Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Berthold, Franz [d. i. Adelheid Reinbold]: Irrwisch-Fritze. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 4. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [1]–115. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

forschte, eh' er weiter in der Sache vorschritte; auch überlegte er, daß er Wohl thäte, sich mit seinem Pathen, einem alten Bauersmann, der mit Lieschen's Vater auf einem ganz guten Fuße stand, zu berathen; er meinte, es sei schicklicher, diesen zu seinem Freiwerber zu machen; so sagte er nur: Dann werde ich morgen wiederkommen, und ging mit einem bedeutungsvollen Blick auf Lieschen weg.

Der Tag verstrich in Arbeit, Schweigen und Schmerz. Fritz schlich ein paar mal um den Gartenzaun, aber vergebens, Lieschen ließ sich nicht blicken, oder wenigstens nicht zu der Zeit; die Mutter wußte sie in der Stube festzuhalten. Erst gegen Abend kam der Vater wieder; er war sehr vergnügt. Lieschen, sagte er freundlich, steck mir die Pfeife an. Lieschen, der gestrigen Scene eingedenk, näherte sich ihm mit einer Art von Abscheu und streckte die Hand schon von weitem nach der Pfeife aus; aber gleich darauf entsetzte sie sich vor ihrem eigenen Gefühl, bezwang sich und brachte die brennende Pfeife mit fast demüthiger Miene zurück. Nun, Mädchen, sagte der Vater, ihr das Kinn aufhebend, lustig! ich habe dir einen Bräutigam ausgesucht. Lieschen stand erstarrt. Was braucht denn die Närrin zu erschrecken? Aeltern denken mehr an ihrer Kinder Bestes als die Kinder, verstehn sich besser darauf. Ein angesehener Mann, Lieschen, ein hübscher Mann; was sagst du zum Bäcker Baumann in Altstadt?

forschte, eh' er weiter in der Sache vorschritte; auch überlegte er, daß er Wohl thäte, sich mit seinem Pathen, einem alten Bauersmann, der mit Lieschen's Vater auf einem ganz guten Fuße stand, zu berathen; er meinte, es sei schicklicher, diesen zu seinem Freiwerber zu machen; so sagte er nur: Dann werde ich morgen wiederkommen, und ging mit einem bedeutungsvollen Blick auf Lieschen weg.

Der Tag verstrich in Arbeit, Schweigen und Schmerz. Fritz schlich ein paar mal um den Gartenzaun, aber vergebens, Lieschen ließ sich nicht blicken, oder wenigstens nicht zu der Zeit; die Mutter wußte sie in der Stube festzuhalten. Erst gegen Abend kam der Vater wieder; er war sehr vergnügt. Lieschen, sagte er freundlich, steck mir die Pfeife an. Lieschen, der gestrigen Scene eingedenk, näherte sich ihm mit einer Art von Abscheu und streckte die Hand schon von weitem nach der Pfeife aus; aber gleich darauf entsetzte sie sich vor ihrem eigenen Gefühl, bezwang sich und brachte die brennende Pfeife mit fast demüthiger Miene zurück. Nun, Mädchen, sagte der Vater, ihr das Kinn aufhebend, lustig! ich habe dir einen Bräutigam ausgesucht. Lieschen stand erstarrt. Was braucht denn die Närrin zu erschrecken? Aeltern denken mehr an ihrer Kinder Bestes als die Kinder, verstehn sich besser darauf. Ein angesehener Mann, Lieschen, ein hübscher Mann; was sagst du zum Bäcker Baumann in Altstadt?

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0035"/>
forschte, eh'                er weiter in der Sache vorschritte; auch überlegte er, daß er Wohl thäte, sich mit                seinem Pathen, einem alten Bauersmann, der mit Lieschen's Vater auf einem ganz guten                Fuße stand, zu berathen; er meinte, es sei schicklicher, diesen zu seinem Freiwerber                zu machen; so sagte er nur: Dann werde ich morgen wiederkommen, und ging mit einem                bedeutungsvollen Blick auf Lieschen weg.</p><lb/>
        <p>Der Tag verstrich in Arbeit, Schweigen und Schmerz. Fritz schlich ein paar mal um den                Gartenzaun, aber vergebens, Lieschen ließ sich nicht blicken, oder wenigstens nicht                zu der Zeit; die Mutter wußte sie in der Stube festzuhalten. Erst gegen Abend kam der                Vater wieder; er war sehr vergnügt. Lieschen, sagte er freundlich, steck mir die                Pfeife an. Lieschen, der gestrigen Scene eingedenk, näherte sich ihm mit einer Art                von Abscheu und streckte die Hand schon von weitem nach der Pfeife aus; aber gleich                darauf entsetzte sie sich vor ihrem eigenen Gefühl, bezwang sich und brachte die                brennende Pfeife mit fast demüthiger Miene zurück. Nun, Mädchen, sagte der Vater, ihr                das Kinn aufhebend, lustig! ich habe dir einen Bräutigam ausgesucht. Lieschen stand                erstarrt. Was braucht denn die Närrin zu erschrecken? Aeltern denken mehr an ihrer                Kinder Bestes als die Kinder, verstehn sich besser darauf. Ein angesehener Mann,                Lieschen, ein hübscher Mann; was sagst du zum Bäcker Baumann in Altstadt?</p><lb/><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0035] forschte, eh' er weiter in der Sache vorschritte; auch überlegte er, daß er Wohl thäte, sich mit seinem Pathen, einem alten Bauersmann, der mit Lieschen's Vater auf einem ganz guten Fuße stand, zu berathen; er meinte, es sei schicklicher, diesen zu seinem Freiwerber zu machen; so sagte er nur: Dann werde ich morgen wiederkommen, und ging mit einem bedeutungsvollen Blick auf Lieschen weg. Der Tag verstrich in Arbeit, Schweigen und Schmerz. Fritz schlich ein paar mal um den Gartenzaun, aber vergebens, Lieschen ließ sich nicht blicken, oder wenigstens nicht zu der Zeit; die Mutter wußte sie in der Stube festzuhalten. Erst gegen Abend kam der Vater wieder; er war sehr vergnügt. Lieschen, sagte er freundlich, steck mir die Pfeife an. Lieschen, der gestrigen Scene eingedenk, näherte sich ihm mit einer Art von Abscheu und streckte die Hand schon von weitem nach der Pfeife aus; aber gleich darauf entsetzte sie sich vor ihrem eigenen Gefühl, bezwang sich und brachte die brennende Pfeife mit fast demüthiger Miene zurück. Nun, Mädchen, sagte der Vater, ihr das Kinn aufhebend, lustig! ich habe dir einen Bräutigam ausgesucht. Lieschen stand erstarrt. Was braucht denn die Närrin zu erschrecken? Aeltern denken mehr an ihrer Kinder Bestes als die Kinder, verstehn sich besser darauf. Ein angesehener Mann, Lieschen, ein hübscher Mann; was sagst du zum Bäcker Baumann in Altstadt?

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt, c/o Prof. Dr. Thomas Weitin, TU Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-10T13:46:34Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget: conversion of OCR output to TEI-conformant markup and general correction. (2017-03-10T13:46:34Z)
Anni Peter, Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-10T13:46:34Z)

Weitere Informationen:

Die Transkription erfolgte nach den unter http://www.deutschestextarchiv.de/doku/basisformat/ formulierten Richtlinien.

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: nicht gekennzeichnet; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/berthold_irrwischfritze_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/berthold_irrwischfritze_1910/35
Zitationshilfe: Berthold, Franz [d. i. Adelheid Reinbold]: Irrwisch-Fritze. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 4. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [1]–115. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berthold_irrwischfritze_1910/35>, abgerufen am 28.03.2024.