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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 4: Das XIX. Jahrhundert von 1801 bis 1860. Braunschweig, 1899.

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Frankreich 1816 bis 1830.
Lokomotive und die Erbauung der ersten Eisenbahn mit Dampfbetrieb
für den Personenverkehr.

Kalorische Maschinen erfanden Montgolfier und Dayme 1816
und Stirling 1827, ohne jedoch damit einen Erfolg zu erzielen.
Brunel trug sich bereits 1825 mit der Idee, Maschinen mit ver-
dichteter Kohlensäure zu betreiben.

Frankreich 1816 bis 1830.

Frankreichs Eisenindustrie hatte zwar durch die Republik und
das Kaiserreich einen grossen Impuls erhalten und war durch die-
selben nach Möglichkeit gefördert worden, trotzdem war sie in ihrer
technischen Entwickelung zurückgeblieben. Der Grund hiervon lag
zum grossen Teil in der feindseligen Stellung Frankreichs gegen Eng-
land und den andauernden Kriegen zwischen beiden, wodurch verhindert
wurde, dass Frankreich von den grossen technischen Fortschritten Eng-
lands Nutzen ziehen konnte. Auch nachdem der Friede in Europa
hergestellt war, beeilte sich Frankreich nicht, seine zurückgebliebenen
Betriebe zu verbessern. Eine allgemeine Abspannung war auf die
übertriebene Anspannung der Kräfte unter der kriegerischen Herr-
schaft des ersten Kaiserreiches gefolgt. Dazu kam, dass die fran-
zösische Eisenindustrie durch die freihändlerische Richtung, welche
1815 plötzlich eingeschlagen worden war, und die Herabsetzung des
Schutzzolles von 1816 bis 1819 sehr gedrückt wurde. Frankreichs
Eisenindustrie stand auf so schwachen Füssen, dass sie nur bei den
höchsten Schutzzöllen gedeihen konnte. Deshalb setzte man auch
durch Gesetz vom 23. April 1822 den Zoll von in französischen Schiffen
eingeführtem Roheisen wieder auf 9 Franken, von Schmiedeeisen auf
25 bis 50 Franken pro 100 kg; unter fremder Flagge eingeführtes
Eisen musste noch höhere Abgaben bezahlen.

Es verging eine Reihe von Jahren, ehe die Eisenindustrie Frank-
reichs sich zu einer gründlichen Reform aufschwingen konnte. Man
behielt die alten Holzkohlenöfen bei, die man höchstens nach und
nach hier und da bis auf 30 Fuss erhöhte; als Gebläse dienten fast aus-
schliesslich die alten hölzernen Spitzbälge. Creusot blieb noch immer
die einzige Kokshochofenanlage und hatte schwer genug um seine Er-
haltung zu kämpfen. Erst im Jahre 1818 wurde eine zweite Kokshoch-
ofenhütte bei St. Etienne in Betrieb gesetzt. Das Frischen geschah
aber noch ausschliesslich in Herden mit Holzkohlen. Der Puddel-
prozess war fast unbekannt. Allerdings hatte Francois de Wendel,

Frankreich 1816 bis 1830.
Lokomotive und die Erbauung der ersten Eisenbahn mit Dampfbetrieb
für den Personenverkehr.

Kalorische Maschinen erfanden Montgolfier und Dayme 1816
und Stirling 1827, ohne jedoch damit einen Erfolg zu erzielen.
Brunel trug sich bereits 1825 mit der Idee, Maschinen mit ver-
dichteter Kohlensäure zu betreiben.

Frankreich 1816 bis 1830.

Frankreichs Eisenindustrie hatte zwar durch die Republik und
das Kaiserreich einen groſsen Impuls erhalten und war durch die-
selben nach Möglichkeit gefördert worden, trotzdem war sie in ihrer
technischen Entwickelung zurückgeblieben. Der Grund hiervon lag
zum groſsen Teil in der feindseligen Stellung Frankreichs gegen Eng-
land und den andauernden Kriegen zwischen beiden, wodurch verhindert
wurde, daſs Frankreich von den groſsen technischen Fortschritten Eng-
lands Nutzen ziehen konnte. Auch nachdem der Friede in Europa
hergestellt war, beeilte sich Frankreich nicht, seine zurückgebliebenen
Betriebe zu verbessern. Eine allgemeine Abspannung war auf die
übertriebene Anspannung der Kräfte unter der kriegerischen Herr-
schaft des ersten Kaiserreiches gefolgt. Dazu kam, daſs die fran-
zösische Eisenindustrie durch die freihändlerische Richtung, welche
1815 plötzlich eingeschlagen worden war, und die Herabsetzung des
Schutzzolles von 1816 bis 1819 sehr gedrückt wurde. Frankreichs
Eisenindustrie stand auf so schwachen Füſsen, daſs sie nur bei den
höchsten Schutzzöllen gedeihen konnte. Deshalb setzte man auch
durch Gesetz vom 23. April 1822 den Zoll von in französischen Schiffen
eingeführtem Roheisen wieder auf 9 Franken, von Schmiedeeisen auf
25 bis 50 Franken pro 100 kg; unter fremder Flagge eingeführtes
Eisen muſste noch höhere Abgaben bezahlen.

Es verging eine Reihe von Jahren, ehe die Eisenindustrie Frank-
reichs sich zu einer gründlichen Reform aufschwingen konnte. Man
behielt die alten Holzkohlenöfen bei, die man höchstens nach und
nach hier und da bis auf 30 Fuſs erhöhte; als Gebläse dienten fast aus-
schlieſslich die alten hölzernen Spitzbälge. Creusot blieb noch immer
die einzige Kokshochofenanlage und hatte schwer genug um seine Er-
haltung zu kämpfen. Erst im Jahre 1818 wurde eine zweite Kokshoch-
ofenhütte bei St. Etienne in Betrieb gesetzt. Das Frischen geschah
aber noch ausschlieſslich in Herden mit Holzkohlen. Der Puddel-
prozeſs war fast unbekannt. Allerdings hatte François de Wendel,

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[327/0343] Frankreich 1816 bis 1830. Lokomotive und die Erbauung der ersten Eisenbahn mit Dampfbetrieb für den Personenverkehr. Kalorische Maschinen erfanden Montgolfier und Dayme 1816 und Stirling 1827, ohne jedoch damit einen Erfolg zu erzielen. Brunel trug sich bereits 1825 mit der Idee, Maschinen mit ver- dichteter Kohlensäure zu betreiben. Frankreich 1816 bis 1830. Frankreichs Eisenindustrie hatte zwar durch die Republik und das Kaiserreich einen groſsen Impuls erhalten und war durch die- selben nach Möglichkeit gefördert worden, trotzdem war sie in ihrer technischen Entwickelung zurückgeblieben. Der Grund hiervon lag zum groſsen Teil in der feindseligen Stellung Frankreichs gegen Eng- land und den andauernden Kriegen zwischen beiden, wodurch verhindert wurde, daſs Frankreich von den groſsen technischen Fortschritten Eng- lands Nutzen ziehen konnte. Auch nachdem der Friede in Europa hergestellt war, beeilte sich Frankreich nicht, seine zurückgebliebenen Betriebe zu verbessern. Eine allgemeine Abspannung war auf die übertriebene Anspannung der Kräfte unter der kriegerischen Herr- schaft des ersten Kaiserreiches gefolgt. Dazu kam, daſs die fran- zösische Eisenindustrie durch die freihändlerische Richtung, welche 1815 plötzlich eingeschlagen worden war, und die Herabsetzung des Schutzzolles von 1816 bis 1819 sehr gedrückt wurde. Frankreichs Eisenindustrie stand auf so schwachen Füſsen, daſs sie nur bei den höchsten Schutzzöllen gedeihen konnte. Deshalb setzte man auch durch Gesetz vom 23. April 1822 den Zoll von in französischen Schiffen eingeführtem Roheisen wieder auf 9 Franken, von Schmiedeeisen auf 25 bis 50 Franken pro 100 kg; unter fremder Flagge eingeführtes Eisen muſste noch höhere Abgaben bezahlen. Es verging eine Reihe von Jahren, ehe die Eisenindustrie Frank- reichs sich zu einer gründlichen Reform aufschwingen konnte. Man behielt die alten Holzkohlenöfen bei, die man höchstens nach und nach hier und da bis auf 30 Fuſs erhöhte; als Gebläse dienten fast aus- schlieſslich die alten hölzernen Spitzbälge. Creusot blieb noch immer die einzige Kokshochofenanlage und hatte schwer genug um seine Er- haltung zu kämpfen. Erst im Jahre 1818 wurde eine zweite Kokshoch- ofenhütte bei St. Etienne in Betrieb gesetzt. Das Frischen geschah aber noch ausschlieſslich in Herden mit Holzkohlen. Der Puddel- prozeſs war fast unbekannt. Allerdings hatte François de Wendel,

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 4: Das XIX. Jahrhundert von 1801 bis 1860. Braunschweig, 1899, S. 327. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen04_1899/343>, abgerufen am 25.04.2024.