie ist fast aufgelöst. Wie die Beamten in der Kammer sich dem Ministerium gegenüberstellen, in der Hoffnung es zu stürzen, und das Eindringen der linken Seite in den Staatsdienst zu verhindern, so sucht in umgekehrter Ordnung jeder Präfect seinem Minister zu imponiren, als sey er ein Mann, mit welchem man zu transigiren habe. Die längere Fortdauer eines solchen Zustandes kann offenbar von dem Ministerium nicht geduldet werden. Soll es für längere Zeit Bestand und die erforderliche Kraft gewinnen, Bedeutendes zu leisten, so muß ihm in der Kammer eine entschiedene Majorität und im Staatsdienst ein gleichgesinntes und ergebenes Personal zu Gebot stehen. Das ist sonnenklar. Die Proposition Rémilly konnte allerdings zu diesem Ziel führen, vorausgesetzt, daß das Ministerium für die rechten Maaßregeln einer Majorität vollkommen gewiß wäre. Dieß scheint aber noch nicht der Fall zu seyn. Wenigstens scheint der Conseilpräsident zu glauben, daß sich die Sache in der nächsten Session weit besser in Ordnung bringen lassen würde. Dagegen schreien die conservativen Staatsbeamten: „so bliebe also das Schwert des Damokles noch immer über ihrem Haupte hängen“ – freilich wohl – aber das Ministerium denkt, es sey so besser, als wenn das Schwert über seinem eigenen Haupte hinge.

Niederlande.

Das Amsterdam'sche Handelsblad enthält unter der Aufschrift, „der gegenwärtige Augenblick“ einen langen Aufsatz über die Antworten der Regierung und die gegenwärtige Stellung der Kammern. Wir entheben aus demselben die interessantesten Stellen, da sie für die nächste Zukunft Hollands nicht ohne Bedeutung sind: „Mit dem größten Interesse haben wir vernommen, daß die zweite Kammer der Generalstaaten ihren Gesinnungen getreu bleibt, und nicht gesinnt scheint, das Budget für 1840 anzunehmen. Wie kann sie auch anders? Dasselbe ist keineswegs wesentlich verändert. Man hat uns freilich versprochen, zugesagt, versichert, daß man für die Zukunft alles Mögliche thun werde. Aber il y a un terme à tout. Zehn Jahre lang hat die Kammer die Regierung auf die Folgen aufmerksam gemacht, und dennoch ist Jahr auf Jahr unser Zustand schlimmer geworden. Die Kammer hat den Versicherungen getraut, sie hat zehn Jahre lang ihre Ansicht dem allgemeinen Interesse, der Erhaltung der Einheit aufgeopfert, und ist an dem Leitband der Regierung gelaufen; somit scheint es uns doch, daß die Regierung, welche so viel Unterstützung und Mitwirkung genossen hat, nun auch den Anfang machen sollte, ihre Versprechungen zu erfüllen. Sie kann dieß um so eher thun, da die Forderungen der Kammer billig und gemäßigt sind, da sie mit allen möglichen Rücksichten zu Werke geht, und alle Uebertreibung von sich weist; solch eine Kammer ist nun doch in ihren schönsten Erwartungen getäuscht. Man ruft uns zu: bedenkt das Ende! Eben weil die Kammer das Ende bedenkt, wird sie das Budget verwerfen, und die Nation, die gleichfalls das Ende bedenkt, ruft ihr Beifall zu. Was heute noch möglich ist, ist es vielleicht morgen nicht mehr. Jetzt oder nimmer! ist das Wort; nicht länger mehr die Zukunft aufgeopfert. Gibt die Kammer jetzt nach

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kommt man, Mann, Weib und Kind, wie man hinaus gegangen war, wieder zurück, um an Musik und Feuerwerk Aug' und Ohr zu weiden. Daß unter diesem friedlichen und gewöhnlichen Volke, das da ein und aus zieht, einige auffallende Figuren zum Vorschein kommen, braucht man kaum zu versichern; keine Stadt ist reicher an originellen Menschengestalten, als Paris, und wer ins Kleine gehende Beobachtungsgabe mit übermäßiger Liebe zur Ausführlichkeit verbände, könnte eine bändereiche Geschichte derselben schreiben. Vor einer Bühne, wo die Heldenthat von Mazagran zur Aufführung kommt, sehen wir einen jungen Invaliden von höchstens dreißig Jahren, der offenbar selbst die Sonne Afrika's gesehen; die beiden Unterbeine hat eine feindliche Kugel abgelöst; zwei Krücken ersetzen die mangelnden Füße, das Ehrenkreuz blinkt auf der Brust in so frischem Glanze, als sey es gestern erst angeheftet worden, sein Auge ist noch so frisch und jugendlich, als hätte er zu neuen Kämpfen Lust, und der ganze Mann so stolz und muthig von Ansehen, als hätte das Schicksal, das ihn verstümmelt, in ihm das Gefühl seines Werths verdoppelt. Nicht weit davon, an einem Biertische, sehen wir einen geschwätzigen Graubart, ein bißchen Gascogner in Art und Sprache, der dem umstehenden Publicum auseinandersetzt, wie das Alles unter dem Kaiserreich viel schöner und festlicher gewesen sey. Prächtiger wohl, geschmackvoller aber schwerlich; der Geschmack war nicht die starke Seite jener starken Epoche. Von den allerdings etwas bescheidenen Herrlichkeiten des gestrigen Festes, von den neuen Fontainen, deren in weißen Schaum emporquellende Fluth durch die Strahlen einer glühenden Mittagssonne magisch verklärt war, von der Beleuchtung, die von den Tuilerien zwischen dicht belaubten Bäumen und Baumgruppen bis zum Triumphbogen hinauf lief, von der bunten Sternenwelt der Raketen und den übrigen Einzelheiten des Feuerwerks will ich nichts Näheres berichten; was schimmert und sich wiegt, mit leichter Grazie leuchtend sich emporhebt und in anmuthigem Fall verlischt, das muß man sehen, und kann es nicht in weitschweifiger Beschreibung kennen lernen. Das Ganze war ein Fest, welches das Volk sich selbst gab; wie viel Centigrade dabei der Barometer der dynastischen Begeisterung anzeigte, das zu bestimmen erlassen Sie mir gütigst.</p>
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[1035/0003] kommt man, Mann, Weib und Kind, wie man hinaus gegangen war, wieder zurück, um an Musik und Feuerwerk Aug' und Ohr zu weiden. Daß unter diesem friedlichen und gewöhnlichen Volke, das da ein und aus zieht, einige auffallende Figuren zum Vorschein kommen, braucht man kaum zu versichern; keine Stadt ist reicher an originellen Menschengestalten, als Paris, und wer ins Kleine gehende Beobachtungsgabe mit übermäßiger Liebe zur Ausführlichkeit verbände, könnte eine bändereiche Geschichte derselben schreiben. Vor einer Bühne, wo die Heldenthat von Mazagran zur Aufführung kommt, sehen wir einen jungen Invaliden von höchstens dreißig Jahren, der offenbar selbst die Sonne Afrika's gesehen; die beiden Unterbeine hat eine feindliche Kugel abgelöst; zwei Krücken ersetzen die mangelnden Füße, das Ehrenkreuz blinkt auf der Brust in so frischem Glanze, als sey es gestern erst angeheftet worden, sein Auge ist noch so frisch und jugendlich, als hätte er zu neuen Kämpfen Lust, und der ganze Mann so stolz und muthig von Ansehen, als hätte das Schicksal, das ihn verstümmelt, in ihm das Gefühl seines Werths verdoppelt. Nicht weit davon, an einem Biertische, sehen wir einen geschwätzigen Graubart, ein bißchen Gascogner in Art und Sprache, der dem umstehenden Publicum auseinandersetzt, wie das Alles unter dem Kaiserreich viel schöner und festlicher gewesen sey. Prächtiger wohl, geschmackvoller aber schwerlich; der Geschmack war nicht die starke Seite jener starken Epoche. Von den allerdings etwas bescheidenen Herrlichkeiten des gestrigen Festes, von den neuen Fontainen, deren in weißen Schaum emporquellende Fluth durch die Strahlen einer glühenden Mittagssonne magisch verklärt war, von der Beleuchtung, die von den Tuilerien zwischen dicht belaubten Bäumen und Baumgruppen bis zum Triumphbogen hinauf lief, von der bunten Sternenwelt der Raketen und den übrigen Einzelheiten des Feuerwerks will ich nichts Näheres berichten; was schimmert und sich wiegt, mit leichter Grazie leuchtend sich emporhebt und in anmuthigem Fall verlischt, das muß man sehen, und kann es nicht in weitschweifiger Beschreibung kennen lernen. Das Ganze war ein Fest, welches das Volk sich selbst gab; wie viel Centigrade dabei der Barometer der dynastischen Begeisterung anzeigte, das zu bestimmen erlassen Sie mir gütigst. _ Paris, 4 Mai. Es ist die Absicht des Conseilpräsidenten, den Vorschlag des Hrn. Rémilly bis zu gelegenerer Zeit beruhen zu lassen. Diejenigen, welche bisher die Brode und die Fische der Schatzkammer unter sich getheilt haben, merken wohl, was er im Schilde führt und sind wüthend darüber. Es sind dieß dieselben Leute, die seit 1830, ja zum größten Theil schon seit den Zeiten der Restauration an den Brüsten des Budgets gelegen, wovon sie so übermäßig conservativ geworden sind. Eine eigentliche Purification des Staatsdienstes im Sinn des Liberalismus hat, wie man weiß, in Frankreich eigentlich gar nie statt gehabt. So hat sich im Lauf der verflossenen fünfundzwanzig Jahre eine Beamtenkaste gebildet, die das Eindringen jedes Mannes von Talent, Kraft, unabhängiger und zumal liberaler Gesinnung in den Staatsdienst als eine Usurpation zu betrachten sich gewöhnte. Das Budget war diesen Leuten der Staat, ihre Gehalte und Emolumente die allgemeine Wohlfahrt, die monatliche präcise Ausbezahlung desselben die öffentliche Ordnung. Bewegung, Unruhstiftung, Umsturz hieß ihnen alles, was sie in ihrer bequemen Existenz störte, und ihre Fleischtöpfe irgend einer Gefahr aussetzte. In die Kammer suchten sie zu kommen, weil sich hier die beste Gelegenheit für sie darbot, sich selbst und die Ihrigen in steter Erinnerung bei den Ministern zu erhalten, und sich ihnen angenehm zu machen. Eine fest zusammengekittete Coterie bildete sie hier, weil ihr Privatinteresse eines und dasselbe war. Jetzt ist dieses Allerheiligste in Gefahr; jetzt ist die furchtbare Linke im Anmarsch; jetzt treten diejenigen aus deren Mitte das Ministerium hervorgegangen ist, Leute, die an Unabhängigkeit der Gesinnung und Talent jene größtentheils weit überragen, in den Vordergrund, und nichts ist natürlicher, als daß das Ministerium die Aemter mit Leuten seiner Farbe besetzt haben will. Die Nothwendigkeit dieser Maaßregel thut sich mit jedem Tage mehr kund. Die Beamtenhierarchie ist fast aufgelöst. Wie die Beamten in der Kammer sich dem Ministerium gegenüberstellen, in der Hoffnung es zu stürzen, und das Eindringen der linken Seite in den Staatsdienst zu verhindern, so sucht in umgekehrter Ordnung jeder Präfect seinem Minister zu imponiren, als sey er ein Mann, mit welchem man zu transigiren habe. Die längere Fortdauer eines solchen Zustandes kann offenbar von dem Ministerium nicht geduldet werden. Soll es für längere Zeit Bestand und die erforderliche Kraft gewinnen, Bedeutendes zu leisten, so muß ihm in der Kammer eine entschiedene Majorität und im Staatsdienst ein gleichgesinntes und ergebenes Personal zu Gebot stehen. Das ist sonnenklar. Die Proposition Rémilly konnte allerdings zu diesem Ziel führen, vorausgesetzt, daß das Ministerium für die rechten Maaßregeln einer Majorität vollkommen gewiß wäre. Dieß scheint aber noch nicht der Fall zu seyn. Wenigstens scheint der Conseilpräsident zu glauben, daß sich die Sache in der nächsten Session weit besser in Ordnung bringen lassen würde. Dagegen schreien die conservativen Staatsbeamten: „so bliebe also das Schwert des Damokles noch immer über ihrem Haupte hängen“ – freilich wohl – aber das Ministerium denkt, es sey so besser, als wenn das Schwert über seinem eigenen Haupte hinge. Niederlande. Das Amsterdam'sche Handelsblad enthält unter der Aufschrift, „der gegenwärtige Augenblick“ einen langen Aufsatz über die Antworten der Regierung und die gegenwärtige Stellung der Kammern. Wir entheben aus demselben die interessantesten Stellen, da sie für die nächste Zukunft Hollands nicht ohne Bedeutung sind: „Mit dem größten Interesse haben wir vernommen, daß die zweite Kammer der Generalstaaten ihren Gesinnungen getreu bleibt, und nicht gesinnt scheint, das Budget für 1840 anzunehmen. Wie kann sie auch anders? Dasselbe ist keineswegs wesentlich verändert. Man hat uns freilich versprochen, zugesagt, versichert, daß man für die Zukunft alles Mögliche thun werde. Aber il y a un terme à tout. Zehn Jahre lang hat die Kammer die Regierung auf die Folgen aufmerksam gemacht, und dennoch ist Jahr auf Jahr unser Zustand schlimmer geworden. Die Kammer hat den Versicherungen getraut, sie hat zehn Jahre lang ihre Ansicht dem allgemeinen Interesse, der Erhaltung der Einheit aufgeopfert, und ist an dem Leitband der Regierung gelaufen; somit scheint es uns doch, daß die Regierung, welche so viel Unterstützung und Mitwirkung genossen hat, nun auch den Anfang machen sollte, ihre Versprechungen zu erfüllen. Sie kann dieß um so eher thun, da die Forderungen der Kammer billig und gemäßigt sind, da sie mit allen möglichen Rücksichten zu Werke geht, und alle Uebertreibung von sich weist; solch eine Kammer ist nun doch in ihren schönsten Erwartungen getäuscht. Man ruft uns zu: bedenkt das Ende! Eben weil die Kammer das Ende bedenkt, wird sie das Budget verwerfen, und die Nation, die gleichfalls das Ende bedenkt, ruft ihr Beifall zu. Was heute noch möglich ist, ist es vielleicht morgen nicht mehr. Jetzt oder nimmer! ist das Wort; nicht länger mehr die Zukunft aufgeopfert. Gibt die Kammer jetzt nach

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Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-06-28T11:37:15Z)

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 130. Augsburg, 9. Mai 1840, S. 1035. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_130_18400509/3>, abgerufen am 25.04.2024.