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Birken, Sigmund von: Die Fried-erfreuete Teutonje. Nürnberg, 1652.

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"also ist auch keine Göttlichkeit ohne die Vollkommenheit.
Wo aber die Vollkommenheit ist/ da ist auch die Gerechtig-
"keit/ als eine von den fürnehmsten Tugenden. Darüm wer
da saget oder denket/ die Gottheit handle unrecht/ der ver-
"läugnet
sie. Der aber denket also/ der sich über Weltfällen
zu sehr betrübet/ weil er wissen soll/ daß alle Dinge von der
"Göttlichen Weißheit regieret werden. Dieselbe/ was sie
gut zu seyn befindet/ hat Macht und Mittel/ solches ins werk
"zu befördern/ eben wie sie/ was böß und schädlich ist/ leichtlich
verhindern kan.

77.

E. Durchl. beliebe zu erwägen/ daß vielleicht wol die
Ubertretungen dero Landskinder und Unterthanen diese und
noch grössere Straffen verschuldet/ wodurch sie als mit ei-
"nem Zaum/ vom bösen ab- und angehalten werden. Bessern
sich die Leute/ so bessert Gott die Zeiten. Lastern folget
allezeit die Last der Rache auf dem Fuß nach
. Ja/ sie
tragen selbst jhren Henker und das übel mit und bey sich.
"Jedennoch meynen es die Göttlichen Strafverhängnissen
in solcher Bewandnuß gar gut: eben wie die Zuchtrute eines
"Vaters der abartenden Kinder bestes und nicht böses suchet/
und sie stäupet/ jhr künfftiges übel zu verhüten/ nit aus Hass/
"sondern aus Liebe: nicht zu tödten/ sondern sie vom Tode zu
erretten/ darein sie mit jhrer Boßheitrennen. Wer der Bö-
"sen schonet/ der schadet den Frommen
. Ungestraftes Ubel
wurtzelt fäst ein/ und Laster/ die man nicht schilt/ bekommen
"allgemach den Namen der Tugend/ daß also die Verkehr-
niß in eine schändliche Gewonheit kommet/ auf welche das
"Verderben unausbleiblich folget.

78.

Und trifft schon die Straffe zu weiln die dem Au-
genschein nach unschuldige mit/ so ist es doch nichts unrech-
"tes. Niemand ist in dieser Sterblichkeit vollkömlich rein und
unbefleckt. Ein kleiner Flecken aber ist vor den allerreinesten
"Augen der Gottheit ein grosses Laster/ und deßwegen auch

Straf-

„alſo iſt auch keine Goͤttlichkeit ohne die Vollkommenheit.
Wo aber die Vollkommenheit iſt/ da iſt auch die Gerechtig-
„keit/ als eine von den fuͤrnehmſten Tugenden. Daruͤm wer
da ſaget oder denket/ die Gottheit handle unrecht/ der ver-
„laͤugnet
ſie. Der aber denket alſo/ der ſich uͤber Weltfaͤllen
zu ſehr betruͤbet/ weil er wiſſen ſoll/ daß alle Dinge von der
„Goͤttlichen Weißheit regieret werden. Dieſelbe/ was ſie
gut zu ſeyn befindet/ hat Macht und Mittel/ ſolches ins werk
„zu befoͤrdern/ eben wie ſie/ was boͤß und ſchaͤdlich iſt/ leichtlich
verhindern kan.

77.

E. Durchl. beliebe zu erwaͤgen/ daß vielleicht wol die
Ubertretungẽ dero Landskinder und Unterthanen dieſe und
noch groͤſſere Straffen verſchuldet/ wodurch ſie als mit ei-
„nem Zaum/ vom boͤſen ab- und angehalten werden. Beſſern
ſich die Leute/ ſo beſſert Gott die Zeiten. Laſtern folget
allezeit die Laſt der Rache auf dem Fuß nach
. Ja/ ſie
tragen ſelbſt jhren Henker und das uͤbel mit und bey ſich.
„Jedennoch meynen es die Goͤttlichen Strafverhaͤngniſſen
in ſolcher Bewandnuß gar gut: eben wie die Zuchtrute eines
„Vaters der abartenden Kinder beſtes und nicht boͤſes ſuchet/
und ſie ſtaͤupet/ jhr kuͤnfftiges uͤbel zu verhuͤten/ nit aus Haſſ/
„ſondern aus Liebe: nicht zu toͤdten/ ſondern ſie vom Tode zu
erretten/ darein ſie mit jhrer Boßheitrennen. Wer der Boͤ-
„ſen ſchonet/ der ſchadet den Frommen
. Ungeſtraftes Ubel
wurtzelt faͤſt ein/ und Laſter/ die man nicht ſchilt/ bekommen
„allgemach den Namen der Tugend/ daß alſo die Verkehr-
niß in eine ſchaͤndliche Gewonheit kommet/ auf welche das
„Verderben unausbleiblich folget.

78.

Und trifft ſchon die Straffe zu weiln die dem Au-
genſchein nach unſchuldige mit/ ſo iſt es doch nichts unrech-
„tes. Niemand iſt in dieſer Sterblichkeit vollkoͤmlich rein und
unbefleckt. Ein kleiner Flecken aber iſt vor den allerreineſten
„Augen der Gottheit ein groſſes Laſter/ und deßwegen auch

Straf-
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[86/0138] „alſo iſt auch keine Goͤttlichkeit ohne die Vollkommenheit. Wo aber die Vollkommenheit iſt/ da iſt auch die Gerechtig- „keit/ als eine von den fuͤrnehmſten Tugenden. Daruͤm wer da ſaget oder denket/ die Gottheit handle unrecht/ der ver- „laͤugnet ſie. Der aber denket alſo/ der ſich uͤber Weltfaͤllen zu ſehr betruͤbet/ weil er wiſſen ſoll/ daß alle Dinge von der „Goͤttlichen Weißheit regieret werden. Dieſelbe/ was ſie gut zu ſeyn befindet/ hat Macht und Mittel/ ſolches ins werk „zu befoͤrdern/ eben wie ſie/ was boͤß und ſchaͤdlich iſt/ leichtlich verhindern kan. 77. E. Durchl. beliebe zu erwaͤgen/ daß vielleicht wol die Ubertretungẽ dero Landskinder und Unterthanen dieſe und noch groͤſſere Straffen verſchuldet/ wodurch ſie als mit ei- „nem Zaum/ vom boͤſen ab- und angehalten werden. Beſſern ſich die Leute/ ſo beſſert Gott die Zeiten. Laſtern folget allezeit die Laſt der Rache auf dem Fuß nach. Ja/ ſie tragen ſelbſt jhren Henker und das uͤbel mit und bey ſich. „Jedennoch meynen es die Goͤttlichen Strafverhaͤngniſſen in ſolcher Bewandnuß gar gut: eben wie die Zuchtrute eines „Vaters der abartenden Kinder beſtes und nicht boͤſes ſuchet/ und ſie ſtaͤupet/ jhr kuͤnfftiges uͤbel zu verhuͤten/ nit aus Haſſ/ „ſondern aus Liebe: nicht zu toͤdten/ ſondern ſie vom Tode zu erretten/ darein ſie mit jhrer Boßheitrennen. Wer der Boͤ- „ſen ſchonet/ der ſchadet den Frommen. Ungeſtraftes Ubel wurtzelt faͤſt ein/ und Laſter/ die man nicht ſchilt/ bekommen „allgemach den Namen der Tugend/ daß alſo die Verkehr- niß in eine ſchaͤndliche Gewonheit kommet/ auf welche das „Verderben unausbleiblich folget. 78. Und trifft ſchon die Straffe zu weiln die dem Au- genſchein nach unſchuldige mit/ ſo iſt es doch nichts unrech- „tes. Niemand iſt in dieſer Sterblichkeit vollkoͤmlich rein und unbefleckt. Ein kleiner Flecken aber iſt vor den allerreineſten „Augen der Gottheit ein groſſes Laſter/ und deßwegen auch Straf-

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Zitationshilfe: Birken, Sigmund von: Die Fried-erfreuete Teutonje. Nürnberg, 1652, S. 86. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/birken_friedensvergleich_1652/138>, abgerufen am 29.03.2024.