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Blumenbach, Johann Friedrich: Über die natürlichen Verschiedenheiten im Menschengeschlechte. Leipzig, 1798.

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Kunst oder Zufall entstanden seyn, auf keinen Fall
auf die Nachkömmlinge fortgepflanzt werden können,
da doch andere Geschlechtszeichen, welche aus an-
dern, bis jetzt noch unbekannten Ursachen, haupt-
sächlich in der Physiognomie entstehen, als Nasen,
oder Lippen, oder Augenbraunen, u. a. m. in Fa-
milien unterweilen mehrere oder wenigere Zeugungen
hindurch, mit mehr oder weniger anhaltender Aehn-
lichkeit, sich eben so gut fortpflanzen, als Fehler
an den Sinnorganen 24), z. B. Fehler in der
Rede und Aussprache, und anderes der Art mehr;
falls sie nicht etwa Lust haben, auch dieses alles ei-
nem besonderen Zufalle zuzuschreiben *).

§. 40.
Einige Verwahrungsregeln der Vorsichtigkeit bey Erörte-
rung der Ursachen der Verartung.

Viele von den bisher aufgeführten Ursachen der
Verartung springen so klar in die Augen und sind so
außer allen Zweifel gesetzt, daß man die meisten oben
aufgezählten Erscheinungen der Verartung mit leich-
ter Mühe, und unbezweifelt auf sie, wie die Wir-
kungen auf ihre Ursachen beziehen kann.


Von
24) Ein merkwürdiges Beyspiel liefert der berühmte
Hacquet in Voigts eten angeführtem Magazine, Th.
6. St. 4. S. 34. fg.
*) Von glaubwürdigen Personen ist mir versichert wor-
den, daß die Pferde in England, seit das Stutzen
der Schwänze Mode geworden, öfters mit weniger
Schwanzwirbelbeinen geboren würden. -- Wenn sich
diese und ähnliche Erfahrungen bestätigen; so wüßte
ich in der That nicht, was auch mehr gegen die
Evolutionshypothese und für den Bil-
dungstrieb
sprechen könnte. G.

Kunſt oder Zufall entſtanden ſeyn, auf keinen Fall
auf die Nachkoͤmmlinge fortgepflanzt werden koͤnnen,
da doch andere Geſchlechtszeichen, welche aus an-
dern, bis jetzt noch unbekannten Urſachen, haupt-
ſaͤchlich in der Phyſiognomie entſtehen, als Naſen,
oder Lippen, oder Augenbraunen, u. a. m. in Fa-
milien unterweilen mehrere oder wenigere Zeugungen
hindurch, mit mehr oder weniger anhaltender Aehn-
lichkeit, ſich eben ſo gut fortpflanzen, als Fehler
an den Sinnorganen 24), z. B. Fehler in der
Rede und Ausſprache, und anderes der Art mehr;
falls ſie nicht etwa Luſt haben, auch dieſes alles ei-
nem beſonderen Zufalle zuzuſchreiben *).

§. 40.
Einige Verwahrungsregeln der Vorſichtigkeit bey Eroͤrte-
rung der Urſachen der Verartung.

Viele von den bisher aufgefuͤhrten Urſachen der
Verartung ſpringen ſo klar in die Augen und ſind ſo
außer allen Zweifel geſetzt, daß man die meiſten oben
aufgezaͤhlten Erſcheinungen der Verartung mit leich-
ter Muͤhe, und unbezweifelt auf ſie, wie die Wir-
kungen auf ihre Urſachen beziehen kann.


Von
24) Ein merkwuͤrdiges Beyſpiel liefert der beruͤhmte
Hacquet in Voigts eten angefuͤhrtem Magazine, Th.
6. St. 4. S. 34. fg.
*) Von glaubwuͤrdigen Perſonen iſt mir verſichert wor-
den, daß die Pferde in England, ſeit das Stutzen
der Schwaͤnze Mode geworden, oͤfters mit weniger
Schwanzwirbelbeinen geboren wuͤrden. — Wenn ſich
dieſe und aͤhnliche Erfahrungen beſtaͤtigen; ſo wuͤßte
ich in der That nicht, was auch mehr gegen die
Evolutionshypotheſe und fuͤr den Bil-
dungstrieb
ſprechen koͤnnte. G.
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[87/0121] Kunſt oder Zufall entſtanden ſeyn, auf keinen Fall auf die Nachkoͤmmlinge fortgepflanzt werden koͤnnen, da doch andere Geſchlechtszeichen, welche aus an- dern, bis jetzt noch unbekannten Urſachen, haupt- ſaͤchlich in der Phyſiognomie entſtehen, als Naſen, oder Lippen, oder Augenbraunen, u. a. m. in Fa- milien unterweilen mehrere oder wenigere Zeugungen hindurch, mit mehr oder weniger anhaltender Aehn- lichkeit, ſich eben ſo gut fortpflanzen, als Fehler an den Sinnorganen 24), z. B. Fehler in der Rede und Ausſprache, und anderes der Art mehr; falls ſie nicht etwa Luſt haben, auch dieſes alles ei- nem beſonderen Zufalle zuzuſchreiben *). §. 40. Einige Verwahrungsregeln der Vorſichtigkeit bey Eroͤrte- rung der Urſachen der Verartung. Viele von den bisher aufgefuͤhrten Urſachen der Verartung ſpringen ſo klar in die Augen und ſind ſo außer allen Zweifel geſetzt, daß man die meiſten oben aufgezaͤhlten Erſcheinungen der Verartung mit leich- ter Muͤhe, und unbezweifelt auf ſie, wie die Wir- kungen auf ihre Urſachen beziehen kann. Von 24) Ein merkwuͤrdiges Beyſpiel liefert der beruͤhmte Hacquet in Voigts eten angefuͤhrtem Magazine, Th. 6. St. 4. S. 34. fg. *) Von glaubwuͤrdigen Perſonen iſt mir verſichert wor- den, daß die Pferde in England, ſeit das Stutzen der Schwaͤnze Mode geworden, oͤfters mit weniger Schwanzwirbelbeinen geboren wuͤrden. — Wenn ſich dieſe und aͤhnliche Erfahrungen beſtaͤtigen; ſo wuͤßte ich in der That nicht, was auch mehr gegen die Evolutionshypotheſe und fuͤr den Bil- dungstrieb ſprechen koͤnnte. G.

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Zitationshilfe: Blumenbach, Johann Friedrich: Über die natürlichen Verschiedenheiten im Menschengeschlechte. Leipzig, 1798, S. 87. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/blumenbach_menschengeschlecht_1798/121>, abgerufen am 19.04.2024.