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Bierbaum, Otto Julius: Stilpe. Ein Roman aus der Froschperspektive. Berlin, 1897.

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Fünftes Kapitel.

Die Oberprima des Königlichen Gymnasiums
einer kleinen sächsischen Industriestadt war aus¬
nahmsweise Sonnabend Nachmittag in die Schule
berufen worden, weil der Geheimrat Ammer, der
als Königlicher Kommissarius die bevorstehende
Abiturientenprüfung zu überwachen hatte, mit dem
Wunsche hervorgetreten war, die Kandidaten schon
zuvor persönlich kennen zu lernen. Er hatte sich
mit ihnen in einer sehr freundlichen und schmeichel¬
haften Art unterhalten, nämlich gar nicht so, wie
es die Art der Lehrer war, sondern in der ge¬
winnenden Manier eines älteren Freundes etwa,
der seinen Vorsprung an Jahren und Reife
als nebensächlich behandelt und ein Verhältnis
von Vertraulichkeit zu schaffen oder wenigstens
vorzutäuschen sucht, soweit dies möglich ist. Er

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Fünftes Kapitel.

Die Oberprima des Königlichen Gymnaſiums
einer kleinen ſächſiſchen Induſtrieſtadt war aus¬
nahmsweiſe Sonnabend Nachmittag in die Schule
berufen worden, weil der Geheimrat Ammer, der
als Königlicher Kommiſſarius die bevorſtehende
Abiturientenprüfung zu überwachen hatte, mit dem
Wunſche hervorgetreten war, die Kandidaten ſchon
zuvor perſönlich kennen zu lernen. Er hatte ſich
mit ihnen in einer ſehr freundlichen und ſchmeichel¬
haften Art unterhalten, nämlich gar nicht ſo, wie
es die Art der Lehrer war, ſondern in der ge¬
winnenden Manier eines älteren Freundes etwa,
der ſeinen Vorſprung an Jahren und Reife
als nebenſächlich behandelt und ein Verhältnis
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[[163]/0177] [Abbildung] Fünftes Kapitel. Die Oberprima des Königlichen Gymnaſiums einer kleinen ſächſiſchen Induſtrieſtadt war aus¬ nahmsweiſe Sonnabend Nachmittag in die Schule berufen worden, weil der Geheimrat Ammer, der als Königlicher Kommiſſarius die bevorſtehende Abiturientenprüfung zu überwachen hatte, mit dem Wunſche hervorgetreten war, die Kandidaten ſchon zuvor perſönlich kennen zu lernen. Er hatte ſich mit ihnen in einer ſehr freundlichen und ſchmeichel¬ haften Art unterhalten, nämlich gar nicht ſo, wie es die Art der Lehrer war, ſondern in der ge¬ winnenden Manier eines älteren Freundes etwa, der ſeinen Vorſprung an Jahren und Reife als nebenſächlich behandelt und ein Verhältnis von Vertraulichkeit zu ſchaffen oder wenigſtens vorzutäuſchen ſucht, ſoweit dies möglich iſt. Er 11*

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Zitationshilfe: Bierbaum, Otto Julius: Stilpe. Ein Roman aus der Froschperspektive. Berlin, 1897, S. [163]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bierbaum_stilpe_1897/177>, abgerufen am 24.04.2024.