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Bach, Carl Philipp Emanuel: Versuch über die wahre Art das Clavier zu spielen. Bd. 2. Berlin, 1762.

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Einleitung.
Exempel Gelegenheit geben zu errathen, wo das einstimmige Ac-
compagnement Statt hat.

§. 30.

Unter der Hauptstimme verstehe ich die Stimme,
welche den Hauptgesang in einem Stücke führt, wo nicht alles
gleich gearbeitet ist, z. E. in einem Solo, Concerte, Arie u. s. w.

§. 31.

Die Oberstimme nenne ich die höchste, so der
Accompagnist nimmt.

§. 32.

Bey dem Unterricht muß man seine Schüler das
vorgelegte erst spielen und alsdenn in zwey Systeme aussetzen
lassen. Das Ohr und das Auge lernen dadurch deutlich das
Wahre von dem Falschen unterscheiden.

§. 33.

Hierbey muß man es aber nicht bewenden lassen,
sondern mit ihnen über beydes urtheilen; man fordre von jeder
Note gleichsam Rechenschaft; man mache ihnen Einwürfe, welche
sie mit Gründen, warum z. E. diese und jene Note so, und nicht
anders
da stehen könne, aus dem Wege räumen müssen.

§. 34.

Man fängt beym vierstimmigen Accompagnement
billig an, und legt es zum Grunde. Wer dieses gründlich lernt,
kann auch sehr leicht mit den übrigen Arten umgehen.

§. 35.

Man gehe mit seinen Schülern, besonders beym
vierstimmigen Accompagnement, die Aufgaben in allen Lagen durch,
damit sie ihnen bekannt werden. Da man hierbey bloß auf diesen
Endzweck siehet, so ist es freylich nicht zu ändern, daß zuweilen
ungeschickte Fortschreitungen mit unterlaufen, und Lagen vorkom-
men, welche nicht die besten sind. Sie lernen indessen doch dadurch
die besten Fortschreitungen und Lagen von den schlechten unter-
scheiden; man muß ihnen aber bey Gelegenheit das Ungeschickte
und die Verbesserung zugleich mit deutlich zeigen.

§. 36.

Ob aber diese Fortschreitungen gleich ungeschickt seyn
können, so müssen sie dennoch nicht falsch seyn: es muß nehmlich in der

nöthi-

Einleitung.
Exempel Gelegenheit geben zu errathen, wo das einſtimmige Ac-
compagnement Statt hat.

§. 30.

Unter der Hauptſtimme verſtehe ich die Stimme,
welche den Hauptgeſang in einem Stücke führt, wo nicht alles
gleich gearbeitet iſt, z. E. in einem Solo, Concerte, Arie u. ſ. w.

§. 31.

Die Oberſtimme nenne ich die höchſte, ſo der
Accompagniſt nimmt.

§. 32.

Bey dem Unterricht muß man ſeine Schüler das
vorgelegte erſt ſpielen und alsdenn in zwey Syſteme ausſetzen
laſſen. Das Ohr und das Auge lernen dadurch deutlich das
Wahre von dem Falſchen unterſcheiden.

§. 33.

Hierbey muß man es aber nicht bewenden laſſen,
ſondern mit ihnen über beydes urtheilen; man fordre von jeder
Note gleichſam Rechenſchaft; man mache ihnen Einwürfe, welche
ſie mit Gründen, warum z. E. dieſe und jene Note ſo, und nicht
anders
da ſtehen könne, aus dem Wege räumen müſſen.

§. 34.

Man fängt beym vierſtimmigen Accompagnement
billig an, und legt es zum Grunde. Wer dieſes gründlich lernt,
kann auch ſehr leicht mit den übrigen Arten umgehen.

§. 35.

Man gehe mit ſeinen Schülern, beſonders beym
vierſtimmigen Accompagnement, die Aufgaben in allen Lagen durch,
damit ſie ihnen bekannt werden. Da man hierbey bloß auf dieſen
Endzweck ſiehet, ſo iſt es freylich nicht zu ändern, daß zuweilen
ungeſchickte Fortſchreitungen mit unterlaufen, und Lagen vorkom-
men, welche nicht die beſten ſind. Sie lernen indeſſen doch dadurch
die beſten Fortſchreitungen und Lagen von den ſchlechten unter-
ſcheiden; man muß ihnen aber bey Gelegenheit das Ungeſchickte
und die Verbeſſerung zugleich mit deutlich zeigen.

§. 36.

Ob aber dieſe Fortſchreitungen gleich ungeſchickt ſeyn
können, ſo müſſen ſie dennoch nicht falſch ſeyn: es muß nehmlich in der

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[7/0017] Einleitung. Exempel Gelegenheit geben zu errathen, wo das einſtimmige Ac- compagnement Statt hat. §. 30. Unter der Hauptſtimme verſtehe ich die Stimme, welche den Hauptgeſang in einem Stücke führt, wo nicht alles gleich gearbeitet iſt, z. E. in einem Solo, Concerte, Arie u. ſ. w. §. 31. Die Oberſtimme nenne ich die höchſte, ſo der Accompagniſt nimmt. §. 32. Bey dem Unterricht muß man ſeine Schüler das vorgelegte erſt ſpielen und alsdenn in zwey Syſteme ausſetzen laſſen. Das Ohr und das Auge lernen dadurch deutlich das Wahre von dem Falſchen unterſcheiden. §. 33. Hierbey muß man es aber nicht bewenden laſſen, ſondern mit ihnen über beydes urtheilen; man fordre von jeder Note gleichſam Rechenſchaft; man mache ihnen Einwürfe, welche ſie mit Gründen, warum z. E. dieſe und jene Note ſo, und nicht anders da ſtehen könne, aus dem Wege räumen müſſen. §. 34. Man fängt beym vierſtimmigen Accompagnement billig an, und legt es zum Grunde. Wer dieſes gründlich lernt, kann auch ſehr leicht mit den übrigen Arten umgehen. §. 35. Man gehe mit ſeinen Schülern, beſonders beym vierſtimmigen Accompagnement, die Aufgaben in allen Lagen durch, damit ſie ihnen bekannt werden. Da man hierbey bloß auf dieſen Endzweck ſiehet, ſo iſt es freylich nicht zu ändern, daß zuweilen ungeſchickte Fortſchreitungen mit unterlaufen, und Lagen vorkom- men, welche nicht die beſten ſind. Sie lernen indeſſen doch dadurch die beſten Fortſchreitungen und Lagen von den ſchlechten unter- ſcheiden; man muß ihnen aber bey Gelegenheit das Ungeſchickte und die Verbeſſerung zugleich mit deutlich zeigen. §. 36. Ob aber dieſe Fortſchreitungen gleich ungeſchickt ſeyn können, ſo müſſen ſie dennoch nicht falſch ſeyn: es muß nehmlich in der nöthi-

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Zitationshilfe: Bach, Carl Philipp Emanuel: Versuch über die wahre Art das Clavier zu spielen. Bd. 2. Berlin, 1762, S. 7. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bach_versuch02_1762/17>, abgerufen am 29.03.2024.