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Blumenbach, Johann Friedrich: Handbuch der Naturgeschichte. 2. Aufl. Göttingen, 1782.

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und Mannichfaltigkeit dieser unbegreiflichen
Naturtriebe.

§. 37.

Der Mensch zeigt ausser den Begattungs-
trieben wenig andere Spuren von Instinct,
Kunsttriebe aber hat er folgends ganz und gar
nicht; was ihn hingegen reichlich für diesen
Mangel entschädigt, ist der Gebrauch der
Vernunft, die ihm allein ausschließlich, und
durchaus keinem andern Thiere zukommt, und
die sich schon dadurch von den Instincten aufs
deutlichste auszeichnet, daß sie erstens nicht so
wie sie eine angebohrne Fähigkeit ist, sondern
erst durch Erziehung, Unterricht und Cultur
gebaut und gleichsam ausgebildet werden muß;
daß sie aber dagegen zweytens auch unendlich
unbeschränkter und eines täglich zunehmenden
Wachsthumsfähig ist welches bey den thierischen
Trieben, zumal bey den Kunsttrieben schlech-
terdings nicht statt hat. Der Mensch hat kei-
nen bestimmten Wohnplatz, und keine be-
stimmte Nahrung - sondern, die ganze Erde,
in Norden und Süden und unter jedem Meri-
dian, ist ihm zum Aufenthalt und die ganze
organisirte Schöpfung von seinen Nebenmen-
schen an bis zur Auster und vom Pisang und
von der Ananas bis zum Pilz und zur Trüf-
fel zur Speise überlaßen, diese unendliche Ver-

und Mannichfaltigkeit dieser unbegreiflichen
Naturtriebe.

§. 37.

Der Mensch zeigt ausser den Begattungs-
trieben wenig andere Spuren von Instinct,
Kunsttriebe aber hat er folgends ganz und gar
nicht; was ihn hingegen reichlich für diesen
Mangel entschädigt, ist der Gebrauch der
Vernunft, die ihm allein ausschließlich, und
durchaus keinem andern Thiere zukommt, und
die sich schon dadurch von den Instincten aufs
deutlichste auszeichnet, daß sie erstens nicht so
wie sie eine angebohrne Fähigkeit ist, sondern
erst durch Erziehung, Unterricht und Cultur
gebaut und gleichsam ausgebildet werden muß;
daß sie aber dagegen zweytens auch unendlich
unbeschränkter und eines täglich zunehmenden
Wachsthumsfähig ist welches bey den thierischen
Trieben, zumal bey den Kunsttrieben schlech-
terdings nicht statt hat. Der Mensch hat kei-
nen bestimmten Wohnplatz, und keine be-
stimmte Nahrung – sondern, die ganze Erde,
in Norden und Süden und unter jedem Meri-
dian, ist ihm zum Aufenthalt und die ganze
organisirte Schöpfung von seinen Nebenmen-
schen an bis zur Auster und vom Pisang und
von der Ananas bis zum Pilz und zur Trüf-
fel zur Speise überlaßen, diese unendliche Ver-

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[40/0052] und Mannichfaltigkeit dieser unbegreiflichen Naturtriebe. §. 37. Der Mensch zeigt ausser den Begattungs- trieben wenig andere Spuren von Instinct, Kunsttriebe aber hat er folgends ganz und gar nicht; was ihn hingegen reichlich für diesen Mangel entschädigt, ist der Gebrauch der Vernunft, die ihm allein ausschließlich, und durchaus keinem andern Thiere zukommt, und die sich schon dadurch von den Instincten aufs deutlichste auszeichnet, daß sie erstens nicht so wie sie eine angebohrne Fähigkeit ist, sondern erst durch Erziehung, Unterricht und Cultur gebaut und gleichsam ausgebildet werden muß; daß sie aber dagegen zweytens auch unendlich unbeschränkter und eines täglich zunehmenden Wachsthumsfähig ist welches bey den thierischen Trieben, zumal bey den Kunsttrieben schlech- terdings nicht statt hat. Der Mensch hat kei- nen bestimmten Wohnplatz, und keine be- stimmte Nahrung – sondern, die ganze Erde, in Norden und Süden und unter jedem Meri- dian, ist ihm zum Aufenthalt und die ganze organisirte Schöpfung von seinen Nebenmen- schen an bis zur Auster und vom Pisang und von der Ananas bis zum Pilz und zur Trüf- fel zur Speise überlaßen, diese unendliche Ver-

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Zitationshilfe: Blumenbach, Johann Friedrich: Handbuch der Naturgeschichte. 2. Aufl. Göttingen, 1782, S. 40. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/blumenbach_naturgeschichte_1782/52>, abgerufen am 29.03.2024.