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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 5: Das XIX. Jahrhundert von 1860 bis zum Schluss. Braunschweig, 1903.

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Einleitung.

Betrachten wir in Kürze die kriegerischen Ereignisse, welche
hierzu beitrugen. In Europa hatte Napoleon III. die Erbschaft seines
grossen Oheims angetreten und wurde unter der heuchlerischen Maske
eines Vorkämpfers der Civilisation der Störenfried Europas. Seine
hervorragenden Kenntnisse des Artillerie- und Bewaffnungswesens ver-
wendete er zur Neuorganisation der Ausrüstung der französischen
Armee. Er erkannte insbesondere die hohe Wichtigkeit der gezogenen
Feuerwaffen und dehnte dieses Prinzip auch auf die Geschütze aus.
In dem Feldzuge gegen Österreich im Jahre 1859, dem "Italienischen
Kriege", traten Napoleons gezogene Vierpfünder zum erstenmal in
Aktion und bewiesen ihre Überlegenheit über die glatten Geschütze
der Österreicher. Diese Überlegenheit der Feldartillerie trug wesentlich
zu den Siegen der Franzosen bei. Es waren dies aber noch Bronze-
geschütze und die Erfolge, welche Napoleon mit denselben errungen,
waren die Veranlassung, dass er den Versuchen, die Bronze durch
Gussstahl zu ersetzen, welche Preussen auf Alfred Krupps unermüd-
liches Betreiben hin aufgenommen hatte, nicht die Aufmerksamkeit
schenkte, die sie verdienten. Dagegen würdigte er eine andere neue
Verwendung des Eisens für die Kriegsausrüstung in vollem Masse,
die der Eisenpanzerung der Schiffe.

Die ersten Versuche auf diesem Gebiete waren in Amerika gemacht
worden. Der berühmte schwedische Ingenieur Ericsson hatte seine
grosse Erfindungsgabe dieser Aufgabe gewidmet. Auf Napoleon hatte
aber besonders die Vernichtung der türkischen Flotte bei Sinope am
30. November 1853, welche die Wehrlosigkeit der Holzschiffe gegen
moderne Artillerie deutlich bewiesen hatte, tiefen Eindruck gemacht
und er liess deshalb schon 1854 schwimmende Batterien mit starker
Eisenpanzerung bauen. Von diesen Verteidigungsschiffen ging man zu
gepanzerten Schlachtschiffen über und nun begann jener für die Ent-
wickelung der Eisenindustrie so wichtige Wettkampf zwischen Panzer
und Geschütz, welcher von da an ununterbrochen fortgeführt wurde.
Die Panzerplatten übertrafen bei weitem an Dicke die stärksten Blech-
platten, die man bis dahin hergestellt hatte. Zu ihrer Anfertigung
waren deshalb viel schwerere Hämmer und stärkere Walzwerke not-
wendig, als man vordem gebaut hatte. Die eisernen Platten von 5 und
6 engl. Zoll Dicke vermochten indes nicht lange den immer stärker
konstruierten Geschützen und den immer härteren Geschossen, die
man aus Stahl und Hartguss anfertigte, zu widerstehen. Man war des-
halb gezwungen, auch die Panzerplatten aus Stahl herzustellen, wozu
aber wieder viel stärkere Bearbeitungsmaschinen erforderlich wurden.


Einleitung.

Betrachten wir in Kürze die kriegerischen Ereignisse, welche
hierzu beitrugen. In Europa hatte Napoleon III. die Erbschaft seines
groſsen Oheims angetreten und wurde unter der heuchlerischen Maske
eines Vorkämpfers der Civilisation der Störenfried Europas. Seine
hervorragenden Kenntnisse des Artillerie- und Bewaffnungswesens ver-
wendete er zur Neuorganisation der Ausrüstung der französischen
Armee. Er erkannte insbesondere die hohe Wichtigkeit der gezogenen
Feuerwaffen und dehnte dieses Prinzip auch auf die Geschütze aus.
In dem Feldzuge gegen Österreich im Jahre 1859, dem „Italienischen
Kriege“, traten Napoleons gezogene Vierpfünder zum erstenmal in
Aktion und bewiesen ihre Überlegenheit über die glatten Geschütze
der Österreicher. Diese Überlegenheit der Feldartillerie trug wesentlich
zu den Siegen der Franzosen bei. Es waren dies aber noch Bronze-
geschütze und die Erfolge, welche Napoleon mit denselben errungen,
waren die Veranlassung, daſs er den Versuchen, die Bronze durch
Guſsstahl zu ersetzen, welche Preuſsen auf Alfred Krupps unermüd-
liches Betreiben hin aufgenommen hatte, nicht die Aufmerksamkeit
schenkte, die sie verdienten. Dagegen würdigte er eine andere neue
Verwendung des Eisens für die Kriegsausrüstung in vollem Maſse,
die der Eisenpanzerung der Schiffe.

Die ersten Versuche auf diesem Gebiete waren in Amerika gemacht
worden. Der berühmte schwedische Ingenieur Ericsſon hatte seine
groſse Erfindungsgabe dieser Aufgabe gewidmet. Auf Napoleon hatte
aber besonders die Vernichtung der türkischen Flotte bei Sinope am
30. November 1853, welche die Wehrlosigkeit der Holzschiffe gegen
moderne Artillerie deutlich bewiesen hatte, tiefen Eindruck gemacht
und er lieſs deshalb schon 1854 schwimmende Batterien mit starker
Eisenpanzerung bauen. Von diesen Verteidigungsschiffen ging man zu
gepanzerten Schlachtschiffen über und nun begann jener für die Ent-
wickelung der Eisenindustrie so wichtige Wettkampf zwischen Panzer
und Geschütz, welcher von da an ununterbrochen fortgeführt wurde.
Die Panzerplatten übertrafen bei weitem an Dicke die stärksten Blech-
platten, die man bis dahin hergestellt hatte. Zu ihrer Anfertigung
waren deshalb viel schwerere Hämmer und stärkere Walzwerke not-
wendig, als man vordem gebaut hatte. Die eisernen Platten von 5 und
6 engl. Zoll Dicke vermochten indes nicht lange den immer stärker
konstruierten Geschützen und den immer härteren Geschossen, die
man aus Stahl und Hartguſs anfertigte, zu widerstehen. Man war des-
halb gezwungen, auch die Panzerplatten aus Stahl herzustellen, wozu
aber wieder viel stärkere Bearbeitungsmaschinen erforderlich wurden.


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[2/0016] Einleitung. Betrachten wir in Kürze die kriegerischen Ereignisse, welche hierzu beitrugen. In Europa hatte Napoleon III. die Erbschaft seines groſsen Oheims angetreten und wurde unter der heuchlerischen Maske eines Vorkämpfers der Civilisation der Störenfried Europas. Seine hervorragenden Kenntnisse des Artillerie- und Bewaffnungswesens ver- wendete er zur Neuorganisation der Ausrüstung der französischen Armee. Er erkannte insbesondere die hohe Wichtigkeit der gezogenen Feuerwaffen und dehnte dieses Prinzip auch auf die Geschütze aus. In dem Feldzuge gegen Österreich im Jahre 1859, dem „Italienischen Kriege“, traten Napoleons gezogene Vierpfünder zum erstenmal in Aktion und bewiesen ihre Überlegenheit über die glatten Geschütze der Österreicher. Diese Überlegenheit der Feldartillerie trug wesentlich zu den Siegen der Franzosen bei. Es waren dies aber noch Bronze- geschütze und die Erfolge, welche Napoleon mit denselben errungen, waren die Veranlassung, daſs er den Versuchen, die Bronze durch Guſsstahl zu ersetzen, welche Preuſsen auf Alfred Krupps unermüd- liches Betreiben hin aufgenommen hatte, nicht die Aufmerksamkeit schenkte, die sie verdienten. Dagegen würdigte er eine andere neue Verwendung des Eisens für die Kriegsausrüstung in vollem Maſse, die der Eisenpanzerung der Schiffe. Die ersten Versuche auf diesem Gebiete waren in Amerika gemacht worden. Der berühmte schwedische Ingenieur Ericsſon hatte seine groſse Erfindungsgabe dieser Aufgabe gewidmet. Auf Napoleon hatte aber besonders die Vernichtung der türkischen Flotte bei Sinope am 30. November 1853, welche die Wehrlosigkeit der Holzschiffe gegen moderne Artillerie deutlich bewiesen hatte, tiefen Eindruck gemacht und er lieſs deshalb schon 1854 schwimmende Batterien mit starker Eisenpanzerung bauen. Von diesen Verteidigungsschiffen ging man zu gepanzerten Schlachtschiffen über und nun begann jener für die Ent- wickelung der Eisenindustrie so wichtige Wettkampf zwischen Panzer und Geschütz, welcher von da an ununterbrochen fortgeführt wurde. Die Panzerplatten übertrafen bei weitem an Dicke die stärksten Blech- platten, die man bis dahin hergestellt hatte. Zu ihrer Anfertigung waren deshalb viel schwerere Hämmer und stärkere Walzwerke not- wendig, als man vordem gebaut hatte. Die eisernen Platten von 5 und 6 engl. Zoll Dicke vermochten indes nicht lange den immer stärker konstruierten Geschützen und den immer härteren Geschossen, die man aus Stahl und Hartguſs anfertigte, zu widerstehen. Man war des- halb gezwungen, auch die Panzerplatten aus Stahl herzustellen, wozu aber wieder viel stärkere Bearbeitungsmaschinen erforderlich wurden.

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 5: Das XIX. Jahrhundert von 1860 bis zum Schluss. Braunschweig, 1903, S. 2. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen05_1903/16>, abgerufen am 28.03.2024.