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Blumenbach, Johann Friedrich: Handbuch der Naturgeschichte. 9. Aufl. Wien, 1816.

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So hat man z. B. aus der künstlichen Befruchtung
der Einen Pflanzengattung mittelst des männlichen
Staubes von einer andern, Samen gezogen, wel-
cher fecundabele Bastardpflanzen gegeben; d. h.
die sich zur Blühezeit abermahls mit männlichem Staub
von jener andern Gattung befruchten lassen, und wie-
derum fecundabele Bastarde der zweyten Gene-
ration hervorgebracht. Jene Bastarde von der ersten
Generation hielten gleichsam das Mittel zwischen bey-
den verschiedenen Stammältern von väterlicher und
mütterlicher Seite. Die von der zweyten hingegen
ähnelten schon weit mehr der väterlichen, als der
mütterlichen. Und nachdem die gleiche künstliche Be-
fruchtung noch fernerweit durch zwey folgende Gene-
rationen eben so wiederhohlt worden, so entstanden
endlich Pflanzen, an welchen die ursprüngliche müt-
terliche
Gestaltung so zu sagen ganz verwischt, und
in die väterliche umgewandelt worden. - (s. Köl-
reuter's
dritte Fortsetzung der Nachricht von einigen
das Geschlecht der Pflanzen betreffenden Versuchen
S 51. §. 24. mit der Überschrift: "Gänzlich voll-
brachte Verwandlung einer natürlichen
Pflanzengattung in die andere
."
-)

Da hat denn sogleich alle Präformation des seit
Erschaffung der Welt conservirten mütterlichen Keims
am Ende zu nichts geholfen, sondern hat der bilden-
den
Kraft des männlichen Stoffes (der eigentlich nach
der Evolutionshypothese bloß durch seine erwecken-
de
Kraft auf denselben hätte wirken sollen,) gänzlich
weichen müssen!

§. 8.

Und so bleibt es folglich im Ganzen unserem Er-
kenntnißvermögen und selbst den Regeln aller philoso-
phischen Naturforschung*) weit angemessener, wenn
man die Entstehung der neuerzeugten organisirten
Körper bloß durch allmähliche Ausbildung

*) "Causas rerum naturalium non plures admitti debere, quam
quae et verae sint et earum phaenomenis explicandis suf-
ficiant
:"
ist ja die erste von Newton's goldenen regulis
philosophandi
.

So hat man z. B. aus der künstlichen Befruchtung
der Einen Pflanzengattung mittelst des männlichen
Staubes von einer andern, Samen gezogen, wel-
cher fecundabele Bastardpflanzen gegeben; d. h.
die sich zur Blühezeit abermahls mit männlichem Staub
von jener andern Gattung befruchten lassen, und wie-
derum fecundabele Bastarde der zweyten Gene-
ration hervorgebracht. Jene Bastarde von der ersten
Generation hielten gleichsam das Mittel zwischen bey-
den verschiedenen Stammältern von väterlicher und
mütterlicher Seite. Die von der zweyten hingegen
ähnelten schon weit mehr der väterlichen, als der
mütterlichen. Und nachdem die gleiche künstliche Be-
fruchtung noch fernerweit durch zwey folgende Gene-
rationen eben so wiederhohlt worden, so entstanden
endlich Pflanzen, an welchen die ursprüngliche müt-
terliche
Gestaltung so zu sagen ganz verwischt, und
in die väterliche umgewandelt worden. – (s. Köl-
reuter's
dritte Fortsetzung der Nachricht von einigen
das Geschlecht der Pflanzen betreffenden Versuchen
S 51. §. 24. mit der Überschrift: Gänzlich voll-
brachte Verwandlung einer natürlichen
Pflanzengattung in die andere
.“
–)

Da hat denn sogleich alle Präformation des seit
Erschaffung der Welt conservirten mütterlichen Keims
am Ende zu nichts geholfen, sondern hat der bilden-
den
Kraft des männlichen Stoffes (der eigentlich nach
der Evolutionshypothese bloß durch seine erwecken-
de
Kraft auf denselben hätte wirken sollen,) gänzlich
weichen müssen!

§. 8.

Und so bleibt es folglich im Ganzen unserem Er-
kenntnißvermögen und selbst den Regeln aller philoso-
phischen Naturforschung*) weit angemessener, wenn
man die Entstehung der neuerzeugten organisirten
Körper bloß durch allmähliche Ausbildung

*) Causas rerum naturalium non plures admitti debere, quam
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[14/0033] So hat man z. B. aus der künstlichen Befruchtung der Einen Pflanzengattung mittelst des männlichen Staubes von einer andern, Samen gezogen, wel- cher fecundabele Bastardpflanzen gegeben; d. h. die sich zur Blühezeit abermahls mit männlichem Staub von jener andern Gattung befruchten lassen, und wie- derum fecundabele Bastarde der zweyten Gene- ration hervorgebracht. Jene Bastarde von der ersten Generation hielten gleichsam das Mittel zwischen bey- den verschiedenen Stammältern von väterlicher und mütterlicher Seite. Die von der zweyten hingegen ähnelten schon weit mehr der väterlichen, als der mütterlichen. Und nachdem die gleiche künstliche Be- fruchtung noch fernerweit durch zwey folgende Gene- rationen eben so wiederhohlt worden, so entstanden endlich Pflanzen, an welchen die ursprüngliche müt- terliche Gestaltung so zu sagen ganz verwischt, und in die väterliche umgewandelt worden. – (s. Köl- reuter's dritte Fortsetzung der Nachricht von einigen das Geschlecht der Pflanzen betreffenden Versuchen S 51. §. 24. mit der Überschrift: „Gänzlich voll- brachte Verwandlung einer natürlichen Pflanzengattung in die andere.“ –) Da hat denn sogleich alle Präformation des seit Erschaffung der Welt conservirten mütterlichen Keims am Ende zu nichts geholfen, sondern hat der bilden- den Kraft des männlichen Stoffes (der eigentlich nach der Evolutionshypothese bloß durch seine erwecken- de Kraft auf denselben hätte wirken sollen,) gänzlich weichen müssen! §. 8. Und so bleibt es folglich im Ganzen unserem Er- kenntnißvermögen und selbst den Regeln aller philoso- phischen Naturforschung *) weit angemessener, wenn man die Entstehung der neuerzeugten organisirten Körper bloß durch allmähliche Ausbildung *) „Causas rerum naturalium non plures admitti debere, quam quae et verae sint et earum phaenomenis explicandis suf- ficiant:“ ist ja die erste von Newton's goldenen regulis philosophandi.

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Zitationshilfe: Blumenbach, Johann Friedrich: Handbuch der Naturgeschichte. 9. Aufl. Wien, 1816, S. 14. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/blumenbach_naturgeschichte_1816/33>, abgerufen am 18.04.2024.