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Bluntschli, Johann Caspar: Allgemeine Statslehre. Stuttgart, 1875.

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Sechstes Buch. Die Statsformen.
welcher ohne innere selbständige Macht so lang ein bloszes
Scheinleben fortführen könnte, als jene es bequemer fände,
ihre wahre Gewalt zu verbergen. 7



Sechszehntes Capitel.
3. Das monarchische Princip und der Begriff der constitutio-
nellen Monarchie
.

Die constitutionelle Monarchie will eine wahre, keine
Scheinmonarchie sein.

Was ist nun das Wesen der Monarchie? Ohne Zweifel
die Personification der Statshoheit und der Statsgewalt
in einem Individuum. Von der Theokratie unterscheidet
sie sich auch dann, wenn der als Herrscher gedachte Gott
sich durch einen Fürsten vertreten läszt, indem sie dem Mon-
archen selber das Recht der Herrschaft zuschreibt, von den
Republiken, welche einen Dogen oder Präsidenten an der
Spitze haben, aber dadurch, dasz die republikanischen Stats-
häupter genöthigt sind, sei es die aristokratische Minderheit,
sei es die demokratische Mehrheit als den eigentlichen Herrscher
zu betrachten, dessen Vertreter und Diener sie sind, der
Monarch aber nicht Unterthan dieser Mächte, sondern immer
selbständiger Inhaber der Regierungsgewalt ist. Die Stats-
autorität erhält in der Monarchie im Gegensatz zu dem Col-
lectivausdruck der Republik einen höchsten individuellen
Ausdruck. Der Monarch ist die Statsperson im eminenten
Sinne.


7 Gerade diesen Versuch hat die französische Nationalversammlung
von 1789 gemacht. Thiers sagt von ihr sehr gut (revol. franc. II,
S. 198): "Elle etait democratique par ses idees et
monarchique par ses
sentiments." Die Ereignisse haben die Unhaltbarkeit eines derartigen
Zustandes dargelegt. In Frankreich hob die mächtige Demokratie das
ohnmächtige Königthum auf (1793).

Sechstes Buch. Die Statsformen.
welcher ohne innere selbständige Macht so lang ein bloszes
Scheinleben fortführen könnte, als jene es bequemer fände,
ihre wahre Gewalt zu verbergen. 7



Sechszehntes Capitel.
3. Das monarchische Princip und der Begriff der constitutio-
nellen Monarchie
.

Die constitutionelle Monarchie will eine wahre, keine
Scheinmonarchie sein.

Was ist nun das Wesen der Monarchie? Ohne Zweifel
die Personification der Statshoheit und der Statsgewalt
in einem Individuum. Von der Theokratie unterscheidet
sie sich auch dann, wenn der als Herrscher gedachte Gott
sich durch einen Fürsten vertreten läszt, indem sie dem Mon-
archen selber das Recht der Herrschaft zuschreibt, von den
Republiken, welche einen Dogen oder Präsidenten an der
Spitze haben, aber dadurch, dasz die republikanischen Stats-
häupter genöthigt sind, sei es die aristokratische Minderheit,
sei es die demokratische Mehrheit als den eigentlichen Herrscher
zu betrachten, dessen Vertreter und Diener sie sind, der
Monarch aber nicht Unterthan dieser Mächte, sondern immer
selbständiger Inhaber der Regierungsgewalt ist. Die Stats-
autorität erhält in der Monarchie im Gegensatz zu dem Col-
lectivausdruck der Republik einen höchsten individuellen
Ausdruck. Der Monarch ist die Statsperson im eminenten
Sinne.


7 Gerade diesen Versuch hat die französische Nationalversammlung
von 1789 gemacht. Thiers sagt von ihr sehr gut (révol. franç. II,
S. 198): „Elle était démocratique par ses idées et
monarchique par ses
sentiments.“ Die Ereignisse haben die Unhaltbarkeit eines derartigen
Zustandes dargelegt. In Frankreich hob die mächtige Demokratie das
ohnmächtige Königthum auf (1793).
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[492/0510] Sechstes Buch. Die Statsformen. welcher ohne innere selbständige Macht so lang ein bloszes Scheinleben fortführen könnte, als jene es bequemer fände, ihre wahre Gewalt zu verbergen. 7 Sechszehntes Capitel. 3. Das monarchische Princip und der Begriff der constitutio- nellen Monarchie. Die constitutionelle Monarchie will eine wahre, keine Scheinmonarchie sein. Was ist nun das Wesen der Monarchie? Ohne Zweifel die Personification der Statshoheit und der Statsgewalt in einem Individuum. Von der Theokratie unterscheidet sie sich auch dann, wenn der als Herrscher gedachte Gott sich durch einen Fürsten vertreten läszt, indem sie dem Mon- archen selber das Recht der Herrschaft zuschreibt, von den Republiken, welche einen Dogen oder Präsidenten an der Spitze haben, aber dadurch, dasz die republikanischen Stats- häupter genöthigt sind, sei es die aristokratische Minderheit, sei es die demokratische Mehrheit als den eigentlichen Herrscher zu betrachten, dessen Vertreter und Diener sie sind, der Monarch aber nicht Unterthan dieser Mächte, sondern immer selbständiger Inhaber der Regierungsgewalt ist. Die Stats- autorität erhält in der Monarchie im Gegensatz zu dem Col- lectivausdruck der Republik einen höchsten individuellen Ausdruck. Der Monarch ist die Statsperson im eminenten Sinne. 7 Gerade diesen Versuch hat die französische Nationalversammlung von 1789 gemacht. Thiers sagt von ihr sehr gut (révol. franç. II, S. 198): „Elle était démocratique par ses idées et monarchique par ses sentiments.“ Die Ereignisse haben die Unhaltbarkeit eines derartigen Zustandes dargelegt. In Frankreich hob die mächtige Demokratie das ohnmächtige Königthum auf (1793).

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Zitationshilfe: Bluntschli, Johann Caspar: Allgemeine Statslehre. Stuttgart, 1875, S. 492. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bluntschli_staatslehre_1875/510>, abgerufen am 28.03.2024.