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Blumenbach, Johann Friedrich: Handbuch der Naturgeschichte. 5. Aufl. Göttingen, 1797.

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reiche) zusammen drängen, und andre dagegen
gleichsam isolirt sehn, weil sie wegen ihrer aus-
gezeichneten ganz eignen Bildung nicht ohne sicht-
lichen Zwang in einer solchen Leiter der Natur
irgendwo eingeschoben und untergebracht werden
können; (wie z. B. die ganze Classe der Vögel;
unter den Gewürmen das schongedachte Geschlecht
der Sepien; unter den Säugthieren das Men-
schengeschlecht selbst! etc.) - Ferner aber finden
sich Thiere, bey welchen, wie z. B. bey den Schild-
läusen, Männchen und Weibchen eine so durchaus
ganz verschieden Gestaltung haben, daß man folg-
lich in der gedachten Leiter die einen von den an-
dern trennen und nach dieser so sehr verschiednen
Sexualform beiden auf weit von einander entfern-
ten Sprossen ihre verschiednen Stellen anweisen
müßte. - Nun dann zeigen sich Lücken in der
Leiter, wo offenbar ohne einen sehr gewagten
Sprung gar nicht über zu kommen ist, wie zu
einem Beyspiel statt aller, die zwischen den orga-
nisirten Körpern und den Mineralien u. s. w.

So mangelhaft aber überhaupt die bildlichen
Vorstellungen von Kette der Natur u. s. w. gera-
then müssen, so ganz grundlos ist nun vollends
gar die vermeßne Behauptung mancher Physico-
theologen, als ob kein Glied aus dieser ihrer zu
Papier gebrachten Kette ausfallen dürfte, wenn
nicht die Schöpfung selbst stocken sollte u. dergl. m.
- So gut einzelne Gattungen von Thieren aus
ganzen großen Inseln, wie z. B. die Wölfe aus
Großbritannien vertilgt sind, ohne daß die dasige
Schöpfung durch diese nunmehrige scheinbare Lücke
ihren sonstigen Zusammenhang verloren haben sollte,
so können andre Geschöpfe aus ganzen Welttheilen
und wohl von der ganzen Erde vertilgt werden
(wie dieß allen Anschein nach mit manchen, z. B.
mit dem Dudu wirklich geschehen), ohne daß durch
diesen merklichen hiatus der dadurch in der Kette
der Physicotheologen entsteht, der ewige stille Gang
der Schöpfung selbst, im mindesten gefährdet wer-
den dürfte.

reiche) zusammen drängen, und andre dagegen
gleichsam isolirt sehn, weil sie wegen ihrer aus-
gezeichneten ganz eignen Bildung nicht ohne sicht-
lichen Zwang in einer solchen Leiter der Natur
irgendwo eingeschoben und untergebracht werden
können; (wie z. B. die ganze Classe der Vögel;
unter den Gewürmen das schongedachte Geschlecht
der Sepien; unter den Säugthieren das Men-
schengeschlecht selbst! ꝛc.) – Ferner aber finden
sich Thiere, bey welchen, wie z. B. bey den Schild-
läusen, Männchen und Weibchen eine so durchaus
ganz verschieden Gestaltung haben, daß man folg-
lich in der gedachten Leiter die einen von den an-
dern trennen und nach dieser so sehr verschiednen
Sexualform beiden auf weit von einander entfern-
ten Sprossen ihre verschiednen Stellen anweisen
müßte. – Nun dann zeigen sich Lücken in der
Leiter, wo offenbar ohne einen sehr gewagten
Sprung gar nicht über zu kommen ist, wie zu
einem Beyspiel statt aller, die zwischen den orga-
nisirten Körpern und den Mineralien u. s. w.

So mangelhaft aber überhaupt die bildlichen
Vorstellungen von Kette der Natur u. s. w. gera-
then müssen, so ganz grundlos ist nun vollends
gar die vermeßne Behauptung mancher Physico-
theologen, als ob kein Glied aus dieser ihrer zu
Papier gebrachten Kette ausfallen dürfte, wenn
nicht die Schöpfung selbst stocken sollte u. dergl. m.
– So gut einzelne Gattungen von Thieren aus
ganzen großen Inseln, wie z. B. die Wölfe aus
Großbritannien vertilgt sind, ohne daß die dasige
Schöpfung durch diese nunmehrige scheinbare Lücke
ihren sonstigen Zusammenhang verloren haben sollte,
so können andre Geschöpfe aus ganzen Welttheilen
und wohl von der ganzen Erde vertilgt werden
(wie dieß allen Anschein nach mit manchen, z. B.
mit dem Dudu wirklich geschehen), ohne daß durch
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der Physicotheologen entsteht, der ewige stille Gang
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den dürfte.

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[9/0031] reiche) zusammen drängen, und andre dagegen gleichsam isolirt sehn, weil sie wegen ihrer aus- gezeichneten ganz eignen Bildung nicht ohne sicht- lichen Zwang in einer solchen Leiter der Natur irgendwo eingeschoben und untergebracht werden können; (wie z. B. die ganze Classe der Vögel; unter den Gewürmen das schongedachte Geschlecht der Sepien; unter den Säugthieren das Men- schengeschlecht selbst! ꝛc.) – Ferner aber finden sich Thiere, bey welchen, wie z. B. bey den Schild- läusen, Männchen und Weibchen eine so durchaus ganz verschieden Gestaltung haben, daß man folg- lich in der gedachten Leiter die einen von den an- dern trennen und nach dieser so sehr verschiednen Sexualform beiden auf weit von einander entfern- ten Sprossen ihre verschiednen Stellen anweisen müßte. – Nun dann zeigen sich Lücken in der Leiter, wo offenbar ohne einen sehr gewagten Sprung gar nicht über zu kommen ist, wie zu einem Beyspiel statt aller, die zwischen den orga- nisirten Körpern und den Mineralien u. s. w. So mangelhaft aber überhaupt die bildlichen Vorstellungen von Kette der Natur u. s. w. gera- then müssen, so ganz grundlos ist nun vollends gar die vermeßne Behauptung mancher Physico- theologen, als ob kein Glied aus dieser ihrer zu Papier gebrachten Kette ausfallen dürfte, wenn nicht die Schöpfung selbst stocken sollte u. dergl. m. – So gut einzelne Gattungen von Thieren aus ganzen großen Inseln, wie z. B. die Wölfe aus Großbritannien vertilgt sind, ohne daß die dasige Schöpfung durch diese nunmehrige scheinbare Lücke ihren sonstigen Zusammenhang verloren haben sollte, so können andre Geschöpfe aus ganzen Welttheilen und wohl von der ganzen Erde vertilgt werden (wie dieß allen Anschein nach mit manchen, z. B. mit dem Dudu wirklich geschehen), ohne daß durch diesen merklichen hiatus der dadurch in der Kette der Physicotheologen entsteht, der ewige stille Gang der Schöpfung selbst, im mindesten gefährdet wer- den dürfte.

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Zitationshilfe: Blumenbach, Johann Friedrich: Handbuch der Naturgeschichte. 5. Aufl. Göttingen, 1797, S. 9. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/blumenbach_naturgeschichte_1797/31>, abgerufen am 16.04.2024.