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Blumenbach, Johann Friedrich: Geschichte und Beschreibung der Knochen des menschlichen Körpers. 2. Aufl. Göttingen, 1807.

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zusägen, und auch aus dieser Rücksicht das Verhält-
niß der Hirnschalenknochen zu denen des Gesichts
(mit Ausschluß des Unterkiefers) mit einander zu
vergleichen: und da hat er gefunden, daß wenn beym
Europäer die Area des Durchschnitts der erstern zu
den letztern sich gewöhnlich verhält = 4: 1; so ist
beym Neger bey gleichem Verticalumfang der Hirn-
schale, der von den Gesichtsknochen um 1/5 größer
als beym Europäer; beym Calmucken hingegen nur um
1/10. Lecons d'Anatomie comparee T. II. p. 10.

§. 11.

Von den durch endlose Abstufungen und
Uebergänge sich verlaufenden individuellen
Verschiedenheiten der Schädelform hier nur
so viel, daß sich zumahl in den Gesichtsknochen
und der Stirne der persönliche Character für
ein nur irgend dafür empfängliches und geübtes
Auge aufs sprechendste ausdrückt, was denn
aus dem oben von der Wandelbarkeit und
Bildsamkeit der Knochen und der Einwirkung
der Muskelthätigkeit auf dieselben gesagten
(§ 35. 36. 38. einleuchtet, und ihm gegen-
seitig zur Bestätigung dientk)

k) Ein großer Künstler vom reinsten und schärfsten
Beobachtungsgeiste H. Wilh. Tischbein hat schon
da er noch in Neapel als Director des Mahler-
academie lebte eine Sammlung von meisterhaften
Kupferblättern zu einer vergleichenden Physiogno-
mik aus der Rücksicht herausgegeben um die
Characteristik der Menschen durch Vergleichung
mit dem Character allgemein bekannter Thiere zu
erläutern. Selbst in den Schädeln ist die Ana-
logie gewisser Totalformen des Gesichts mit
manchen thierischen oft auf den ersten Blick zu
erkennen. Man vergleiche z. B. das Löwenartige

zusägen, und auch aus dieser Rücksicht das Verhält-
niß der Hirnschalenknochen zu denen des Gesichts
(mit Ausschluß des Unterkiefers) mit einander zu
vergleichen: und da hat er gefunden, daß wenn beym
Europäer die Area des Durchschnitts der erstern zu
den letztern sich gewöhnlich verhält = 4: 1; so ist
beym Neger bey gleichem Verticalumfang der Hirn-
schale, der von den Gesichtsknochen um 1/5 größer
als beym Europäer; beym Calmucken hingegen nur um
1/10. Leçons d'Anatomie comparée T. II. p. 10.

§. 11.

Von den durch endlose Abstufungen und
Uebergänge sich verlaufenden individuellen
Verschiedenheiten der Schädelform hier nur
so viel, daß sich zumahl in den Gesichtsknochen
und der Stirne der persönliche Character für
ein nur irgend dafür empfängliches und geübtes
Auge aufs sprechendste ausdrückt, was denn
aus dem oben von der Wandelbarkeit und
Bildsamkeit der Knochen und der Einwirkung
der Muskelthätigkeit auf dieselben gesagten
(§ 35. 36. 38. einleuchtet, und ihm gegen-
seitig zur Bestätigung dientk)

k) Ein großer Künstler vom reinsten und schärfsten
Beobachtungsgeiste H. Wilh. Tischbein hat schon
da er noch in Neapel als Director des Mahler-
academie lebte eine Sammlung von meisterhaften
Kupferblättern zu einer vergleichenden Physiogno-
mik aus der Rücksicht herausgegeben um die
Characteristik der Menschen durch Vergleichung
mit dem Character allgemein bekannter Thiere zu
erläutern. Selbst in den Schädeln ist die Ana-
logie gewisser Totalformen des Gesichts mit
manchen thierischen oft auf den ersten Blick zu
erkennen. Man vergleiche z. B. das Löwenartige
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[104/0130] zusägen, und auch aus dieser Rücksicht das Verhält- niß der Hirnschalenknochen zu denen des Gesichts (mit Ausschluß des Unterkiefers) mit einander zu vergleichen: und da hat er gefunden, daß wenn beym Europäer die Area des Durchschnitts der erstern zu den letztern sich gewöhnlich verhält = 4: 1; so ist beym Neger bey gleichem Verticalumfang der Hirn- schale, der von den Gesichtsknochen um 1/5 größer als beym Europäer; beym Calmucken hingegen nur um 1/10. Leçons d'Anatomie comparée T. II. p. 10. §. 11. Von den durch endlose Abstufungen und Uebergänge sich verlaufenden individuellen Verschiedenheiten der Schädelform hier nur so viel, daß sich zumahl in den Gesichtsknochen und der Stirne der persönliche Character für ein nur irgend dafür empfängliches und geübtes Auge aufs sprechendste ausdrückt, was denn aus dem oben von der Wandelbarkeit und Bildsamkeit der Knochen und der Einwirkung der Muskelthätigkeit auf dieselben gesagten (§ 35. 36. 38. einleuchtet, und ihm gegen- seitig zur Bestätigung dient k) k) Ein großer Künstler vom reinsten und schärfsten Beobachtungsgeiste H. Wilh. Tischbein hat schon da er noch in Neapel als Director des Mahler- academie lebte eine Sammlung von meisterhaften Kupferblättern zu einer vergleichenden Physiogno- mik aus der Rücksicht herausgegeben um die Characteristik der Menschen durch Vergleichung mit dem Character allgemein bekannter Thiere zu erläutern. Selbst in den Schädeln ist die Ana- logie gewisser Totalformen des Gesichts mit manchen thierischen oft auf den ersten Blick zu erkennen. Man vergleiche z. B. das Löwenartige

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Zitationshilfe: Blumenbach, Johann Friedrich: Geschichte und Beschreibung der Knochen des menschlichen Körpers. 2. Aufl. Göttingen, 1807, S. 104. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/blumenbach_knochen_1807/130>, abgerufen am 28.03.2024.