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[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und andrer geistvollen Schriften. Bd. 1. Zürich, 1741.

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Auszüge aus Hr. Breitingers
XI.

Vielleicht aber hat der Unbekannte es nicht
so eigentlich genommen, wann er gesagt, daß
dieser Saz, Gott ist sich selbst genugsam,
das Fundament der Religion sey. Wenigstens
sezen diejenigen Religionspuncten, welche er üb-
rig läst, mehr die Meinung voraus, daß der-
selben Gegentheile mit diesem Saze streiten,
als daß er sie aus demselben als dessen Fol-
gen herleite. Er schließt nemlich so: Gott ist
sich selbst genugsam: Darum kan er nichts
thun, um eigenen Vortheil zu erhalten. Jst
dieses, so hat er bey der Schöpfung etc. nicht
seine eigene Ehre, sondern nur der Menschen
Glük zum Zweke gehabt. Hiemit giebt es a
nur einen einigen Zwek Gottes in Ansehung der
Menschen, der ist ihre Glükseligkeit; b kan Gott,
dessen Liebe und Wille unveränderlich ist, dieses
seines Endzwekes nicht verfehlen; und c folget,
daß in Gott entweder keine Strafgerechtigkeit

Plaz
hat er ja auch eben so wenig davon, wenn er weise, hei-
lig etc. ist, und mit einem Wort, so würket, wie es seine Ei-
genschaften insgesammt und nicht nur die Gütigkeit, in
so fern sie selbige ist, erfordern Gesezt man richtete die
Frage gegen den Ungenannten so ein: Warum will Gott
gütig seyn und das Glük seiner Geschöpfe befördern? Fehlt
ihm selbst dann etwas, wenn er es nicht thut? Er wird sa-
gen müssen daß Gott ohne Abbruch seiner Selbstgenugsam-
keit, seine Güte erweisen könne. Warum soll es aber
denn mit derselben streiten, wann man fragt, warum will
Gott seine Weisheit, Heiligkeit, Liebe zur Ordnung etc.
erzeigen? Fehlt ihm selbst etwas, wann er es nicht thut?
Gewiß so wenig, als wenig es der Gegner in dem ersten
Fall zugibt.
Auszuͤge aus Hr. Breitingers
XI.

Vielleicht aber hat der Unbekannte es nicht
ſo eigentlich genommen, wann er geſagt, daß
dieſer Saz, Gott iſt ſich ſelbſt genugſam,
das Fundament der Religion ſey. Wenigſtens
ſezen diejenigen Religionspuncten, welche er uͤb-
rig laͤſt, mehr die Meinung voraus, daß der-
ſelben Gegentheile mit dieſem Saze ſtreiten,
als daß er ſie aus demſelben als deſſen Fol-
gen herleite. Er ſchließt nemlich ſo: Gott iſt
ſich ſelbſt genugſam: Darum kan er nichts
thun, um eigenen Vortheil zu erhalten. Jſt
dieſes, ſo hat er bey der Schoͤpfung ꝛc. nicht
ſeine eigene Ehre, ſondern nur der Menſchen
Gluͤk zum Zweke gehabt. Hiemit giebt es a
nur einen einigen Zwek Gottes in Anſehung der
Menſchen, der iſt ihre Gluͤkſeligkeit; b kan Gott,
deſſen Liebe und Wille unveraͤnderlich iſt, dieſes
ſeines Endzwekes nicht verfehlen; und c folget,
daß in Gott entweder keine Strafgerechtigkeit

Plaz
hat er ja auch eben ſo wenig davon, wenn er weiſe, hei-
lig ꝛc. iſt, und mit einem Wort, ſo wuͤrket, wie es ſeine Ei-
genſchaften insgeſammt und nicht nur die Guͤtigkeit, in
ſo fern ſie ſelbige iſt, erfordern Geſezt man richtete die
Frage gegen den Ungenannten ſo ein: Warum will Gott
guͤtig ſeyn und das Gluͤk ſeiner Geſchoͤpfe befoͤrdern? Fehlt
ihm ſelbſt dann etwas, wenn er es nicht thut? Er wird ſa-
gen muͤſſen daß Gott ohne Abbruch ſeiner Selbſtgenugſam-
keit, ſeine Guͤte erweiſen koͤnne. Warum ſoll es aber
denn mit derſelben ſtreiten, wann man fragt, warum will
Gott ſeine Weisheit, Heiligkeit, Liebe zur Ordnung ꝛc.
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Gewiß ſo wenig, als wenig es der Gegner in dem erſten
Fall zugibt.
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[154/0170] Auszuͤge aus Hr. Breitingers XI. Vielleicht aber hat der Unbekannte es nicht ſo eigentlich genommen, wann er geſagt, daß dieſer Saz, Gott iſt ſich ſelbſt genugſam, das Fundament der Religion ſey. Wenigſtens ſezen diejenigen Religionspuncten, welche er uͤb- rig laͤſt, mehr die Meinung voraus, daß der- ſelben Gegentheile mit dieſem Saze ſtreiten, als daß er ſie aus demſelben als deſſen Fol- gen herleite. Er ſchließt nemlich ſo: Gott iſt ſich ſelbſt genugſam: Darum kan er nichts thun, um eigenen Vortheil zu erhalten. Jſt dieſes, ſo hat er bey der Schoͤpfung ꝛc. nicht ſeine eigene Ehre, ſondern nur der Menſchen Gluͤk zum Zweke gehabt. Hiemit giebt es a nur einen einigen Zwek Gottes in Anſehung der Menſchen, der iſt ihre Gluͤkſeligkeit; b kan Gott, deſſen Liebe und Wille unveraͤnderlich iſt, dieſes ſeines Endzwekes nicht verfehlen; und c folget, daß in Gott entweder keine Strafgerechtigkeit Plaz (*) (*) hat er ja auch eben ſo wenig davon, wenn er weiſe, hei- lig ꝛc. iſt, und mit einem Wort, ſo wuͤrket, wie es ſeine Ei- genſchaften insgeſammt und nicht nur die Guͤtigkeit, in ſo fern ſie ſelbige iſt, erfordern Geſezt man richtete die Frage gegen den Ungenannten ſo ein: Warum will Gott guͤtig ſeyn und das Gluͤk ſeiner Geſchoͤpfe befoͤrdern? Fehlt ihm ſelbſt dann etwas, wenn er es nicht thut? Er wird ſa- gen muͤſſen daß Gott ohne Abbruch ſeiner Selbſtgenugſam- keit, ſeine Guͤte erweiſen koͤnne. Warum ſoll es aber denn mit derſelben ſtreiten, wann man fragt, warum will Gott ſeine Weisheit, Heiligkeit, Liebe zur Ordnung ꝛc. erzeigen? Fehlt ihm ſelbſt etwas, wann er es nicht thut? Gewiß ſo wenig, als wenig es der Gegner in dem erſten Fall zugibt.

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Zitationshilfe: [Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und andrer geistvollen Schriften. Bd. 1. Zürich, 1741, S. 154. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung01_1741/170>, abgerufen am 19.04.2024.