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Beseler, Georg: Volksrecht und Juristenrecht. Leipzig, 1843.

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Eilftes Kapitel.
Ausbildung erlangt hat, und daß die wissenschaftliche Behand-
lung, welche ihm zu Theil geworden, im Ganzen eine so
wenig befriedigende gewesen ist. Hat doch erst Briegleb in
seinem vortrefflichen Werke über den Executivproceß zeigen
müssen, was die Dogmengeschichte auch auf diesem Gebiete
zu leisten vermag.

4. Das Staatsrecht.

Auch auf die Gestaltung des Staatsrechts haben die Ju-
risten einmal einen großen Einfluß ausgeübt, nämlich so lange,
als sie auch auf diesem Gebiete die wichtigsten Geschäfte lei-
teten, und also Theorie und Praxis vereinigen konnten. Das
änderte sich seit dem 17. Jahrhundert, als nach dem Vorgange
Frankreichs auch die deutschen Höfe die obere Leitung der in-
nern Verwaltung immer mehr den Händen des ihrem Inte-
resse gewonnenen niedern Adels anvertrauten, und sich gleich-
zeitig für die Besorgung der auswärtigen Angelegenheiten ein
eigener Stand in den Diplomaten ausbildete, was auch durch
den Uebergang der Geschäftssprache aus dem Lateinischen in
das Französische angedeutet wurde. Nun wichen die gelehrten
Kanzler den adeligen Ministern, und für die diplomatischen
Verhandlungen wurden die Gesandtschaften vornehmer, zur Re-
präsentation geeigneter Personen allgemein eingeführt. Die
letztere Veränderung ist freilich längere Zeit von einer größeren
Bedeutung für die völkerrechtlichen, als für die staatsrechtlichen
Verhältnisse Deutschlands gewesen; denn zur Zeit, als die
Fremden zuerst mit in dem Rathe der Nation saßen, auf dem
westphälischen Friedenscongreß, war sie noch nicht durchge-
führt, und auf dem Reichstage spielten die Juristen bis kurz
vor dem Ende desselben eine große Rolle, so wie auch der

Eilftes Kapitel.
Ausbildung erlangt hat, und daß die wiſſenſchaftliche Behand-
lung, welche ihm zu Theil geworden, im Ganzen eine ſo
wenig befriedigende geweſen iſt. Hat doch erſt Briegleb in
ſeinem vortrefflichen Werke uͤber den Executivproceß zeigen
muͤſſen, was die Dogmengeſchichte auch auf dieſem Gebiete
zu leiſten vermag.

4. Das Staatsrecht.

Auch auf die Geſtaltung des Staatsrechts haben die Ju-
riſten einmal einen großen Einfluß ausgeuͤbt, naͤmlich ſo lange,
als ſie auch auf dieſem Gebiete die wichtigſten Geſchaͤfte lei-
teten, und alſo Theorie und Praxis vereinigen konnten. Das
aͤnderte ſich ſeit dem 17. Jahrhundert, als nach dem Vorgange
Frankreichs auch die deutſchen Hoͤfe die obere Leitung der in-
nern Verwaltung immer mehr den Haͤnden des ihrem Inte-
reſſe gewonnenen niedern Adels anvertrauten, und ſich gleich-
zeitig fuͤr die Beſorgung der auswaͤrtigen Angelegenheiten ein
eigener Stand in den Diplomaten ausbildete, was auch durch
den Uebergang der Geſchaͤftsſprache aus dem Lateiniſchen in
das Franzoͤſiſche angedeutet wurde. Nun wichen die gelehrten
Kanzler den adeligen Miniſtern, und fuͤr die diplomatiſchen
Verhandlungen wurden die Geſandtſchaften vornehmer, zur Re-
praͤſentation geeigneter Perſonen allgemein eingefuͤhrt. Die
letztere Veraͤnderung iſt freilich laͤngere Zeit von einer groͤßeren
Bedeutung fuͤr die voͤlkerrechtlichen, als fuͤr die ſtaatsrechtlichen
Verhaͤltniſſe Deutſchlands geweſen; denn zur Zeit, als die
Fremden zuerſt mit in dem Rathe der Nation ſaßen, auf dem
weſtphaͤliſchen Friedenscongreß, war ſie noch nicht durchge-
fuͤhrt, und auf dem Reichstage ſpielten die Juriſten bis kurz
vor dem Ende deſſelben eine große Rolle, ſo wie auch der

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[338/0350] Eilftes Kapitel. Ausbildung erlangt hat, und daß die wiſſenſchaftliche Behand- lung, welche ihm zu Theil geworden, im Ganzen eine ſo wenig befriedigende geweſen iſt. Hat doch erſt Briegleb in ſeinem vortrefflichen Werke uͤber den Executivproceß zeigen muͤſſen, was die Dogmengeſchichte auch auf dieſem Gebiete zu leiſten vermag. 4. Das Staatsrecht. Auch auf die Geſtaltung des Staatsrechts haben die Ju- riſten einmal einen großen Einfluß ausgeuͤbt, naͤmlich ſo lange, als ſie auch auf dieſem Gebiete die wichtigſten Geſchaͤfte lei- teten, und alſo Theorie und Praxis vereinigen konnten. Das aͤnderte ſich ſeit dem 17. Jahrhundert, als nach dem Vorgange Frankreichs auch die deutſchen Hoͤfe die obere Leitung der in- nern Verwaltung immer mehr den Haͤnden des ihrem Inte- reſſe gewonnenen niedern Adels anvertrauten, und ſich gleich- zeitig fuͤr die Beſorgung der auswaͤrtigen Angelegenheiten ein eigener Stand in den Diplomaten ausbildete, was auch durch den Uebergang der Geſchaͤftsſprache aus dem Lateiniſchen in das Franzoͤſiſche angedeutet wurde. Nun wichen die gelehrten Kanzler den adeligen Miniſtern, und fuͤr die diplomatiſchen Verhandlungen wurden die Geſandtſchaften vornehmer, zur Re- praͤſentation geeigneter Perſonen allgemein eingefuͤhrt. Die letztere Veraͤnderung iſt freilich laͤngere Zeit von einer groͤßeren Bedeutung fuͤr die voͤlkerrechtlichen, als fuͤr die ſtaatsrechtlichen Verhaͤltniſſe Deutſchlands geweſen; denn zur Zeit, als die Fremden zuerſt mit in dem Rathe der Nation ſaßen, auf dem weſtphaͤliſchen Friedenscongreß, war ſie noch nicht durchge- fuͤhrt, und auf dem Reichstage ſpielten die Juriſten bis kurz vor dem Ende deſſelben eine große Rolle, ſo wie auch der

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Zitationshilfe: Beseler, Georg: Volksrecht und Juristenrecht. Leipzig, 1843, S. 338. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_volksrecht_1843/350>, abgerufen am 20.04.2024.